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Ägypten stimmt über neue Verfassung ab

14. Januar 2014

Die Ägypter sind wieder aufgerufen, über ein neues Grundgesetz abzustimmen. Viele sehnen sich nach Stabilität. Ein Militärherrscher könnte ihnen diesen Wunsch erfüllen - auf Kosten ihrer demokratischen Rechte.

Wahlzettel in einem Wahllokal in Ägypten (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Ägypten: Was ändert sich mit neuer Verfassung?

01:34

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Fast 53 Millionen Ägypter können an diesem Dienstag und Mittwoch über eine neue Verfassung für ihr Land abstimmen. Inzwischen haben sie darin schon reichlich Routine. Denn es ist bereits das dritte Referendum über ein neues Grundgesetz seit dem Sturz des Langzeitpräsidenten Husni Mubarak vor drei Jahren. Die turbulenten Umbrüche und Machtverschiebungen erzwangen seitdem immer wieder verfassungspolitische Neuanfänge.

Der neue Verfassungsentwurf beinhaltet mehr Rechte für die Bürger, privilegiert aber auch das ohnehin mächtige Militär, wie Menschenrechtsaktivisten kritisieren. Die neue Verfassung soll das von den Muslimbrüdern im Dezember 2012 verabschiedete Grundgesetz ersetzen.

Unruhige Zeiten am Nil

Im vergangenen Juli hatte das Militär den gewählten, aber zunehmend unpopulären Islamisten Mohammed Mursi nach gewaltigen Massenprotesten als Präsidenten abgesetzt. Seitdem herrscht die Armee indirekt. Der Oberkommandierende und starke Mann im Land, Abdel Fattah al-Sisi, ernannte eine Übergangsregierung. Eine vom Militär abgesegnete und mit sanfter Hand gelenkte Expertenkommission legte Ende 2013 den Entwurf jener Verfassung vor, über den die Bürger nun abstimmen sollen.

Diese beinhalte "bedeutende Verbesserungen" gegenüber den früheren Grundgesetzen, sagte der Verfassungsexperte Said al-Ali vom internationalen Wahlforschungsinstitut IDEA. So fixiere sie die Rechte und Gleichstellung der Frauen und zähle eine Reihe von sozialen Rechten auf. Vorrechte für die Religionsgelehrten, die die umstrittene Verfassung aus der Mursi-Zeit enthielt, werden zurückgenommen. Doch zugleich breche der Entwurf nicht mit der schlechten Tradition ägyptischer Verfassungen, den Staat und seine Verfassungsorgane auf Kosten der Bürger zu begünstigen. "Er enthält keine neue Vision in Hinblick auf die Befugnisse des Staates und den Schutz der Schwachen und Benachteiligten in der Gesellschaft", befindet Al-Ali.

Menschenrechtler kritisieren vor allem die ausgeweiteten Vorrechte des Militärs, das ohnehin schon einen Staat im Staate bilde. Den Verteidigungsminister ernennt die Armee aus ihren eigenen Reihen, an der zivilen Regierung vorbei. Das Budget der Streitkräfte - und des ihnen angeschlossenen Wirtschaftsimperiums - bleibt weiter geheim und jeder Überprüfung durch zivile Institutionen entzogen. Auch die umstrittenen Militärtribunale gegen Zivilisten bleiben erhalten.

Für ein Nein zur Verfassung oder einen Boykott zu werben, ist praktisch unmöglich. Sieben Aktivisten der Partei Starkes Ägypten des moderaten Islamisten Abdel Moneim Abul Futuh wurden in den vergangenen Tagen verhaftet, weil sie Flugblätter mit dem Slogan "Nein!" verteilt hatten. Demonstrationen von Anhängern der Muslimbruderschaft und des gestürzten Präsidenten Mursi werden blutig niedergeschlagen. Die in die Illegalität gedrängten Islamisten riefen zum Boykott auf.

Endlich geordnete Verhältnisse

Die überwiegende Mehrheit der Ägypter sehnt sich laut Experten jedoch nach einem Ende der Unruhen und nach Stabilität. Die Annahme der neuen Verfassung gilt deshalb als gesichert. Sie soll den Weg zu Präsidenten- und Parlamentswahlen freimachen. Die Zementierung der Vorrechte des Militärs und andere Schwächen werden aber, so befürchten Menschenrechtler, eine Schaffung wirklicher demokratischer Verhältnisse nicht ermöglichen.

Noch steht nicht fest, ob nach dem Verfassungsvotum zuerst ein Präsident oder ein Parlament gewählt wird. Die Tendenz gehe hin zu einer frühen Präsidentenwahl, schrieb die ägyptische Tageszeitung "Al-Masry Al-Youm" Anfang Januar. Dies legt nahe, dass der derzeitige starke Mann aus den Reihen des Militärs, Al-Sisi, als praktisch unschlagbarer Kandidat ins Rennen gehen wird. Er hatte sich am vergangenen Samstag eindeutiger denn je geäußert und gesagt, dass er für das höchste Staatsamt kandidieren werde, wenn "das Volk dies wünscht".

nis/rb (dpa, afp)

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