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Ägypten drängt Hamas ins Abseits

Markus Symank, Kairo 5. März 2014

Nach der Muslimbruderschaft wollen Ägyptens Machthaber nun auch die palästinensische Hamas zerschlagen. Dafür lassen sie Tunnel sprengen und Gelder konfiszieren. Die Islamisten reagieren empört.

Hamas-Unterstützer in Gaza (Foto: AFP)
Hamas-Anhänger in GazaBild: Mohammed Abed/AFP/Getty Images

Gegen die Muslimbruderschaft geht die ägyptische Führung bereits seit Monaten mit aller Härte vor. Nun nimmt sie auch deren palästinensische Schwesterorganisation, die Hamas, ins Visier: Ein Schnellgericht in Kairo ordnete am Dienstag (04.03.2014) an, die ägyptischen Büros der Hamas zu schließen und ihr Vermögen zu beschlagnahmen. Sämtliche Aktivitäten der Organisation in Ägypten seien fortan verboten.

Viele Ägypter reagierten mit Genugtuung auf den Justizentscheid. "Ich glaube, dass die Hamas Tag für Tag an Popularität und Zustimmung verliert. Sowohl unter den Palästinensern, als auch unter den Ägyptern", sagt Amr Haschem Rabie, Politologe beim Al-Ahram-Zentrum für politische und strategische Studien. Wie andere Beobachter aus Ägypten beschuldigt er die Hamas, Terroristen auf der Sinai-Halbinsel finanziell und logistisch im Kampf gegen den ägyptischen Staat zu unterstützen. Die Hamas wies diese Anschuldigungen zurück und wertete den Richterspruch als politisch motiviert.

Hunderte Tunnel zerstört

Das jüngste Gerichtsurteil zielt darauf ab, die politisch angeschlagene Hamas weiter zu schwächen. Als einziges arabisches Land mit einer Grenze zum Gaza-Streifen kann Ägypten auch mit anderen Mitteln Druck ausüben: So zerstörte die ägyptische Armee seit dem Sommer 2013 gut zwei Drittel der etwa 1200 Schmuggeltunnel, die von der Sinai-Halbinsel in das Palästinensergebiet führen. Durch diese waren in den vergangenen Jahren Lebensmittel, Treibstoff, Baumaterialien, Medizin, aber auch Waffen in den unter israelischer Blockade stehenden Gaza-Streifen gelangt. Die dortige Wirtschaft ist durch das Vorgehen der ägyptischen Armee in Mitleidenschaft gezogen worden, die Inflation gestiegen.

Tunnel zwischen Ägypten und dem Gaza-StreifenBild: Patrick Baz/AFP/Getty Images

Nach Ansicht des ägyptischen Nahost-Experten Hussein Ali wird das nun verhängte Verbot gegen Hamas-Aktivitäten den Handlungsspielraum der Organisation weiter reduzieren. "Diese Entscheidung wird die Hamas schwächen und die Zahl der Terroranschläge innerhalb von Ägypten reduzieren", sagt er. Für militante Islamisten werde es nun schwieriger, Kämpfer auf den Sinai einzuschleusen.

Annäherung unter Mursi

Nach der Wahl Mohammed Mursis zum ersten islamistischen Präsidenten am Nil hatte die Hamas noch auf eine stärkere Kooperation mit Ägypten gehofft. Das erste frei gewählte Staatsoberhaupt nach dem Sturz Husni Mubaraks machte aus seiner ideologischen Nähe zur Hamas nie ein Geheimnis. Diese war in den 1980er Jahren als palästinensischer Zweig aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen, aus deren Reihen auch Mursi selbst stammt. Als ägyptischer Präsident stellte er eine Lockerung des Grenzverkehrs und engere wirtschaftliche Zusammenarbeit in Aussicht. Während seiner kurzen Regierungszeit hielt die Palästinenserorganisation interne Wahlen in Kairo ab. Nach einer Zunahme der Attentate auf dem Sinai sah Mursi allerdings von einer weiteren Annäherung ab.

Experte Rabie sagt, dass die Politik Mursis gegenüber der Hamas angesichts der schlechten Sicherheitslage in Ägypten keine Option mehr sei: "Die Situation in Ägypten hat sich seit damals völlig verändert. Priorität muss nun haben, Ägypten vor möglichen Schäden durch die Hamas zu schützen." Mehr als 170 Soldaten und Polizisten sind seit dem Militärputsch gegen Mursi im Sommer 2013 ums Leben gekommen, die Mehrheit davon auf der Sinai-Halbinsel. Zu den meisten Anschlägen haben sich Al-Kaida-nahe Bewegungen wie "Ansar Beit al-Maqdis" bekannt. Nach der Darstellung der neuen Machthaber in Kairo geht die Gewalt hingegen auf das Konto der Muslimbruderschaft sowie der Hamas.

Mursi machte aus seiner ideologischen Nähe zur Hamas kein GeheimnisBild: Reuters

Hamas spricht von Verrat

Seit dem Sommer 2013 hat Kairo seine Beziehungen zur gemäßigten Fatah ausgebaut, die im palästinensischen Westjordanland regiert und von den meisten westlichen Nationen unterstützt wird. Auch fördert die ägyptische Regierung gegen die Hamas gerichtete politische Aktivitäten. So ließ sie die Gruppierung Tamarud (Rebellion) im Januar eine Konferenz in Kairo abhalten. Diese fordert einen Sturz der Hamas-Führung, und orientiert sich an der gleichnamigen Bewegung, die im vergangenen Sommer in Ägypten zu Massenprotesten gegen Mursi aufrief.

Die Hamas wirft der Führung in Kairo vor, durch ihr Vorgehen das palästinensische Volk zu verraten. Das Gerichtsurteil schade dem Ansehen Ägyptens und dem palästinensischen Widerstandskampf gegen Israel, richtete ein Hamas-Sprecher aus Gaza aus.

In den sozialen Medien schrieben einige Ägypter, dass sie sich zunehmend an die Palästina-Politik des früheren Diktators Husni Mubarak erinnert fühlten. Auch dieser stand mit der Hamas auf Kriegsfuß, Kritiker hielten ihm eine einseitige Politik zugunsten Israels vor. Politologe Hussein Ali fordert daher, dass Kairo über Wege nachdenkt, der Bevölkerung im Gaza-Streifen zu helfen."Es geht darum, das palästinensische Volk auf legale Weise zu versorgen und zu unterstützen, nicht durch illegale Mittel, wie es die Schmuggeltunnel sind", sagt Hussein. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass die Islamisten aus dem harten Kurs der ägyptischen Regierung Kapital schlagen.