Auf eine 5000 Jahre alte Brauerei sind Archäologen in Ägypten gestoßen. Den Forschern zufolge war diese wohl die größte Bierproduktionsstätte ihrer Zeit.
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Archäologinnen und Archäologen aus den USA und Ägypten haben eine antike Brauerei am Nil entdeckt: Wie das Tourismusministerium in Kairo mitteilte, handelt es sich beim Fund um eine Brauerei, die vermutlich 5.000 Jahre alt ist und 22.400 Liter Bier auf einmal produzieren konnte. In der Antike diente der Gerstensaft als Getränk für nahezu die gesamte Bevölkerung und glich einem Grundnahrungsmittel wie Brot. Das Bier wurde aus einer Mischung aus Wasser und Gerste hergestellt, die erwärmt wurde und dann gärte. Die Mischung wurde teils mit Fruchtsaft-Konzentraten gewürzt, gefiltert und als dickflüssiges, süßes Getränk gereicht.
Von dieser und anderen Funden, viele davon im vergangenen Jahr, erhofft sich vor allen Dingen die ägyptische Tourismusbranche Aufwind: 2010 kamen 14,7 Millionen Touristen nach Ägypten. Diese Zahl brach infolge der Proteste im Rahmen des Arabischen Frühlings im Jahr 2011 sowie des Militärputsches im Jahr 2016 ein. Danach folgte eine Phase des Wachstums, die wiederum durch die COVID-19-Pandemie ausgebremst wurde: Kamen 2019 noch 13,1 Millionen Besucher nach Ägypten, waren es 2020 nur noch 3,5 Millionen.
Die Entdeckung einer "Hochleistungs-Brauerei", wie das ägyptischen Tourismusministerium die Stätte in einer Verlautbarung auf Facebook bezeichnete, könnte der örtlichen Tourismusbranche gerade recht kommen. Wie schon die Entdeckung der 'Imbissbude' in Pompeii im Jahr 2020 bewies, erfreuen sich kulinarische Funde in der Öffentlichkeit großer Beliebtheit. Das bestätigt auch die Archäologin und Direktorin des Museums Burg Linn Dr. Jennifer Morscheiser: "Als Archäologe weiß man, was die Presse liebt: Alle Funde, die mit Sex, Alkohol oder saisonalen Feiertagen zu tun haben."
Archäologische Schätze des Jahres 2020
Weltweit arbeiten Archäologen trotz Pandemie in ihren Grabungsstätten. Das Jahr 2020 brachte spektakuläre Funde wie Sarkophage, Marmorstatuen, Goldmünzen zu Tage.
Bild: Khaled Desouki/AFP/Getty Images
Fundort: Sakkara
Die altägyptische Nekropole von Sakkara, ca. 30 Kilometer südlich von Kairo, zählt neben dem Tal der Könige und den Pyramiden von Gizeh zu den bedeutendsten archäologischen Grabungsorten in Ägypten. 2020 war sie gleich mit mehreren spektakulären Funden in den internationalen Schlagzeilen: Bereits im September und Oktober fanden die Wissenschaftler dort prachtvoll verzierte Holzsärge.
Bild: Samer Abdallah/dpa/picture alliance
Sarkophage aus altägyptischer Zeit
Im November wurden erneut dutzende Sarkophage in der Totenstadt von Sakkara entdeckt. Die kunstvoll bemalten Holzsärge seien über 2500 Jahre alt, erklärten ägyptische Wissenschaftler auf einer Pressekonferenz vor Ort. Bei einzelnen Sarkophagen öffneten die Forscher vorsichtig den Deckel, um das Innere näher zu untersuchen. Die Funde in Ägypten waren die archäologische Sensation 2020.
Bild: Khaled Desouki/AFP/Getty Images
Ältestes Ortsschild der Welt
Eine mehr als 5000 Jahre alte Inschrift auf einem Felsbrocken haben 2020 Ägyptologen der Uni Bonn entschlüsselt. Entdeckt wurde sie im Wadi Abu Subeira, nordöstlich von Assuan. In Zusammenarbeit mit dem ägyptischen Antikenministerium, das die Grabungen aller Forschungsteams überwacht, fanden die Wissenschaftler heraus, dass es sich um ein antikes Ortsschild aus dem 4. Jahrtausend vor Chr. handelt.
Bild: Ludwig Morenz
Fundort: Ruinen von Pompeji
Die Ausgrabungsstätten der römischen Stadt Pompeji, südlich von Neapel, warten seit Jahrzehnten immer wieder mit archäologischen Überraschungen auf. Beim historischen Vulkanausbruch des Vesuv im Jahr 79 nach Chr. begruben Schlamm, Ascheregen und flüssige Lava den Ort unter sich, Menschen und Tiere starben. Erst im 18. Jahrhundert wurden die antiken Überreste von Archäologen wiederentdeckt.
Bild: picture-alliance/Jens Köhler
Antiker "Schnellimbiss"
Kurz vor Weihnachten präsentierten die Archäologen in Pompeji ihren spektakulärsten Fund des Jahres: eine "Thermopolia", ein antikes Straßenrestaurant mit einem bemalten Tresen. In den Aussparungen waren Warmhalte-Behältnisse für die Speisen eingelassen, vermuten die Wissenschaftler. Gerichte mit Ente, Hühnchen und anderem wurden den Bewohnern von Pompeji hier zum Verkauf angeboten.
Bild: Luigi Spina/picture alliance
Fundort: Jerusalem
Auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse brachte das Jahr 2020: Nach jahrelangen Grabungen auf dem Gebiet des heutigen Jerusalems legte ein Forscherteam um den deutschen Archäologen Dieter Vieweger Teile der antiken Stadtmauer frei, die aus byzantinischer und der Zeit von König Herodes stammen. Damit ist klar, dass das historische Jerusalem deutlich kleiner war als bisher angenommen.
Bild: DW/T. Krämer
Dorf aus dem 2. Jahrhundert
In Jerusalem schwelen bis heute politische und religiöse Konflikte. Die verschiedenen archäologischen Schichten beinhalten tausende Jahre multikulturelle Geschichte. Im Frühjahr 2020 wurden mitten in Jerusalem die Mauerreste eines Dorfes aus dem 2. Jahrhundert ausgegraben. Spuren des Alltagslebens geben Aufschluss über die Siedlungen dieser Zeit.
Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Widak
Goldmünzen-Schatz
Die Archäologen trauten ihren Augen nicht, als sie die Fundstelle in Israel weiter freilegten: Ein Schatz aus 425 Münzen aus massivem Gold, in einem Tongefäß versteckt. Zwei Jugendliche hatten ihn bei einer Hobby-Grabung entdeckt und zum Glück den Fachleuten der archäologischen Grabungsstelle gemeldet. Die Nachprüfung ergab, dass die Münzen aus der Zeit der Abbasiden vor circa 1100 Jahren stammen.
Bei Arbeiten in der Kanalisation von Athen stießen Bauarbeiter auf den massiven Kopf einer antiken Skulptur. Bei näherer Untersuchung stellte er sich als wertvolles Kulturgut heraus: Der Marmorkopf des Gottes Hermes stammt - laut griechischem Kulturministerium - aus dem 3. oder sogar 4. vorchristlichen Jahrhundert. In der Altstadt von Athen werden immer wieder archäologische Funde gemacht.
Bild: Greek Culture Ministry/picture alliance/dpa
Geheimnis von Stonehenge
Ob Stonehenge ein Tempel, eine antike Opferstätte oder ein Himmelsobservatorium ist, ist bis heute nicht geklärt. Aber Forscher konnten 2020 die Herkunft der weltberühmten Steine in Südengland herausfinden. Nach einer aktuellen Studie stammen die tonnenschweren Felsbrocken aus dem umliegenden Hügelland der Westwoods. Wie die bis zu 7 Meter hohen Steine transportiert wurden, bleibt rätselhaft.
Bild: picture-alliance/Bildagentur-online/Tetra
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Das Klima wird kälter, der Wein teurer - so beginnt das Bierbrauen
Die Museumsleiterin stieß 2011 bei einer Grabung in Bonn selbst auf eine antike Brauerei – diese knapp 2000 Jahre alt und von den Römern angelegt. "Dass Getränke haltbar und einigermaßen keimfrei gemacht werden, ist eine überzeugende Idee, gerade vor 2000 oder 5000 Jahren, als Brunnen, Abwassersysteme und Flüsse nur partiell voneinander getrennt waren", erklärt Morscheiser. Das könnte erklären, warum das Bierbrauen schon vor Tausenden von Jahren populär wurde. Aber wie kam das Bierbrauen nach Nord- und Mitteleuropa, in das Gebiet des heutigen Deutschlands?
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Dafür gibt es mehrere mögliche Wege. Es wird angenommen, dass die Griechen im dritten Jahrhundert v. Chr. von den Ägyptern das Bierbrauen lernten, aber es ist unklar, ob die Römer es ihrerseits von den Griechen oder nach der römischen Eroberung Nordafrikas im Jahr 32 v. Chr. von den Ägyptern lernten.
In Mitteleuropa gibt es Hinweise darauf, dass die Kelten etwa zur gleichen Zeit Getreide zu Alkohol vergoren haben; und es ist durchaus möglich, dass andere europäische Völker den Gärungsprozess unabhängig davon entdeckt haben: "Bier und Met war auch schon bei den Kelten bekannt, aber der Hype und die massenhafte Herstellung begann erst in der Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr.", erläutert Morscheiser. "Die Römer fangen an Bier zu brauen, als sich das Klima ändert. Es wird kälter, der Wein damit teurer, er ist auch schwieriger zu bekommen. Also weichen die Römer am und um den Rhein auf ein anderes alkoholisches Getränk aus: Ab Mitte des zweiten Jahrhunderts beginnt man in jeder römischen Villa, vom Rhein bis in die Eifel, Bier zu brauen."
Die Deutschen und ihr Bier
02:57
"Die Wasserleitungen hat man verfallen lassen, das Bierbrauen nicht"
Auch wenn die Römer das Bier als Getränk zweiter Klasse angesehen haben, die Liebe der Deutschen zum Bier ist bis heute standhaft geblieben. "Soweit ich das überblicken kann, wurde seit diesem Zeitpunkt immer weiter gebraut", so Morscheiser. "Das hat sogar den Zerfall des Römischen Reiches überstanden - die Wasserleitungen hat man verfallen lassen, das Bierbrauen wollte man aber nicht aufgeben.” Bis zum Mittelalter wurde Bier in Europa nur in überschaubaren Mengen gebraut. Erst mit der industriellen Revolution begann in Europa das Brauen in industriellem Maßstab. Das deutsche Bier hat sich mit der Zeit zu einem wichtigen Tourismusfaktor entwickelt: Jährlich reisen zum Beispiel ungefähr sechs Millionen Besucher nach München zum Oktoberfest.
In der Brauerei, die nun von den Archäologen in Ägypten freigelegt wurde, ging es möglicherweise darum, Bier für einen weniger fröhlichen Anlass zu bauen: Die Verlautbarung des ägyptischen Tourismusministeriums lässt auch den Leiter der Ausgrabung, Matthew Adams von der New York University zu Wort kommen. Er hält es für möglich, dass die Brauerei am Nil gebaut wurde, um bei Beerdigungsriten der Pharaonen für die Getränkeversorgung zu sorgen.