Ägypten kritisiert Einschränkung von US-Militärhilfe
10. Oktober 2013 "Zur Hölle mit der amerikanischen Hilfe", schrieb die Tahrir-Zeitung aus Kairo am Tag nach der amerikanischen Entscheidung. Die ägyptische Regierung drückte sich diplomatischer aus. Der Beschluss der US-Regierung sei "falsch", erklärte ein Sprecher des ägyptischen Außenministeriums. "Die Entscheidung wirft ernsthafte Fragen auf, ob die USA bereit sind, die Bemühungen der ägyptischen Regierung für mehr Sicherheit im Land zu unterstützen". Das Land werde sich "ausländischem Druck" nicht beugen. In inneren Angelegenheiten werde Ägypten auch künftig "vollkommen unabhängig entscheiden".
Bisher war Ägypten nach Israel der zweitgrößte Empfänger von US-Militärhilfe. 1,3 Milliarden Dollar flossen jedes Jahr in Ägyptens Militärhaushalt. Panzer, Raketen, Kampfflugzeuge, Hubschrauber: Die US-Regierung lieferte fast alles an den Nil, was das Herz der ägyptischen Generäle begehrte.
Jetzt aber wird die Versorgung mit solchen militärischen Großgeräten "Made in USA" erstmal ausgesetzt. Außerdem werden Hilfen in Höhe von 260 Millionen Dollar eingefroren. Damit ist ein großer Teil der Militärhilfe auf Eis gelegt. Mittel für die Bekämpfung des Terrorismus und für die Sicherheit auf Sinai-Halbinsel sollen aber weiter fließen. Auch an der Lieferung von Ersatzteilen und der Zusammenarbeit bei militärischem Training hält Washington fest.
USA fordern freie und faire Wahlen
Die Wiederaufnahme der Hilfen hänge von einem "glaubwürdigen Prozess hin zu einer demokratisch gewählten zivilen Regierung" ab, erklärte US-Außenamtssprecherin Jen Psaki. Dazu seien "freie und faire Wahlen" nötig. US-Außenminister John Kerry sagte, die weiteren Entscheidungen fielen "auf Grundlage des Verhaltens" der Regierung in Kairo. Das Augenmerk liege insbesondere auf dem Fahrplan hin zu Wahlen und der Bildung einer neuen Regierung. Kerry versicherte, es gehe den USA "keineswegs um einen Rückzug aus der Beziehung" mit Kairo. "Wir wollen, dass die Übergangsregierung Erfolg hat."
"Die Amerikaner wollen Druck auf die Militärregierung ausüben", erklärt Sebastian Sons, Ägypten-Experte des Deutschen Orient Instituts. "Sie befürchten, dass die Militärregierung die angekündigte Demokratisierung des Landes aufhält oder sogar verhindert."
Ein Grund für die Einschränkung des US-Engagements ist wohl auch das gewaltsame Vorgehen der Militärregierung gegen Demonstranten – vor allem gegen protestierende Muslimbrüder, Anhänger des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi.
Die Kürzungen der US-Regierung seien allerdings ein "eher halbherziger Schritt", sagt Sons. Er rechnet nicht damit, dass die US-Regierung die neuen Machthaber komplett fallen lässt. Dazu seien die Sicherheitsrisiken zu groß.
Ägypten ist einer der zentralen Verbündeten der USA in der Region. Das Land kontrolliert den strategisch wichtigen Suez-Kanal. Außerdem ist Ägypten neben Jordanien der einzige Staat der Region, der Frieden mit Israel geschlossen hat.
"Die Amerikaner wollen Stabilität, Sicherheit für Israel, die Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die Eingrenzung der Muslimbrüder", erklärt Sebastian Sons, "Und sie glauben, dass das ägyptische Militär dafür der vertrauenswürdigste und sicherste Partner ist." Letztlich seien die USA sogar froh darüber, dass die Muslimbrüder nicht mehr an der Macht seien. Eine Radikalisierung der Auseinandersetzung zwischen der Militärregierung und den Muslimbrüdern und eine weitere Spaltung der ägyptischen Gesellschaft seien allerdings nicht im Interesse der USA. Daher der Versuch, mäßigend auf die Militärregierung einzuwirken.
Zweifel an Wirksamkeit der Kürzungen
Robert Springborg, Ägypten-Experte an der Naval Post-Graduate School in den USA, ist allerdings skeptisch was die Wirksamkeit der Kürzungen betrifft. "Das wird überhaupt keine Auswirkungen auf das Verhalten von Militär und Regierung in Ägypten haben", glaubt Springborg. "Das ägyptische Militär wird seine Strategie nicht wegen ein paar Panzern und Flugzeugen ändern." Das Ganze sei eher eine symbolische Geste.
"Wenn es um Menschenrechte und Demokratie-Standards geht", ergänzt Khaled Elgindy vom US-amerikanischen Brookings Institut, "ist es wichtig, deutliche Signale zu senden. Ich glaube nicht, dass wir das getan haben." Der jüngste Beschluss tue niemandem wirklich weh.
Sebastian Sons ist ohnehin skeptisch, ob der Westen die Situation in Ägypten wirklich beeinflussen kann: "Die Ägypter wollen sich von Amerikanern und Europäern nichts mehr sagen lassen. Sie wollen ihr Schicksal selbst bestimmen."