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Politik

Äthiopien: Ethnische Konflikte schwelen weiter

Martina Schwikowski
8. August 2018

Nach den Unruhen vom Wochenende ist der Präsident der Somali-Region Äthiopiens auf Druck des Militärs zurückgetreten. Premierminister Abiy Ahmed will die autonome Region stärken - und so stabilisieren.

Äthiopien Premierminister Abiy Ahmed
Bild: picture-alliance/AA/M.W. Hailu

Der Osten Äthiopiens kommt nicht zur Ruhe. Am Samstag plünderten Mobs Besitztümer ethnischer Minderheiten in Jijiga, der Hauptstadt der Somali-Region Äthiopiens. "Wir haben das staatliche Militär um Hilfe gebeten, um uns zu retten", sagte ein Äthiopier, der aus Angst um sein Leben anonym bleiben wollte, am Sonntag der DW. "Die Menschen sterben. Sie werden auch in der Kirche St. Michael angegriffen, wo sie Unterschlupf suchen". Die Krawalle am Wochenende forderten laut Berichten mindestens als ein Dutzend Tote. Tausende Menschen seien bereits vor den Angriffen in der Somali-Region geflohen, hieß es.

Zeugen machten Sondereinheiten der Regionalregierung, die vier Menschen erschossen haben sollen, für die Gewalt verantwortlich. "Das äthiopische Militär hat es noch nicht geschafft, die rebellierenden Polizisten unter Kontrolle zu bringen", sagte ein Einwohner Jijigas am Dienstag gegenüber der DW. "Die Angreifer haben ihre Waffen noch nicht niedergelegt. In meiner Gemeinde gibt es große Schwierigkeiten." Seit dem aktuellen Ausbruch von Gewalt ist auch das Internet im Osten Äthiopiens abgeschaltet, berichtet "Access Now", eine internationale Gruppe für digitale Rechte. Die Regierung hat sich dazu bisher nicht geäußert. Premierminister Abiy Ahmed hatte bei seinem Amtsantritt im April gelobt, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu schützen.

Vorsichtige Reformen

Laut Jason Mosley von der britischen Denkfabrik Chatham House haben sich die bestehenden wirtschaftspolitischen Konflikte in der Region Somali seit dem Amtsantritt des 41-Jährigen verschärft. Abiy versprach Reformen - entsprechend hoch seien die Erwartungen der Bevölkerung. "Jetzt sollen alle Bürger mehr vom wirtschaftlichen Aufschwung profitieren", sagt Mosley im DW-Interview. "Dabei spielt die Somali-Region eine wichtige Rolle."

Verkehr in Jijiga, der Hauptstadt der Region SomaliBild: DW/T. Waldyes

Das Binnenland Äthiopien ist auf Häfen in den Nachbarländern angewiesen - bislang vor allem Dschibuti. Eine stabile Region Somali würde den Zugang zum Hafen von Berbera in Somaliland erleichtern. So könnte der Handel, zum Beispiel mit Vieh und Lebensmitteln, ausgebaut werden. Das mache die Handelsrouten, die durch die Somali-Region führen, so wichtig für die äthiopische Wirtschaft, sagt Mosley.

Es sei interessant, dass die Regierung sich nur zögerlich zu dem Militäreinsatz am Samstag äußere. "Das lässt darauf schließen, dass sie den Konflikt sehr vorsichtig behandeln will, denn Somali ist eine wichtige Region für die Stabilität in Äthiopien. Abiy hat seit April versucht, die strenge Kontrolle der Somali-Region zu lockern. Er will die somalischen Interessensgruppen zusammenbringen. Das ist großer Unterschied zur bisherigen Politik in Äthiopien."

Äthiopiens Premier versuche nicht, die Somali-Region umzukrempeln. "Was wir in den letzten Tagen dort gesehen haben zeigt eher, dass Ahmed so viel wie möglich von den existierenden Strukturen erhalten möchte." Zwar sei Regionalpräsident der Region Somali am Wochenende aus seinem Palast geholt und im Militärhubschrauber nach Addis Ababa gebracht worden, aber er sei durch den Vizepräsidenten ersetzt worden, und auch seine Partei sei weiterhin an der Macht.

Der Wandel ist ein Muss

Mosley glaubt, die Regierung wolle nun Politiker einbringen, die bei den Verhandlungen in der umkämpften Somali-Region bisher außen vor waren. "Ich glaube, der Ansatz, mehr Platz für die Autonomie der Region zu schaffen, ist zumindest erfolgversprechender, als durch anhaltende Kämpfe schließlich die Kontrolle zu verlieren und in Chaos zu versinken. Das, Ziel ist mehr Stabilität in der Region zu schaffen."

Die Dürre setzt der Region Somali immer wieder zu - und verschärft KonflikteBild: picture-alliance/AP Photo/E. Meseret

Der äthiopische Ex-Parlamentarier und Exilpolitiker Jemal Diriye Harif - ein ethnischer Somali - glaubt trotz der aktuellen Krise an eine friedliche Zukunft Äthopiens. "Ich erwarte einen Wandel", sagt Harif in einem DW-Interview. "Das ist ein Muss." Angesichts der drohenden Eskalation habe sich die Regierung mit dem Militäreinsatz für das geringere Übel entschieden. Der Rücktritt von Regionalpräsidenten sei eine gute Sache: "Ex-Präsident Illey war ein gefährlicher Diktator, und sein Abtritt bietet jetzt der Somali-Region die Möglichkeit, durch politische Gespräche ihre Zukunft zu gestalten."

Seit Jahren kommt es in der Region Somali immer wieder zu Unruhen - unter anderem durch Separatisten, die eine Unabhängigkeit der Region Somali von Äthiopien erreichen wollen. Die Regionen Äthiopiens mit seinen rund 100 Millionen Einwohnern sind nach der geographischen Verteilung der Bevölkerungsgruppen zugeschnitten. Dementsprechend leben in Somali vor allem ethnische Somalier.

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