Äthiopien will den Renaissance-Staudamm zur Stromgewinnung möglichst rasch mit Nil-Wasser füllen. Sudan und Ägypten fürchten dagegen, bald auf dem Trockenen zu sitzen. Trotz Gesprächen eskaliert der Konflikt noch.
Anzeige
Im Streit um Afrikas größten Staudamm ist keine Einigung in Sicht. Auch nach einem virtuellen Spitzentreffen der Afrikanischen Union (AU) beharrt Äthiopien auf seiner Position. "Äthiopien plant mit dem Füllen innerhalb der kommenden zwei Wochen zu beginnen, während die restlichen Arbeiten weitergehen werden", betonte Ministerpräsident Abiy Ahmed in einer Erklärung. Die Regionalnachbarn Sudan und Ägypten stehen dem Füllen des Großen Renaissance-Staudamms (Grand Ethiopian Renaissance Dam) dagegen kritisch gegenüber.
4,6-Milliarden-Projekt
Nach Angaben von Abiy sollen die Verhandlungen während dieser beiden Wochen jedoch weitergehen: "In dieser Zeit wollen die drei Länder ein abschließendes Übereinkommen bei einigen noch offenen Punkten erzielen."
Der 4,6 Milliarden Dollar teure Staudamm, den Äthiopien im Blauen Nil baut, sorgt seit Jahren für Streit vor allem mit Ägypten. Addis Abeba will mit dem Staudamm den für die ökonomische Entwicklung dringend benötigten Strom erzeugen. Kairo befürchtet, dass dann nicht genügend Wasser den Nil herabfließt. Der Wüstenstaat deckt mehr als 90 Prozent seines Wasserbedarfs aus dem Strom.
Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi warnte Äthiopien erneut vor einem Alleingang. Es müsse ein gerechtes und ausbalanciertes Abkommen zwischen allen betroffenen Ländern geben, bevor mit dem Füllen des Damms begonnen werde, teilte Al-Sisis Sprecher mit. Vergangene Woche hatte Kairo den UN-Sicherheitsrat um Vermittlung in dem Streit gebeten.
Wasser und Strom für zehn Staaten
Der Sudan sieht seinerseits inzwischen in dem Damm einige Vorteile für sich. Ministerpräsident Abdallah Hamdok hatte vor der Erklärung Abiys sogar mitgeteilt, es sei bereits vereinbart worden, die Flutung zu verschieben, bis eine Einigung erzielt sei. Der rund 6000 Kilometer lange Nil versorgt insgesamt zehn Länder mit Wasser und Strom. Der 1,8 Kilometer lange mit einer 145 Meter hohen Mauer soll 2022 vollständig in Betrieb genommen werden und dann mehr als als 5000 Megawatt Strom jährlich produzieren.
Die Arbeiten an der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre laufen auf Hochtouren - ebenso wie die Versuche, die Konflikte zwischen Äthiopien und den vom Staudamm betroffenen Nachbarstaaten am Nil zu schlichten.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Gigantische Aussichten
Hier entsteht er: Der riesige Staudamm, der Äthiopien und seine Nachbarn mit Strom versorgen soll. Vier Milliarden US-Dollar soll das Projekt kosten, das ab 2022 Elektrizität liefern soll - mithilfe der Wassermassen aus dem Blauen Nil. Ein gigantisches Projekt, das aber auch zu Streit und diplomatischen Konflikten mit Ägypten und dem Sudan geführt hat. Denn auch sie sind auf das Wasser angewiesen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Ein Koloss aus Beton
145 Meter hoch wird der Staudamm, fast zwei Kilometer lang. Die Baustelle misst elf Quadratkilometer. Äthiopien kann die Fertigstellung kaum erwarten. Fast die Hälfte der äthiopischen Haushalte muss derzeit ohne Strom auskommen. Für sie könnte das Bauwerk eine große Verbesserung bedeuten. Einen beträchtlichen Teil des Stroms will das Land an Nachbarländer verkaufen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Weite Landschaft wird zum See
Damit das Wasser genug Kraft entwickeln kann, muss es gestaut werden. "In ein paar Jahren wird dieses ganze Gebiet voller Wasser sein", sagt Maschinenbauingenieur Abdu Yibrea und zeigt über die Ebene. 74 Milliarden Kubikmeter Wasser soll das Reservoir fassen. Äthiopien möchte den künstlichen See so schnell wie möglich füllen, doch die Nachbarstaaten sträuben sich dagegen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Streit zwischen den Nil-Staaten
Äthiopien will das Reservoir innerhalb der kommenden sieben Jahre füllen. Ägypten fordert 21 Jahre. Das Land befürchtet, dass der Wasserpegel im Fluss stark sinkt, sobald Äthiopien den Staudamm in Betrieb nimmt. Sollte es tatsächlich zu Wasserknappheit oder Dürre kommen, soll Äthiopien Ägypten deshalb Wasser-Reserven garantieren. Alle Gespräche und Vermittlungsversuche scheiterten bisher.
Wo geht's hier zur Lösung?
Bei seinem Besuch in Südafrika bat Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed den dortigen Präsidenten um Hilfe. Cyril Ramaphosa soll in der langanhaltenden Krise zwischen Äthiopien und Ägypten vermitteln. Ramaphosa wird diesen Monat turnusmäßig den Vorsitz in der Afrikanischen Union übernehmen. Den aktuellen AU-Vorsitzenden konnte Abiy schlecht fragen: Es ist Ägyptens Präsident.
Bild: AFP/P. Magakoe
Arbeiten bei bis zu 50 Grad Celsius
Während die Verhandlungen laufen, gehen die Arbeiten an der Mega-Baustelle weiter. 6000 Menschen arbeiten rund um die Uhr, oft in sengender Hitze. In den heißesten Monaten steigt das Thermometer hier auf bis zu 50 Grad Celsius.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Im zukünftigen Kraftwerk
Die Schweißgeräte sind in vollem Einsatz: In einem der beiden Kraftwerke sollen als nächstes die beiden Teile der Turbine zusammengesetzt werden. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Mitte 2021 sollen die ersten Turbinen einsatzbereit sein.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Antrieb für das Mega-Projekt
Hier soll die Turbine eingebaut werden. Insgesamt sind 13 Stück geplant, verteilt auf zwei Kraftwerke an beiden Uferseiten. 15.000 Gigawattstunden Strom im Jahr sollen die Kraftwerke der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre erzeugen. Das Werk wäre dann so stark wie die drei bisher größten Wasserkraftwerke Afrikas zusammen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Verzögerungen und Vorwürfe
Ursprünglich sollte der Staudamm schon fertig sein. Doch Missmanagement und Korruptionsvorwürfe verlängerten die Bauphase. Im November vergangenen Jahres wurde der erste Teil fertig: Die Mauer des Reservoirs liegt in einem anderen Landesteil Äthiopiens und schließt das Rückhaltebecken ab.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Ausblick
Diesen Weg nimmt das Wasser nach dem Staudamm. Der Blaue Nil fließt von hier weiter Richtung Sudan und Ägypten. Wie stark die Strömung die Menschen dort in Zukunft erreicht - das hängt von den kommenden Verhandlungen und der Vermittlung zwischen Äthiopien und Ägypten ab. Ägypten hat jedenfalls schon erklärt, dass es äthiopischen Strom kaufen will.