Putschversuch mit vielen Fragen
9. Januar 2018Äquatorialguinea gehört normalerweise nicht zu den afrikanischen Ländern, die international große Schlagzeilen machen. Doch seit kamerunische Sicherheitskräfte am 27. Dezember knapp 40 schwer bewaffnete Kämpfer aus dem Tschad, dem Sudan und Zentralafrika am Grenzübertritt nach Äquatorialguinea hinderten, steht das westafrikanische Land plötzlich im Rampenlicht.
Der Festnahme der Kämpfer folgten zunächst Verhaftungen von Oppositionellen im ganzen Land. Die Regierung sperrte außerdem den Zugang zu sozialen Medien wie Facebook und WhatsApp. Am vergangenen Mittwoch schließlich ließ Präsident Teodoro Obiang durch seinen Sicherheitsminister verkünden: Ausländische Söldner, rekrutiert von "radikalen Oppositionsparteien" aus Äquatorialguinea, hätten versucht, den Präsidenten anzugreifen. Der Putschversuch sei aber erfolgreich abgewehrt worden.
Nicht der erste Putschversuch
Viel mehr ist über die Geschehnisse bislang nicht bekannt. Das liegt auch an der eingeschränkten Pressefreiheit im dem ölreichen, aber bitterarmen Land. Klar ist allerdings: Es wäre nicht das erste Mal, dass eine ausländische Söldnertruppe versucht, den mittlerweile dienstältesten Präsidenten der Welt aus dem Amt zu jagen. Seit 1979 ist Teodore Obiang Nguema Mbasogo - so sein voller Name - an der Macht.
2004 hatte eine von britischen Finanziers unterstützte Gruppe südafrikanischer Söldner geplant, Obiang durch einen wirtschaftsfreundlicheren Kandidaten zu ersetzen. Bei einem Zwischenstopp in Simbabwe flogen die Söldner jedoch auf. Der sogenannte "Wonga-Putsch" sorgte vor allem deshalb für Aufsehen, weil ein prominenter Brite an der Finanzierung beteiligt gewesen war: Mark Thatcher, Sohn der ehemaligen Premierministerin Großbritanniens Margaret Thatcher.
Über die Hintergründe des aktuellen Putschversuchs wird auf Internetplattformen wie Twitter nun fleißig spekuliert: Manche User vermutet eine regionale Verschwörung gegen das Obiang-Regime, an der auch Nachbarstaaten wie Tschad oder Kamerun beteiligt sein könnten. Andere glauben, der Putschversuch sei vom Regime inszeniert worden. Sie sehen darin einen Vorwand, um gegen die Opposition vorzugehen.
Laut Alex Vines, Chef der Afrikaabteilung der Londoner Denkfabrik Chatham House, ist die Wahrheit wohl etwas komplexer. Einerseits glaubt er nicht, dass ein erzwungener Regimewechsel in Äquatorialguinea im Interesse der Nachbarländer wäre. "Kamerun, Tschad und Gabun haben alle ihre eigenen Probleme bei der Regierungsführung, die denen Äquatorialguineas nicht unähnlich sind", sagt Vines im DW-Gespräch. Stattdessen könnten dahinter Einzelpersonen stecken, die in diesen Ländern leben – zum Beispiel äquatorialguineische Dissidenten.
Wirtschaftliche Probleme verstärken Spannungen im Land
Laut Vines gäbe es aber durchaus Gründe, warum es wirklich einen Putschversuch gegeben haben könnte. "Es gibt kaum Meinungs- und Diskussionsfreiheit im Land. Deshalb denken viele, dass Veränderungen nur durch verfassungswidrige Aktionen wie einen Putsch erreicht werden können." Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme des Landes - eine Folge des schwachen Ölpreises - hätten in letzter Zeit ohnehin schon zu weiteren Beschränkungen demokratischer Teilhabe geführt. "Die Berichte über einen angeblichen Putschversuch Ende Dezember haben mich deshalb nicht komplett überrascht", sagt Vines.
Nichtdestotrotz instrumentalisiere die Regierung den Putschversuch bereitwillig für ihre Zwecke: "Das ist ein Muster, dass wir in Äquatorialguinea schon seit Jahrzehnten beobachten - echte und vermeintliche Coups werden genutzt, um gegen die Opposition vorzugehen", so Vines.
Nachfolgefrage spitzt Situation weiter zu
Dank seiner Ölreserven und der geringen Einwohnerzahl hat Äquatorialguinea mit 8747 US-Dollar zwar das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Subsahara-Afrika. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt trotzdem unter der Armutsgrenze. Der Hauptgrund: die grassierende Korruption im Land. Erst im Oktober verurteilte ein französisches Gericht den Sohn des Präsidenten wegen Unterschlagung von öffentlichen Mitteln zu drei Jahren Haft auf Bewährung. Der Richter sah es als erwiesen an, dass er in die Staatskasse gegriffen hatte, um sein 107 Millionen Euro teures Anwesen in Paris zu finanzieren.
Ein Zeichen, dass westliche Regierungen bei den Themen Korruption und Menschenrechten nun stärker durchgreifen wollen? Wohl kaum, meint Alex Vines. Vielmehr sei das Verhältnis der Europäer und Amerikaner zu Äquatorialguinea seit jeher von Gleichgültigkeit geprägt. Das Land sei zwar ein Ölproduzent, aber kein besonders wichtiger. "Äquatorialguinea wird gerne vergessen", sagt Vines.
Doch die Frage, wer dem seit bald vierzig Jahren amtierenden Präsidenten Obiang nachfolgen wird, droht das Land auch in Zukunft zu destabilisieren - und könnte die internationale Gemeinschaft bald näher beschäftigen. Vielen in Äquatorialguinea dürfte es missfallen, dass Obiang offenbar seinen Sohn als künftigen Machthaber auserkoren hat. 2016 ernannte er ihn zum Vizepräsidenten. Der gescheiterte Putschversuch vom Dezember - er könnte also nur ein Vorgeschmack gewesen sein.