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Was ändert sich im EU-Parlament?

Sandra Butz25. April 2014

Das EU-Recht unterliegt ständiger Veränderung. So auch die Sitzverteilung im EU-Parlament, die in der modifizierten Fassung bei den Europawahlen 2014 erstmals angewendet wird. Was genau bleibt gleich, was ist anders?

EU-Parlament in Straßburg
Bild: Christian Lutz/AP/dapd

Was sind die Grundlagen des Wahlrechts des Europäischen Parlaments?

Laut Artikel 14 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) werden die Mitglieder des Europäischen Parlaments in allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl für eine Amtszeit von 5 Jahren gewählt. Alle Unionsbürger sind ab einer gewissen Altersgrenze aktiv und passiv wahlberechtigt. Diese Grenze wird von den einzelnen Mitgliedsstaaten festgelegt: In Deutschland liegt sie beispielsweise jeweils bei 18 Jahren. Im Nachbarland Österreich hingegen kann man schon ab 16 Jahren wählen, muss allerdings ein Alter von 18 Jahren erreicht haben, um sich zur Wahl aufstellen lassen zu können. In Frankreich beträgt das aktive Wahlalter 18 Jahre, das passive hingegen 23 Jahre. EU-Bürger, die in einem anderen Land wohnen als in dem ihrer Staatsbürgerschaft, dürfen frei entscheiden, in welchem Land sie wählen wollen. Auch Bürger mit zwei Staatsbürgerschaften können selbst festlegen, wo sie ihre Stimme abgeben wollen.

Welches Wahlrecht gilt in Europa?

Gewählt wird nach dem Verhältniswahlrecht, dessen genaue Ausgestaltung ebenfalls bei den Mitgliedsstaaten liegt. In Deutschland ist im Februar 2014 die Drei-Prozent-Hürde für die Europawahlen gestrichen worden. Die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien, entschieden die Richter des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Bei einer zu niedrigen Hürde bestünde die Gefahr, so Kritiker dieses Urteils, dass zu viele kleine Parteien ins Parlament einziehen könnten, bei einer zu hohen Hürde wären Minderheitsparteien nicht ausreichend vertreten.

Das Europäische Parlament in StraßburgBild: DW Montage/ picture-alliance/ dpa

Jeder Mitgliedsstaat hat eine feste Anzahl von Sitzen, die nach dem Prinzip der degressiven Proportionalität verteilt wird. Das bedeutet: Größere Staaten entsenden grundsätzlich mehr Abgeordnete als kleinere Staaten, doch gleichzeitig wird sichergestellt, dass kleine Staaten mehr Sitze pro Einwohner bekommen als große Staaten. Dieses Prinzip ist jedoch auch nicht ganz unproblematisch.

Was ist der Sinn und wo liegt die Problematik des Prinzips der degressiven Proportionalität?

Durch die Regelung soll die Parteienvielfalt aus den kleineren Staaten gesichert werden, für die eine bestimmte Mindestgröße der nationalen Delegationen vonnöten ist. Würden die Mandate jeweils im direkten Verhältnis zur Einwohnerzahl vergeben, käme Malta noch nicht einmal auf einen ganzen Sitz. Gleichzeitig wird dadurch die Arbeitsfähigkeit des Parlaments gewährleistet, die bei einer gleichen Gewichtung der Wählerstimmen nicht mehr gegeben wäre. Die großen Länder würden andernfalls zu viele Abgeordnete nach Straßburg schicken; das Parlament wäre zu groß, um effektiv zu agieren. So wird auch eine Übermacht der großen Länder weitestgehend eingeschränkt.Andererseits widerspricht dieses Prinzip dem demokratischen Grundsatz, nach dem jede Wählerstimme gleich viel gelten soll. Nach jetziger Regelung vertritt nämlich ein Abgeordneter eines kleinen Landes weniger Bürger als ein Abgeordneter eines großen Landes, was der Wählerstimme in einem kleinen Land mehr Gewicht verleiht. Dies ist ein Teil des Demokratiedefizits, das der Europäischen Union immer wieder vorgeworfen wird.

Nicht jede Stimme hat das gleiche GewichtBild: picture alliance / dpa

Was hat sich durch den Vertrag von Lissabon geändert?

Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 wurde die Gesamtzahl der Mitglieder des Europäischen Parlaments auf 751 festgesetzt, was aber bei der Europawahl im gleichen Jahr noch nicht berücksichtigt wurde. Jeder Staat bekommt dabei mindestens 6 und höchsten 96 Sitze zugeteilt. Nach einem festgelegten Schlüssel bilden Deutschland als das bevölkerungsreichste und Malta als das bevölkerungsärmste Land die Extremfälle: Auf die Bundesrepublik mit 80,5 Millionen Einwohnern entfallen 96 Sitze, das heißt, ein Sitz auf rund 838.000 Einwohner. Die kleine Insel im Mittelmeer mit ihren 400.000 Einwohnern besitzt hingegen 6 Sitze, was rund 67.000 Einwohner pro Sitz entspricht.

Welche Folgen ergeben sich daraus für die verschiedenen Länder?

Bei der Europawahl 2014 gilt nun aber auch für Deutschland die Regelung der Höchstzahl von 96 Sitzen pro Land und es muss drei Sitze aufgeben. Durch den Beitritt Kroatiens im Juli 2013 ist gleichzeitig eine Neuverteilung im Parlament nötig geworden, um die erforderlichen Sitze für das neue Mitgliedsland bereitzustellen. Die zwölf EU-Mitgliedsstaaten Belgien, Bulgarien, Griechenland, Irland, Kroatien, Lettland, Litauen, Österreich, Portugal, Rumänien, die Tschechische Republik und Ungarn verlieren jeweils einen Sitz. Dadurch wird auch die neue Höchstzahl der Parlamentarier eingehalten. Bei der Auswahl der betroffenen Länderdelegationen wurden demografische Veränderungen berücksichtigt.

Gibt es womöglich weitere Änderungen in der Zukunft?

Bereits jetzt ist eine erneute Überarbeitung der Sitzverteilung vor den Europawahlen 2019 geplant. Änderungen der Anzahl der Mitgliedsstaaten sowie demografische Entwicklungen müssen regelmäßig berücksichtigt werden - die Sitze sollen in Zukunft vor jeder Wahl noch objektiver, fairer und transparenter zugeteilt werden. Manche Stimmen rufen auch nach einer vollständigen Überarbeitung des Wahlrechts. Eine Möglichkeit bestünde in der Einführung von transnationalen Listen, über die Mitglieder des Parlaments direkt gewählt werden könnten. Von Lappland bis nach Südgriechenland würden dann alle EU-Bürger Abgeordnete von gemeinsamen Listen wählen. Für eine komplette Neuregelung wäre allerdings eine Änderung der EU-Verträge nötig, für die es bislang keinen Konsens in den nationalen Regierungen gibt.

EU-Wahlen 2019: eventuell mit kompletter Neuregelung?Bild: DW