Als sie die massiven Mauerreste bei Bauarbeiten in Köln entdeckten, machten eigentümliche Nischen in den Wänden die Archäologen stutzig. Nun sind sie sich sicher: Sie sind auf eine antike Bibliothek gestoßen.
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Die Archäologen datieren die Mauerreste, die sich über eine Fläche von fast 200 Quadratmetern erstrecken, auf das 2. Jahrhundert. Wie die Experten der Bodendenkmalpflege der Zeitung "Kölner Stadt-Anzeiger" mitteilten, sei die entdeckte antike Bibliothek zwischen 150 und 200 nach Christus am Forum einer ehemaligen Römersiedlung errichtet worden. "Nach unserem Wissen ist das hier die erste römische Bibliothek, die sich nachweisen lässt", sagte Marcus Trier, Direktor des Kölner Römisch-Germanischen Museums und Leiter der dortigen Bodendenkmalpflege, der Zeitung.
Das Gebäude sei vermutlich zweigeschossig und sieben bis neun Meter hoch gewesen. "Da lagen bestimmt mehrere Tausend Schriftrollen zum Ausleihen drin", so Trier. Gegenüber dem "Kölner Stadt-Anzeiger" sagte er, dass zwei kleine polierte Fußbodenstücke und die Grundmauern erhalten seien. Diese seien aus einem Material gebaut, das ähnlich fest wie unser heutiger Beton sei, nämlich aus einem Kalksand-und-Trachyt-Gemisch.
Alexandria, Ephesus, Rom - und jetzt auch Köln
Archäologen seien bereits vor einem Jahr bei Bauarbeiten für das neue Citykirchenzentrum der evangelischen Kirchengemeinde auf die massiven Mauerreste gestoßen. "Zuerst dachten wir, es handele sich um die Überreste eines öffentlichen Versammlungsraumes", sagte Trier. Doch die Mauern hätten "eigentümliche, nischenartige Gliederungen" aufgewiesen. Diese etwa 80 Zentimeter breiten Nischen in den Innenwänden habe man monatelang genau untersucht und mit anderen antiken Funden verglichen. Die Forscher kamen zu dem Schluss: Ähnlich wie in antiken Gebäuden in Ephesus, Pergamon, Alexandria oder Rom könnten in den Nischen in Köln Kisten und Schränke für Rollen aus Pergament oder Papyrus gestanden haben.
Weiter vermuten die Archäologen, dass in der Apsis, einem halbkreisförmigen Kuppelraum, eine Statue von Minerva, der Göttin der Weisheit und Hüterin der Erkenntnis, Platz gefunden habe. Bei den AUsgrabungen sei auch ein mittelalterliches Weihwasserbecken vom Bettelorden der Sackbrüder entdeckt worden.
In welchen Städten verstecken sich weitere römische Bibliotheken?
Nach Angaben der Fachleute ist das Gebäude die älteste römische Bibliothek, von der archäologische Spuren gefunden wurden. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit habe es auch in Trier eine solche Bibliothek gegeben, womöglich auch in Augsburg, Mainz und Xanten. Diese seien aber bislang nicht gefunden worden.
Die Evangelische Kirche hat ihre Baupläne geändert und will die Ausgrabung in ihr neues Zentrum integrieren, sodass ein Teil der Mauern für Besucher zugänglich sein wird. So wurde beispielsweise das Fundament des Neubaus höher angelegt, um weitere antike Überreste zu sichern; diese sollen späteren Forschergenerationen für Untersuchungen erhalten bleiben.
Zwar ist von Deutschlands ältester Bibliothek nur noch das Fundament übrig, aber die Forscher werden durch Analysen versuchen, die frühere Bibliothek zu rekonstruieren. Ob Ähnlichkeiten zu den Bibliotheken gefunden werden, die deutschlandweit zu den schönsten gehören und für Besucher zugänglich sind? Welche dies sind, erfahren Sie in unserer Bildergalerie:
Spektakuläre Bibliotheken in Deutschland
Das Einzige, was man unbedingt wissen muss, ist der Standort der Bibliothek, hat Einstein einmal gesagt. Hier sind einige der beliebtesten Bibliotheken in Deutschland - vom Rokoko-Zeitalter bis hin zur Moderne.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod
Stadtbibliothek Stuttgart
Die neue Stadtbibliothek Stuttgart wurde 2011 als intellektuelles und kulturelles Zentrum konzipiert. Die Außenfassade des neunstöckigen würfelförmigen Gebäudes ist aus blassgrauen Beton-Glassteinen gefertigt. Das Innere ist in Weiß gehalten, die einzigen Farbtupfer auf den Wänden der fünfstöckigen Galeriehalle sind Bücher. Nachts wird die Bücherei in verschiedenen Farben beleuchtet.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Weißbrod
Herzog-August-Bibliothek
Bibliotheca Augusta, die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, ist eine der ältesten Büchereien der Welt, deren Sammlung vollständig erhalten ist. Der eifrige Büchersammler Herzog August (1579-1666) baute sie zur größten Bibliothek seiner Zeit aus. Forscher studieren dort bis heute mittelalterliche Literatur.
Bild: picture-alliance/dpa/H. Hollemann
Oberlausitzsche Bibliothek der Wissenschaften
Die Oberlausitzsche Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz, die direkt an der Grenze zu Polen liegt, stammt aus dem Jahr 1806. Der frühklassizistische Bibliothekssaal ist schlicht, aber einladend - und überaus beeindruckend. Über 140.000 Bücher dokumentieren die Geschichte, Kultur, Natur und Gesellschaft der Region zwischen Dresden im Westen und Wroclaw im Osten..
Bild: picture-alliance/ZB/M. Hiekel
Anna-Amalia-Bibliothek
Die Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar beherbergt Bücher, Landkarten, Noten und Familienbücher. Anna Amalia hatte dafür gesorgt, dass die Büchersammlung des Hofs 1766 in die Bibliothek verlegt wurde. Der über drei Geschosse reichende Rokoko-Saal wurde 2004 bei einem Brand in Teilen zerstört. Nach dreijähriger Sanierung wurde die Bibliothek im Oktober 2007 wieder eröffnet.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum
Das Grimm-Zentrum ist ein Teil der Humboldt-Universität zu Berlin. 2009 errichtet, beherbergt es eine Bücherei und ein Computerzentrum der Universität. Der Lesesaal befindet sich in der Mitte des Gebäudes. Laut dem Architekten Max Dudler verschaffen seine Größe und das abgestufte Design den Nutzern das Gefühl, draußen unter freiem Himmel zu studieren.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Jensen
Bayerische Staatsbibliothek
Die Bayerische Staatsbibliothek in München, ursprünglich als Bibliotheca Regia Monacensis bekannt, erwuchs aus einer Sammlung, die Mitte des 16. Jahrhunderts ihren Anfang nahm - mittlerweile sind daraus 10 Millionen Bücher geworden. Das jetzige Gebäude, das zwischen 1832 und 1843 entstand, wurde während des Zweiten Weltkriegs fast vollständig zerstört. Der Wiederaufbau dauerte viele Jahre.
Bild: picture-alliance/dpa
Lesesaal im Museum Kolumba
Einem Vergleich mit den anderen Bibliotheken kann der Lesesaal des Museums Kolumba in Köln zwar nicht standhalten. Aber dieser Ort mit seinen holzverkleideten Wänden und seinem grandiosen Ausblick auf die Kölner Innenstadt ist wie für die Meditation geschaffen. Hier gibt es Ausstellungskataloge, individuelle Veröffentlichungen und eine wechselnde Sammlung von Romanen, Kinder- und Kunstbüchern.
Bild: Kolumba, Köln
Foster-Bibliothek
Aufgrund ihrer spektakulären kopfartigen Form wird diese Bücherei in Berlin als "Das Gehirn" bezeichnet. Sie beherbergt Werke für die philosophische Fakultät der Freien Universität - und hat sich als architektonische Sehenswürdigkeit entwickelt. Das Gebäude wurde vom renommierten Architekten Norman Foster erbaut und 2005 eröffnet. Autorin: Dagmar Breitenbach