1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Kooperation im Namen der Terrorbekämpfung

Diana Hodali
5. Februar 2018

Israel soll mit Erlaubnis Ägyptens Luftangriffe auf dem Sinai fliegen. Offiziell ist das nicht, doch die Ägypter wüssten, dass ihre Regierung ein doppeltes Spiel spiele, sagt Nahost-Experte Guido Steinberg.

Anschlag Ägypten Sinai
Ägypten versucht der Lage auf dem Sinai Herr zu werdenBild: AFP/Getty Images/M. El Shahed

Deutsche Welle: Nach Angaben der New York Times soll Israel seit 2015 mit Zustimmung Ägyptens Ziele auf der Sinai-Halbinsel bombardieren. Ist Ägypten nicht im Stande, sein Terrorismusproblem im Norden des Sinai in den Griff zu bekommen und ist auf Hilfe von Israel angewiesen?

Guido Steinberg: Ägypten hat seit Juli 2013, also seit der Machtübernahme von Präsident Al-Sisi, mit verstärkten Aktivitäten einer dschihadistischen Gruppe auf dem Sinai zu kämpfen. Die ägyptische Armee war und ist nicht in der Lage, der Situation dort Herr zu werden und eine Reaktion darauf war, dass sich Ägypten mit Israel verständigt hat. Israel bekämpft jetzt gemeinsam mit den Ägyptern diese dschihadistische Gruppe, die sich 'Provinz Sinai' des 'Islamischen Staates' nennt.

Sie meinen die ehemalige Gruppe Ansar Beit al-Makdis, die sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen hat?

Genau. Diese Gruppierung hat schon in den Jahren Jahr 2004 und 2005 Anschläge auf der Sinai-Halbinsel verübt. Schließlich hat sich Ansar Beit al-Makdis im November 2014 offiziell dem IS angeschlossen. Schon seit Herbst 2013 zielt ihre Kampagne - die zunächst ausländischen Touristen und dann Israel galt - vor allem auf ägyptische Sicherheitskräfte. Die Situation hat sich 2015 so sehr verschlechtert, dass Israel sich genötigt sah, dort einzugreifen.

Welches Ereignis war denn ausschlaggebend für das Eingreifen Israels?

Das war die kurzfristige Besetzung einer kleinen Stadt in Nord-Sinai, relativ nah an der israelischen Grenze. Diese Stadt heißt Sheich Zuwaid und dort zeigte 'Provinz Sinai', dass sie in der Lage waren, eine größere anspruchsvollere Operation gegen gut geschützte Ziele durchzuführen und sogar eine kleine Stadt für eine kurze Weile zu halten. Das scheint mir der Auslöser für die dann folgenden Gespräche zwischen Israelis und Ägyptern - und dann auch für den Beginn des verstärkten israelischen Engagements auf dem Sinai gewesen zu sein.

Seit 1979 herrscht zwischen Israel und Ägypten offiziell Frieden. Die ägyptische Regierung gibt sich nach außen offiziell israelkritisch und schwört Solidarität mit den Palästinensern, weil das eigene Volk israelkritisch ist. Wie verkauft Al-Sisi diese Kooperation mit dem beim Volk unbeliebten Nachbarn im Inland?

Einerseits gibt sich Ägypten öffentlich immer noch sehr israelkritisch. Andererseits wird deutlich, dass Ägypten und Israel sich seit 2013 enorm angenähert haben. Vor allem dann, wenn die ägyptische Regierung immer wieder betont, wie wichtig es ist, im Land Terroristen zu bekämpfen. Damit meint sie nicht nur den IS, sondern auch die Muslimbruderschaft und rechtfertigt damit sehr weitgehende Maßnahmen gegen die friedliche Opposition. Hier treffen sich die Interessen der beiden Länder, denn auch Israel sieht den IS und die Muslimbrüder als Gefahr. Die Ägypter verstehen aber durchaus, dass ihre Regierung ein doppeltes Spiel spielt. Sie sind nur nicht mehr in der Lage zu protestieren, wie dies früher vielleicht möglich gewesen wäre.

Guido Steinberg ist Nahost- und Terrorismusexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin Bild: DW/M. Aqil

Sie meinen, weil Kritik an der Regierung mit Gefängnis bestraft wird?

Ja, genau. Wir sehen eine enorme Intensivierung der Repression, die weit darüber hinausgeht, was unter Mubarak bis 2011 üblich war. Dies führt auch dazu, dass die ägyptische Regierung nicht mehr befürchten muss, dass dieser Widerspruch in ihrer Politik öffentlich diskutiert wird. Die Konsequenzen für ägyptische Journalisten und Bürger können dramatisch sein, wenn sie die Regierung zu offen kritisieren.

Offenbar sind die Drohnen und die Bomben, die Israel benutzt, nicht gekennzeichnet, so dass auch in Ägypten keiner sehen kann, dass es eine Kooperation gibt. Stimmt das?

Ja, das ist Teil des Deals. Das Thema ist in Ägypten doch zu kontrovers und der Widerstand der Bevölkerung gegen eine so weit gehende Kooperation mit Israel zu stark. Die ägyptische Regierung und auch die israelische Regierung ziehen es daher vor, ihre Zusammenarbeit nicht zu öffentlich zu machen. Die fehlende Kennzeichnung ist ein Zugeständnis der Israelis an die ägyptische Seite. Sie wollen den ägyptischen Staat stabilisieren und nicht neuen innenpolitischen Widerstand hervorrufen.

Haben denn die Luftangriffe der Israelis dazu geführt, dass Ägypten militärisch wieder die Oberhand auf dem Sinai hat?

Wir sehen nicht nur auf dem Sinai, sondern auch anderswo, dass Luftangriffe nur dann eine Wirkung haben können, wenn Bodentruppen effektiv vorgehen. Ich habe große Zweifel, dass dem so ist. Zunächst einmal ist der IS zwar geschwächt, aber er ist vor allem aufgrund der Luftangriffe unter Druck. Das ägyptische Militär hat bis heute keine Methode gefunden, die Terroristen effektiv zu bekämpfen. Das hat vor allem damit zu tun, dass sie wenig zielgerichtet vorgehen. Bei jeder Aktion besteht immer die Gefahr, dass Zivilisten umkommen. Es kommt zu schweren Menschenrechtsverletzungen. Insgesamt scheinen die Ressentiments gegenüber dem ägyptischen Staat auf dem Sinai eher zuzunehmen. Da dies der Fall ist, verbessert sich die Situation nicht nachhaltig. Außerdem weichen die Terroristen seit 2016 vom Sinai immer häufiger auf das ägyptische Kernland aus und greifen beispielsweise Christen an. Das ist eine Folge der fehlerhaften Terrorismusbekämpfung des ägyptischen Militärs.

Ägypten und Israel arbeiten schon lange zusammen - sowohl was die Geheimdienste angeht als auch die Grenzkontrollen zum Gazastreifen. Der Iran ist für Saudi-Arabien und Israel eine gemeinsame Bedrohung, der IS auch. Regionale Bündnisse scheinen sich zu verschieben. Wird Israel wird immer mehr zum Freund?

Insgesamt rücken Israel, Saudi-Arabien, Ägypten und auch die Vereinigten Arabischen Emirate - also die wichtigsten pro-westlichen Staaten in der Region - spätestens seit Juli 2013 sehr viel enger zusammen. Das ist so, weil sich die Prioritäten der Saudis und ihrer arabischen Partner verändert haben. Sie fürchten vor allem den Iran und immer weniger Israel. Aus diesem Grund arbeiten sie in außen- und sicherheitspolitischen Angelegenheiten enger mit dem einstigen Feind zusammen. Die Hemmschwellen bei der Zusammenarbeit mit Israel sind heute deutlich niedriger, als sie es vor ein paar Jahren noch waren.

Guido Steinberg ist Nahost- und Terrorismus-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Von 2002 bis 2005 war er Referent für internationalen Terrorismus im Bundeskanzleramt.

Das Gespräch führte Diana Hodali.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen