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Brutale Polizei

Matthias Sailer18. Februar 2013

Auch unter Präsident Mohammed Mursi foltert und prügelt die ägyptische Polizei. Opfer, die sich wehren wollen, werden unter Druck gesetzt. Menschenrechtler zweifeln an Mursis Willen, die Polizei zu reformieren.

Ägyptische Polizisten mit Helmen Foto: Khaled Desouki (AFP)
Bild: Getty Images

Dass die Sicherheitsdienste in Ägypten nicht zimperlich mit Regimekritikern umgehen, ist bekannt. Doch selbst für ägyptische Verhältnisse ist die Anzahl der Berichte über Folter, Demütigungen und andere Polizeigewalt der vergangenen Wochen hoch: Die Arbeitsweise des Polizei-Apparats hat sich auch zwei Jahre nach dem Ende des Mubarak-Regimes offensichtlich kaum verändert. So sieht es auch Farida Makar. Sie ist Wissenschaftlerin am Cairo Institute for Human Rights Studies: "Das bedeutet, dass in Polizeistationen weiterhin gefoltert wird, dass weiterhin exzessive Gewalt gegen Demonstranten angewendet wird, und dass nach wie vor alles Handeln von einer Sicherheitsmentalität bestimmt wird."

Was das in der Praxis heißt, musste Hamada Saber erleiden. Während einer Anti-Mursi-Demonstration vor dem Präsidentenpalast wurde er von Polizisten brutal verprügelt. Zuvor hatten sie dem 48-Jährigen die Kleider vom Leib gerissen. Anschließend schleiften ihn die Polizisten nackt über den dreckigen Asphalt und zerrten ihn in einen Polizeitransporter. Die gesamte Szene wurde live im Fernsehen übertragen. Für Farida Makar ist der Fall jedoch nicht ungewöhnlich: "Jemanden auszuziehen, ihn dann zu verprügeln und schließlich von einem in den nächsten Raum zu zerren, stellte unter Mubarak eine Standardprozedur bei Verhören durch die Polizei dar."

Angst einjagen, bis jemand aufgibt

Das Besondere im Fall Hamada Saber war, dass die Misshandlungen nicht in einer Polizeistation stattfanden, sondern für jedermann sichtbar waren. Geradezu absurd wurde es, als das Opfer im Fernsehen versuchte, die Gewalt der Polizei gegen sich selbst zu rechtfertigen. Dadurch entlastete er die Polizisten, die ihn misshandelt hatten. Wissenschaftlerin Farida Makar hat daher kaum Zweifel, dass er von den Behörden zu der Aussage gezwungen oder bestochen wurde. Erst auf Druck seiner Familie gestand Hamada Saber schließlich ein, dass es tatsächlich die Polizei war, die ihn verprügelt und erniedrigt hatte. Dass Opfer von Polizeigewalt, die ihre Peiniger anschließend anzeigen, unter Druck gesetzt werden, kommt in Ägypten immer wieder vor, sagt Makar: "Normalerweise drohen sie einfach damit, Dich oder Deine Kinder ins Gefängnis zu bringen oder irgendwelche Dinge zu erfinden, zum Beispiel, dass sie Drogen in Deinem Auto finden werden. Sie wissen, wie man jemandem so viel Angst einjagt, dass er aufgibt."

Misshandlung vor laufender Kamera: Ägyptische Polizisten verprügeln den 48-jährigen Hamada SaberBild: picture-alliance/AP

Doch Hamada Saber ist kein Einzelfall. Laut einem Report ägyptischer Menschenrechtsaktivisten sind allein seit dem 25. Januar 2013 über 200 Demonstranten verhaftet worden. Einige von ihnen waren demnach noch minderjährig, wurden geschlagen oder gefoltert. Vor allem arme und elternlose Jugendliche sind der Willkür der Polizei oft schutzlos ausgeliefert. Ein besonders schwerer Fall war der des an Knochenkrebs erkrankten 14-jährige Mahmud Adel. Ihm wurde während seiner Haft die Chemotherapie verweigert. Erst als die Medien auf den Fall aufmerksam wurden, wurde er entlassen.

In der Polizeiausbildung ist Gewalt etwas Alltägliches

Der 26-jährige Ibrahim wurde vor einem Jahr zum Folteropfer. Er hat eine eigene Theorie, warum es im ägyptischen Polizei-Apparat immer wieder zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Die Ursachen, so Ibrahim, seien in der Polizistenausbildung zu suchen. Dort würden neue Rekruten von den höheren Dienstgraden brutal geschlagen und erniedrigt. Blinder Gehorsam gegenüber Vorgesetzten sei die Regel. Gewalt werde so etwas Legitimes und Alltägliches, meint Ibrahim: "Als ich festgenommen wurde, hatte der Mann, der mich folterte, Koranverse als Klingelton seines Handys. Der spürt nicht, dass er etwas Falsches macht. Die sehen das als Teil ihres Jobs."

Schläge gegen Demonstranten: Polizeigewalt in einer Seitenstraße des Tahrir-Platzes in KairoBild: Getty Images

Wichtig wären daher Reformen des ägyptischen Polizei-Apparates und damit des Innenministeriums. Im Kern geht es darum, die Polizei als Beschützer der Bevölkerung zu positionieren: Bisher sah sich die Polizei vor allem als die starke Hand des herrschenden Präsidenten. Für Präsident Mursi gilt das bisher jedoch nur eingeschränkt. Denn die Polizei hat seit Jahrzehnten die Muslimbruderschaft bekämpft. Viele hohe Offiziere des Innenministeriums befinden sich daher in Konflikt mit Mursi.

Wollen die Muslimbrüder die Polizei überhaupt reformieren?

Doch selbst wenn die Muslimbrüder das Innenministerium voll unter ihre Kontrolle bekommen: Für Farida Makar vom Cairo Institute for Human Rights Studies ist klar, dass sie nicht vorhaben, die Polizei zum Wohle der Bürger zu reformieren. Es ist Mursis bisherige Politik, weswegen sie nicht mehr daran glaubt, dass die Muslimbrüder nach Demokratie streben: Im November erließ er ein Dekret, das ihm diktatorische Macht verlieh, die von ihm durchgepeitschte Verfassung beschneidet die Freiheitsrechte, der Entwurf für das neue Versammlungsrecht schränkt die Demonstrationsfreiheit ein und der Entwurf für das neue Gesetz für Nichtregierungsorganisationen ist noch restriktiver als unter Mubarak. "Ich kann nicht auf diese Entwicklungen blicken und dann sagen, 'ja, aber vielleicht reformieren sie ja die Polizei dahin gehend, dass sie die Bürger beschützen wird'."

Farida Makar ist überzeugt, dass es der Muslimbruderschaft nur darum geht, die Kontrolle über Polizei zu bekommen - als Instrument, um die eigene Macht weiter auszubauen.

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