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PolitikAfrika

Äthiopien steuert auf einen Bürgerkrieg zu

6. November 2020

Weltweit wächst die Sorge wegen der Eskalation des Konflikts zwischen der Zentralregierung in Addis Abeba und der Region Tigray. Offenbar müssen da alte Rechnungen beglichen werden.

Der äthiopische Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed (Foto: Ethiopia Broadcasting Corporation//REUTERS)
Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed: "Der Krieg wird sich nicht bis ins Zentrum des Landes ausweiten"Bild: Ethiopia Broadcasting Corporation//REUTERS

UN-Chef Antonio Guterres hat zur sofortigen Deeskalation im Norden Äthiopiens aufgerufen, wo Kämpfe zwischen Bundestruppen und Einheiten der Region Tigray ausgebrochen sind. "Ich bin zutiefst beunruhigt über die Situation in Tigray. Die Stabilität in Äthiopien ist wichtig für die gesamte Region am Horn von Afrika", schrieb Guterres auf Twitter und rief zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf. Auch die Afrikanische Union sprach von einer "sehr heiklen" Situation. Die Organisation sei in Kontakt mit "allen Akteuren" und versuche, eine Lösung für den Konflikt zu finden, erklärte ein AU-Vertreter. Bundesaußenminister Heiko Maas forderte, die Parteien müssten "jetzt sofort handeln, die Kämpfe einstellen und Gespräche einleiten". Zuvor hatte bereits US-Außenminister Mike Pompeo zur Deeskalation aufgerufen.

Äthiopiens stellvertretender Armeechef Berhanu Jula: "Unser Land ist in einen Krieg eingetreten" Bild: DW/S. Muchie

Vor dem Hintergrund anhaltender Kämpfe hatte Äthiopiens Armee am Donnerstag erklärt, sich im "Krieg" mit der Regierungspartei der nördlichen Region Tigray zu befinden. "Unser Land ist in einen Krieg eingetreten, den es nicht vorhergesehen hat", sagte der stellvertretende Armeechef Berhanu Jula bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Addis Abeba. Es handele sich um einen "beschämenden" und "sinnlosen" Konflikt. Der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed versprach, dass der Konflikt auf Tigray beschränkt bleiben werde: "Wir arbeiten daran sicherzustellen, dass der Krieg sich nicht bis ins Zentrum des Landes ausweitet."

Anschlag auf eine Militärbasis?

Am Mittwoch hatte die Armee einen Einsatz in Tigray angeordnet und dies mit einem "Anschlag" der in der Region regierenden Volksbefreiungsfront (TPLF) auf eine Militärbasis begründet. Die TPLF erklärte ihrerseits, eine solche Attacke habe es nicht gegeben. Seitdem gibt es heftige Kämpfe, bei denen es nach Einschätzungen von Diplomaten in Addis Abeba schon Tote auf beiden Seiten gegeben hat.

Spannungen zwischen der Bundesregierung in Addis Abeba und der Regionalregierung in Tigray bestehen allerdings schon seit Jahren. Der von Abiy 2018 gebildeten Einheitsregierung war die TPLF nicht beigetreten. Im September dann ließ Tigray Wahlen abhalten, obwohl das äthiopische Parlament wegen der Corona-Pandemie alle Amtszeiten verlängert und sämtliche Wahlen verschoben hatte. Die Regionalregierung erklärte daraufhin, Ministerpräsident Abiy nicht mehr anzuerkennen. Dieser wiederum erklärte die Führung von Tigray für illegitim. 

Soldaten in Amhara und Afar?

Tigrays Regionalpräsident Debretsion Gebremichael warf dem Regierungschef vor, in die Region "einmarschieren" zu wollen. "Dies ist ein Krieg, den wir führen, um unsere Existenz zu sichern", fügte er hinzu. Seinen Angaben zufolge stationierte die äthiopische Armee Soldaten in den an Tigray angrenzenden Regionen Amhara und Afar.

Der Regionalpräsident von Tigray, Debretsion Gebremichael: "Ein Krieg, um unsere Existenz zu sichern"Bild: DW/M. Haileselassie

In Addis Abeba stimmte das Parlament einstimmig für einen Antrag der Regierung, einen sechsmonatigen Ausnahmezustand über Tigray zu verhängen. Ein Regierungsvertreter erklärte, in Tigray könne dies unter anderem zur Verhängung einer Ausgangssperre sowie zu Durchsuchungen ohne gerichtliche Vollmachten führen. Auch eine Ausweitung des Ausnahmezustands auf weitere Gebiete sei möglich.

Machtverlust Tigrays als Konfliktursache? 

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat und wurde jahrzehntelang von Meles Zenawi regiert, der aus Tigray stammt. Nach der Wahl von Abiy zum Ministerpräsidenten 2018 nahm der Einfluss der Region ab. Abiy gehört dem Volk der Oromo an, der größten Bevölkerungsgruppe. Er wurde wegen seines Friedensabkommens mit dem Nachbarland Eritrea 2018 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

sti/as (afp, dpa, epd)