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Politik

Äthiopien: Notstand, Drohungen und Diplomatie

4. November 2021

Der Vormarsch der Tigray-Kämpfer ist für die Führung in Addis Abeba so gefährlich geworden, dass sie das Parlament den Notstand ausrufen ließ. Die restliche Welt setzt derweil auf Zuckerbrot und Peitsche.

Gefangene äthiopische Soldaten werden in Mekele, der Hauptstadt der Tigray-Region, zusammengetrieben
Gefangene äthiopische Soldaten werden in Mekele, der Hauptstadt der Tigray-Region, zusammengetrieben Bild: Yasuyoshi Chiba/AFP

Äthiopiens Parlament hat der Verhängung des landesweiten, sofortigen Notstands zugestimmt. Das Repräsentantenhaus billigte damit eine Entscheidung der Regierung, die Ministerpräsident Abiy Ahmed weitreichende Befugnisse sichert. Zur Begründung hieß es, die Ausrufung des Ausnahmezustands sei nötig, weil die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) und ihre Verbündeten "eine schwere und direkte Gefahr für die Existenz und Souveränität des Landes darstellen", wie die staatliche Nachrichtenagentur ENA meldete.

Fall von Addis Abeba in wenigen Wochen?

Der Notstand gilt für sechs Monate und erlaubt der Regierung unter anderem, das Militär einzusetzen, Bürger zum Militärdienst einzuberufen, Personen ohne Gerichtsentscheidung zu inhaftieren und Medien sowie lokale Verwaltungen aufzulösen. Für die Umsetzung des Notstands zuständig ist eine neue Kommandozentrale der Streitkräfte, die Regierungschef Abiy untersteht.

In den vergangenen Tagen hatten Regierungstruppen Medienberichten zufolge mehrere Gefechte gegen TPLF-Kämpfer verloren. Die TPLF hatte am Mittwoch erklärt, die Stadt Kemise, rund 300 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba entfernt, erobert zu haben. Davor hatten sie nach eigenen Angaben die Städte Kombolcha und Dessie eingenommen, die ebenfalls an der strategisch wichtigen Verkehrsverbindung in die Hauptstadt liegen. Die mit der TPLF verbündete Gruppierung Oromo Befreiungsarmee (OLA) erklärte, der Fall von Addis Abeba sei nur noch eine Frage weniger Wochen. 

EU droht mit Sanktionen

Die EU drohte Äthiopien im Fall einer Ausweitung des Konflikts mit Sanktionen. Man sei bereit, alle außenpolitischen Instrumente einschließlich restriktiver Maßnahmen zu nutzen, um Frieden, die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte sowie ein Ende der Auseinandersetzung voranzubringen, so der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel.

Der EU-Außenbeauftragte Josep BorrellBild: David Dee Delgado/REUTERS

Zugleich rief Borrell die Konfliktparteien zu einer Waffenruhe und zu Verhandlungen auf. Die eritreischen Streitkräfte müssten sich unverzüglich von äthiopischem Gebiet zurückziehen. Die EU unterstütze die Stabilität, Einheit und territoriale Integrität Äthiopiens. Sie setze auf Vermittlungsbemühungen durch die Afrikanische Union und dränge auf einen nationalen Dialog zur Versöhnung.

UN und USA wollen vermitteln

UN-Generalsekretär Antonio Guterres teilte mit, er habe am Mittwoch mit Äthiopiens Ministerpräsident Abiy gesprochen und ihm angeboten zu vermitteln. Der US-Sondergesandte für das Horn von Afrika, Jeffrey Feltman, soll noch an diesem Donnerstag in Addis Abeba eintreffen. Feltman will ein Ende der Kampfhandlungen zwischen Regierungstruppen und TPLF sowie die Aufnahme von Gesprächen über einen Waffenstillstand erreichen.

Ministerpräsident Abiy Ahmed Ali bei einem Gottesdienst am Mittwoch in Addis Abeba für die Opfer des Tigray-KonfliktsBild: Ethiopian Prime Ministry Office/AA/picture alliance

Die US-Botschaft in Addis Abeba zeigte sich besorgt und stellte es Teilen ihrer Beschäftigten und deren Angehörigen frei, Äthiopien zu verlassen. Dies gelte für nicht essenzielle Mitarbeiter und deren Angehörige sowie die Familien der Beschäftigten, die für den Betrieb der Botschaft unverzichtbar seien. Bereits am Mittwoch hatte Großbritannien britische Staatsbürger zur Ausreise aufgerufen.

Konflikt währt schon ein Jahr 

Seit November 2020 liefert sich die äthiopische Armee heftige Kämpfe mit der TPLF, die sie als Terrororganisation bezeichnet, und anderen Gruppen um die Macht. Der Konflikt weitete sich zuletzt auf andere Regionen aus und hat eine humanitäre Krise ausgelöst, durch die UN-Schätzungen zufolge 400.000 Menschen in Tigray hungern. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht warfen die UN und die äthiopische Menschenrechtskommission allen an dem Konflikt beteiligten Parteien Verbrechen vor.

sti/AR (afp, dpa, epd)

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