1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Ägypten ringt um Ernährungssicherheit

27. März 2022

Schon vor Corona kämpfte Ägypten mit wachsender Armut. Nun bedroht der Krieg in der Ukraine die Ernährungssicherheit der Bevölkerung. Die Regierung hat nun den Brotpreis gedeckelt und weitere Hilfen angekündigt.

Ägypten Bäckerei in Kairo, Gizeh
Ohne Brot geht in Ägypten nichtsBild: Mohammed Magdy/DW

Es war eine turbulente Woche für die mehr als 100 Millionen Menschen in Ägypten: Erst wertete die Landeswährung gegenüber dem Dollar um rund 15 Prozent ab, dann erhöhte die Zentralbank den Leitzins, um die Kapitalflucht zusätzlich zu bremsen und die Wirtschaft zu stützen.

Um dem Anstieg der Lebenshaltungskosten Einhalt zu gebieten, deckelte Premierminister Mustafa Madbuli zudem den Brotpreis. Ein 90-Gramm-Fladen darf nun nirgendwo mehr als ein Ägyptisches Pfund, also ca. 0,05 Euro kosten. Dies ist der Preis, für die rund 63 Millionen Bezugsberechtigte in rund 30.000 Bäckereien subventioniertes Brot beziehen können. Ab sofort gilt er auch für die 5000 Bäckereien, die nicht subventioniertes Brot verkaufen.

Weizenpreise so hoch wie nie

02:31

This browser does not support the video element.

Für die Zukunft kündigte die Regierung an, die Wirtschaft mit 130 Millionen Ägyptischen Pfund (ca. 6,4 Mio. Euro) zu stützen. Sie wolle damit gegen die wachsende Armut, das Schrumpfen der Privatwirtschaft und die wachsende Arbeitslosigkeit im Land vorgehen, die sich bereits vor der Corona-Pandemie abzeichneten. In Ägypten leben rund 30 Millionen Menschen in Armut, 70 Prozent der Bevölkerung ist auf Staatshilfen angewiesen.

Regierung reagiert auf wachsende Armut

"Ägypten hat genug Weizen aus eigener Produktion und strategischen Reserven, um den Bedarf bis Ende des Jahres zu decken", sagt Timothy Kaldas vom Washingtoner Think-Tank Tahrir Institute für Middle East Policy. Doch auch wenn kein unmittelbarer Mangel an Lebensmitteln droht - die wegen des Ukraine-Kriegs gestiegenen Weizenpreise treffen Bevölkerungen wie die ägyptische besonders hart. Das Getreide liefert dort einen größeren Teil der täglichen Kalorien als etwa in vielen westlichen Gesellschaften. Ägypten ist der größte Weizenimporteur der Welt.

Der eigene Weizenanbau in Ägypten reicht nicht annähernd, um die Bevölkerung zu ernährenBild: Mohamed el-Shahed/AFP/Getty Images

Mehr als 80 Prozent seiner Weizen-Importe bezog das Land bisher aus Russland und der Ukraine. Einen nachhaltigen Ersatz dafür gibt es noch nicht. Allerdings sei Ägypten auf Weizen-Importe angewiesen, erklärt Eckart Woertz, Experte für Ernährungssicherheit und Direktor des Hamburger GIGA Instituts für Nahost-Studien. Deshalb müsse die Regierung Geld in die Hand nehmen und teureren Weizen aus anderen Ländern wie USA und Indien beziehen. Die Ernährungsfrage könnte entscheidend sein, um die Ruhe im Land zu wahren.

Brot bedeutet Leben in Ägypten

Wie essentiell Brot für die Ägypter ist, macht das Wort "eish" deutlich: Es kann je nach Kontext mit Brot, Leben und Lebensgrundlage übersetzt werden. In der arabischen Welt gibt es immer wieder sogenannte Brot-Aufstände. In Ägyptens jüngerer Geschichte gab es bereits dreimal - 1977, 2011 und 2017 - gewaltsame Ausschreitungen nach der Absenkung von Brotsubventionen. Ein Slogan während des Arabischen Frühlings 2011, der mit dem Ende der langjährigen Herrschaft von Hosni Mubarak endete, lautete "Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit".

Ägypten ist der weltgrößte Weizenimporteur, mehr als die Hälfte kommt aus Russland, ein Viertel aus der UkraineBild: Amr Abdallah Dals/Reuters

Der Unzufriedenheit, sagt Timothy Kaldas, wollen Präsident Abdel Fattah al-Sisi und Premier Madbuli mit diversen Maßnahmen vorbeugen: "Die Regierung hat angekündigt, weitere 450.000 Familien in Hilfsprogramme aufzunehmen. Zudem soll es Steuererleichterungen und eine Erhöhung der Bezüge staatlicher Arbeitnehmer geben." Außerdem könnten diese Maßnahmen die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Ägyptens Antrag auf finanzielle Hilfe vom Internationalen Währungsfonds (IWF) stattgegeben wird.

Doch Geld allein, meint Kaldas, werde Ägyptens Probleme nicht langfristig lösen: "Es geht darum, die richtigen Prioritäten zu setzen und öffentliche Mittel vernünftig einzusetzen." Das Geld müsse tatsächlich dem öffentlichen Interesse dienen, nicht den regierungsnahen Eliten des Landes, sagt der Analyst: "Leider war genau das über Jahre eine der Prioritäten dieser Regierung."

Aus dem Englischen von Jan D. Walter. 

Ukraine-Krieg: Belastung für die ganze Welt

26:01

This browser does not support the video element.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.