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Politik

Ägyptens Geheimdienst: Ein langer Schatten

Lewis Sanders IV
18. Juli 2020

Unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit will der ägyptische Geheimdienst Kritiker im Ausland zum Schweigen bringen. Deutschland und andere westliche Staaten bilden Mitarbeiter ägyptischer Dienste aus.

Deutschland Berlin | Bundestag | Unterirdische Verbindung
Bild: picture.alliance/dpa/C. Soeder

Wer die Regierung des ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi kritisiert, der wird beobachtet. Regierungsvertreter, Diplomaten und Agenten des Staates dokumentieren regelmäßig die Aktivitäten von Kritikern, wie die DW von Betroffenen erfahren hat. Auf Dissidenten, die im Ausland leben, wird Druck ausgeübt. Es wird sogar versucht, sie als Spione zu rekrutieren.

Die ägyptischen Geheimdienste operieren schon seit Jahrzehnten international. Doch seit dem Putsch 2013, als der erste demokratisch gewählte Präsident Mohammed Mursi abgesetzt wurde, hat diese Arbeit eine neue Qualität angenommen.

Berlin: Zufluchtsort für ägyptische Aktivisten und Intellektuelle

Seit dem Putsch ist Berlin zu einem Zufluchtsort für Aktivisten, Schriftsteller und Journalisten geworden, die das al-Sisi-Regime ins Visier genommen hat. Für sie war es keine Überraschung, als das Bundesinnenministerium in der vergangenen Woche erklärte: Im Bundespresseamt sei ein mutmaßlicher Spion enttarnt worden.

Nach Angaben des Ministeriums könnte ein in Ägypten geborener deutscher Staatsbürger, der im Bundespresseamt arbeitete, tatsächlich ein Agent des ägyptischen Geheimdienstes sein. "Es gibt Hinweise darauf, dass ägyptische Dienste versuchen, in Deutschland lebende Ägypter für Geheimdienstzwecke zu rekrutieren", hieß es offiziell.

Unmissverständliche Geste: Ägyptens Einwanderungsministerin Nabila Makram (hier 2016 in Kairo)Bild: picture-alliance/Z. Dingzhe

"Seit dem Militärputsch sind mehr ägyptische Dissidenten und Kritiker des al-Sisi-Regimes nach Europa gekommen", stellt auch Ilyas Saliba fest, Experte für Menschenrechte und Demokratie am Global Public Policy Institute (GPPi) in Berlin. "Es scheint, dass die ägyptische Regierung ihre Bemühungen zur Überwachung und Desinformation verstärkt hat, um diesen kritischen Stimmen aus dem Ausland etwas entgegenzusetzen."

Ägyptens Botschaft: Ihr seid nirgendwo sicher

Auch auf der anderen Seite des Atlantiks ist der lange Schatten der ägyptischen Sicherheitsapparate sichtbar geworden. Im vergangenen Jahr machte die ägyptische Einwanderungsministerin Nabila Makram in der kanadischen Stadt Toronto deutlich, wie ihre Regierung Dissidenten zu behandeln gedenkt. "Jeder, der etwas Schlechtes über unser Land sagt - was geschieht mit denen?", fragte Makram bei einer privaten Veranstaltung - und dann deutete sie einen Schnitt durch die Kehle an.

Eine Botschaft, die für Kritiker unmissverständlich war. Wer sich der herrschenden Meinung nicht anschließt, dürfte so enden wie der saudische Regimekritiker Jamal Khashoggi, der im Oktober 2018 von saudischen Agenten brutal getötet wurde, nachdem er das Konsulat seines Landes in Istanbul aufgesucht hatte.

Mutmaßlich durch Folter in Ägypten gestorben: Giulio Regeni - Protest vor Ägyptens Botschaft in Rom, Februar 2016Bild: picture-alliance/dpa/M. Percossi

Der Mord an Khashoggi "war eine Botschaft an uns Dissidenten, dass sich das Spiel geändert hat. Auch wer im Ausland wohnt, ist seitdem nicht mehr sicher", sagt Amr Khalifa, ein ägyptischer Journalist, der in den USA lebt und als politischer Analyst arbeitet. "Den Fall haben auch andere Autokraten wie al-Sisi als Freibrief gewertet - vor allem nach der unglaublich schwachen Reaktion der Regierung von US-Präsident Donald Trump."

Leben unter Überwachung - auch im Ausland

Khalifa kann von mindestens drei Begebenheiten berichten, bei denen sich ägyptische Agenten in seinem Leben bemerkbar gemacht haben. Er erinnert sich zum Beispiel an ein Abendessen vor fünf Jahren, als ihn ein Spion verfolgt habe, angeblich in freundschaftlicher Absicht. "Nach einem sehr angenehmen Abend beugte er sich vor, um mir einen ägyptischen Abschiedskuss auf die Wange zu geben", erzählt Khalifa. "Ich werde nie vergessen, was er mir dann gesagt hat: 'Schwimm vorsichtig, damit Du nicht untergehst, sagt Abdel-Fattah.'" Eine unverhohlene Drohung unter Hinweis auf den Präsidenten.

Ein anderer Fall ereignete sich bei einer Vorlesung in New York City, die Khalifa zusammen mit dem renommierten ägyptischen Historiker Khaled Fahmy hielt. Thema war das Schicksal des italienischen Studenten Giulio Regeni, der in Ägypten zu Tode gefoltert wurde, mutmaßlich in Polizeigewahrsam. Es habe Hinweise gegeben, dass Botschaftsangehörige bei der Veranstaltung in New York anwesend waren. Und nach den ägyptischen Sicherheitsgesetzen könnte die Aufzeichnung einer Veranstaltung zu einem solchen Thema jemanden ins Gefängnis bringen, erläutert Khalifa.

Handschlag unter Partnern: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, November 2019Bild: Reuters/F. Bensch

Und Amr Khalifa erinnert sich schließlich an eine Begegnung in einem Café nur wenige Minuten von seiner Wohnung entfernt. Wenn man merke, dass man von einer Person verfolgt werde, sei das ein typisches Droh-Szenario: "Wir wissen, wo Du wohnst."

Der Westen trägt Mitverantwortung

Die Sicherheitskooperation, die etliche westliche Staaten mit Ägypten vereinbart haben, hat Dissidenten und Regierungskritikern wenig gebracht. Stattdessen hat Trump den ägyptischen Staatschef al-Sisi als seinen "Lieblingsdiktator" bezeichnet. Und Deutschland hat Anfang des Jahres Waffengeschäfte mit Ägypten im Wert von 290 Millionen Euro genehmigt.

Das Bundesinnenministerium ist sogar so weit gegangen, für einige der berüchtigtsten Sicherheitsbehörden Ägyptens Ausbildungshilfe zur Terrorismusbekämpfung zu leisten. Dabei ist bekannt, dass Antiterrormaßnahmen oft benutzt werden, um Kritiker zum Schweigen zu bringen.

GPPi-Experte Saliba unterstreicht denn auch, dass westliche Regierungen eine Verantwortung hätten, denjenigen zu helfen, die das Regime verfolgt. Sein Appell: "Unterstützen Sie die unabhängige ägyptische Zivilgesellschaft und die Medien, die es noch gibt, und sichern Sie den Personen Ihre Unterstützung zu, die zu Unrecht in Ägypten kriminalisiert werden."

Und er geht in seinem Aufruf noch weiter: "Stoppen Sie die Sicherheitszusammenarbeit mit den ägyptischen Sicherheitskräften, die sich systematischer Menschenrechtsverletzungen wie Folter oder unrechtmäßiger Inhaftierungen schuldig machen. Und halten Sie sich an die Resolutionen des Europäischen Parlaments, die Waffenexporte nach Ägypten einzustellen."

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