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Helfer: "Viele Ebola-Opfer unter fünf"

Gudrun Heise
10. August 2019

Im Kongo wütet die Ebola-Epidemie. Laut UNICEF sind bereits mehr als 1800 Menschen an Ebola gestorben. Unter den Opfern sind auffallend viele Kinder, sagt Marcus Bachmann von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen.

Kongo: Ein Kind bekommt eine Ebola-Impfung in Goma
Kinder-Impfung gegen Ebola in GomaBild: Getty Images/AFP/A. Wamenya

Deutsche Welle: Herr Bachmann, wie viele Kinder sind von der Ebola-Epidemie im Ostkongo betroffen?

Marcus Bachmann: Es ist der zehnte Ebola-Ausbruch in der Demokratischen Republik Kongo und der zweitgrößte. Fast jeder dritte Patient, fast jeder dritte Infizierte ist ein Kind oder ein Jugendlicher.

Wo liegen die Hauptgründe?

Ein Grund ist, dass die Menschen das tun, was eigentlich wünschenswert ist, dass sie auch in einem Epidemiegebiet im Krankheitsfall Gesundheitseinrichtungen aufsuchen, um sich behandeln zu lassen.

Sehr viele Gesundheitseinrichtungen treffen unzureichende Maßnahmen, um Infektionen zu vermeiden. Wenn sich das Personal beispielsweise mit Ebola angesteckt hat, kann es die Infektion an Patienten weitergeben, die kein Ebola haben. Da vor allem Eltern mit kranken Kindern bereit sind, in Gesundheitseinrichtungen zu gehen, sind Kinder so überproportional betroffen.

Woran liegt es, dass so viele Kinder unter fünf Jahren infiziert sind? 

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Marcus Bachmann von 'Ärzte ohne Grenzen' war im Ebola Gebiet im KongoBild: Herwig Prammer

Bei Ebola sind sehr viele Daten und Fakten nicht klar. Die Frage, warum fast jeder sechste, dokumentierte Ebola-Infizierte ein Kind unter fünf Jahren ist, können wir nicht beantworten. Oft sind es sogar Babys, Neugeborene, die wenige Tage oder Wochen alt sind.

Hinzu kommt, dass der Unterschied in der Proportion zwischen angesteckten Männern und Frauen auffällig hoch ist. 57 Prozent, also fast jeder sechste Infizierte, ist eine Frau. 43 Prozent der Angesteckten sind Männer. Die Mütter sind natürlich für die Versorgung, für die Pflege von Babys, von Kindern verantwortlich. Das trägt dazu bei, dass der Anteil infizierter Kinder so hoch ist.

Die meisten gehen in Gesundheitszentren, um sich wegen anderer Krankheiten behandeln zu lassen und stecken sich dann an. Was ist die Alternative?

Als ich 2014 / 2015 beim Ausbruch in Westafrika als Einsatzleiter arbeitete, war dort dramatischerweise genau das Gegenteil der Fall. Die Menschen waren so sehr in Panik, dass sie – selbst wenn sie schwer krank waren oder ein Kind oder andere Familienmitglieder schwer krank waren - nicht mehr in eine Gesundheitseinrichtung gegangen sind. Als Konsequenz war die Sterblichkeit an Nicht-Ebola-Erkrankungen geradezu explodiert. Es sind sehr viele Menschen aufgrund von unbehandelten Malariaerkrankungen, Durchfallerkrankungen oder Lungenentzündungen gestorben. 

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Welche anderen Schwierigkeiten gibt es im Ebola-Gebiet? 

In so einem extremen Konfliktgebiet wie dem Ostkongo ist der Weg in eine Gesundheitseinrichtung für die betroffenen Menschen sehr gefährlich und bedrohlich. Das ist ganz entscheidend. Die Wege sind oft sehr lang. Das führt dazu, dass sich Menschen oft sehr spät in die Behandlungszentren begeben. Durch eine Dezentralisierung würden die Zentren näher an die Menschen heranrücken.

Die politische Situation spielt also eine große Rolle bei der Bekämpfung der derzeitigen Ebola-Epidemie?

Die Behandlungszentren sind oft sehr weit entfernt. Teilweise sind das vier, fünf, sechs Stunden zu einer Ambulanz, und das ganze ist in einem Konfliktgebiet. Das heißt: Es liegen drei, vier, fünf Frontlinien dazwischen. Für die Familien ist das geradezu unüberwindbar.

Wozu führt das?

Es sind überproportional viele Kinder, Kleinkinder und Neugeborene betroffen. Der Familie fällt es oft schwer ein Kind in ein Ebola-Behandlungszentrum zu bringen, das sehr weit entfernt ist. Das führt dazu, dass die Behandlung sehr spät beginnt. Aber je früher die Diagnose gestellt wird desto besser sind die Überlebenschancen. 

Was passiert mit den Kindern, wenn ein Elternteil oder beide Eltern an Ebola sterben?

Die Menschen dort haben ein faszinierendes Maß an Solidarität, so dass andere Familienangehörige oder - wenn diese nicht auffindbar sind - andere Menschen, die noch eine weitere Person aufnehmen können, bereit sind, diese Kinder zu versorgen.

Was können Sie oder andere Hilfsorganisationen tun, um Kinder von vorneherein besser vor Infektionen zu schützen?

Es gibt ein enormes Informationsbedürfnis. Es gibt ein großes Interesse. Es gibt niemanden, der einem nicht zuhört. Was ist Ebola? Wie kann ich mich davor schützen? Wie kann ich meine Angehörigen davor schützen? Ich war sehr oft erstaunt, wie groß die Informationslücken sind, und gerade in diesem Konfliktgebiet ist es sehr wichtig, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. 

Welche Maßnahmen sind jetzt wichtig?

Immer wieder höre ich: Warum sind die Ebola-Behandlungszentren so weit weg? Warum ist die Erstdiagnose, die Abklärung unerreichbar? Warum kann sie nicht in der Gesundheitsstation, die in meinem Dorf liegt, gemacht werden? Das ist etwas, das wir in einigen stark betroffenen Bezirken in Pilotversuchen jetzt etabliert und gemacht haben. Die Wünsche, die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, zuzuhören, was ihre Bedürfnisse sind, das ist eine sehr gute Leitlinie. 

Marcus Bachmann ist Einsatzleiter für Ärzte ohne Grenzen. Er hat beim Ebola-Ausbruch in Nord-Ost-Kongo, in den Provinzen Ituri und Nord Kivu gearbeitet. 

Das Interview führte Gudrun Heise.

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