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Schlummernder Streit um die Grenze

Dirk Bathe28. September 2006

Kriege trotz Armut: Die ehemals befreundeten Nachbarn sind seit Jahren Symbol für eine absurde Politik.

Äthiopische Soldaten feiern den Sieg in einer Schlacht mit eritreischen Truppen während des Grenzkrieges.Bild: AP

Eritrea 1998: Panzer fahren an der Grenze zu Äthiopien auf, Helikopter schießen Raketen ab, Maschinengewehre knattern. Zwei Jahre tobt ein absurder Grenzkrieg. Die Folgen: 90.000 Tote, ein wirtschaftliches Desaster für beide Seiten und bis heute eine Stimmung, die jederzeit wieder zum Krieg führen kann. Warum ist das so?

Schwieriges Kolonialerbe

Die starke Macht am Horn ist Äthiopien. Militärisch kann das Land von keinem Nachbarn besiegt werden, wirtschaftlich hat Äthiopien zumindest das Potentzial zu hegemonialer Stärke. Die strategisch günstige Lage, auch wenn heute kein direkter Zugang zum Meer existiert, war schon während der europäischen Kolonialzeit attraktiv. Engländer und Italiener versuchten das Land zu erobern und scheiterten, abgesehen von einer fünfjährigen Okkupation durch Mussolinis faschistische Truppen. Stattdessen wurde Äthiopien selber zur imperialen Macht und eroberte nach dem zweiten Weltkrieg Eritrea.

Die Badme-Regio: Um den staubigen Flecken Erde streiten sich Eritrea und Äthiopien seit Jahren.Bild: AP

Der gemeinsame Kampf eritreischer und äthiopischer Rebellen gegen den Diktator Mengistu Haile Mariam einte die beiden Völker und mit dem Sturz Mengistus begannen zunächst friedliche Separationsbestrebungen Eritreas. 1993 wurde Eritrea wieder unabhängig – doch schon fünf Jahre später kam es zum Krieg beider Staaten, vorgeblich um ein wertloses Stück Land, die Badme-Region.

Ungeklärte Grenzfragen

Staub, Steine, ein paar verfallene Hütten: Das ist Badme. Hier leben einige tausend Menschen, viele davon Eritreer, manche haben äthiopische Eltern, andere bezeichnen sich als Äthiopier und haben eritreische Vorfahren. Alle sind arm, alle sind kriegsmüde und keiner weiß, warum die Badme-Region so wertvoll sein soll. Das ist sie auch nur als Vorwand. Eritrea begann schon wenige Jahre nach der Unabhängigkeit auf alte Kolonialverträge zu pochen, abgeschlossen von Italienern und Engländern, die Badme Eritrea zusprechen. Ein internationales Gremium von Fachleuten hat die Region auch Eritrea zugeschrieben - Äthiopien beharrt aber darauf, auf die Badme-Region nur im "Dialog mit Eritrea" zu verzichten - ein Dialog, den Eritrea erwartungsgemäß verweigert.

Äthiopiens Ministerpräsident Meles Zenawi.Bild: AP

Der Konflikt aber geht nicht nur um Land. Es geht auch um unterschiedliche politische und wirtschaftliche Ziele. Während Äthiopien längerfristig wieder eine politische Union mit Eritrea eingehen wollte, strebte Eritrea nach der politischen auch nach wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Gegenseitige Schikanen führten schließlich zu einer absurden Situation: Äthiopien ließ wegen überhöhter Preise kein Öl mehr in der eritreischen Raffinerie Assab verarbeiten, die Raffinerie ging Pleite, die Währungsunion beider Länder zerbrach, Äthiopien verlor den freien Zugang zum Hafen in Assab, in beiden Staaten begann der wirtschaftliche Niedergang. Und der Unmut in der Bevölkerung wuchs.

Brüder im Geiste

Die Herrscher Äthiopiens und Eritreas sind Meles Zenawi und Isaias Afewerki. Der eine ist Premierminister, der andere Präsident. Und beide haben ein Problem mit Kritik. In Äthiopien gilt zwar offiziell Pressefreiheit und im Vergleich zu Eritrea ist die Situation für Journalisten etwas besser - westlichen Standards genügt die Realität aber bei Weitem nicht.

Mehrere tausend UN-Soldaten schützen die Pufferzone zwischen Eritrea und Äthiopien.Bild: AP

So wurden nach Angaben von amnesty international hunderte Journalisten, die für private Medien gearbeitet hatten, aus nicht nachvollziehbaren Gründen zu Geld- und Haftstrafen verurteilt. Mit den umstrittenen Parlamentswahlen im Mai 2005 und den anschließenden, gewaltsamen Protesten hat der Niedergang von Demokratie und Pressefreiheit in Äthiopien einen Höhepunkt erreicht, auch wenn es - anders als in Eritrea - immerhin offizielle Oppositionsparteien gibt.

Maulkörbe für Journalisten

Der Niedergang derDemokratie begann schon in den 1990er Jahren, auf beiden Seiten der Grenze. Im Zusammenhang mit der wachsenden Feindseligkeit unterstützten die Regierungen beider Staaten jeweils die Oppositionsbewegungen im anderen Land. Die Folge: Wer die Regierung kritisierte, galt als Feind, als Agent des jeweils anderen Landes. Nun wurden auch Vertreter ethnischer Minderheiten, die Rechte für ihre Gruppen einforderten, als Verräter angesehen. Mit ihnen Journalisten, Oppositionelle, Menschenrechtsgruppen.

Und in Eritrea ist die Lage der Journalisten noch katastrophaler als in Äthiopien. Zeitlich geschickt und deshalb unbemerkt von der Weltöffentlichkeit schloss Präsident Afewerki am 18. September mit einem Schlag alle privaten Medien. 13 Journalisten sitzen noch heute in Haft. Gerüchten zu Folge wurden sie gefoltert. Aus den hoffnungsvollen Ansätzen zu einer demokratischen, liberalen Politik in Eritrea ist eine Einparteiendiktatur geworden.

Politische Verhaltensstarre

Auf beiden Seiten der Grenze hat sich das Bruttosozialprodukt in den vergangenen Jahren halbiert. Geld für Waffen aber ist immer noch da. Vor allem Eritrea lässt keinen Willen erkennen, sich ernsthaft der internationalen Gemeinschaft zu öffnen und sich aus der weitgehenden politischen Isolation zu befreien. Im Gegenteil: Nachdem der Grenzstreit 2005 wieder aufflackerte, verbot Eritrea der UN Flüge in den umstrittenen Gebieten – und machte es ihr so unmöglich, dort den brüchigen Frieden zu überwachen.

Noch vor 100 Jahren waren gut ein Drittel Äthiopiens bewaldet; Mitte der 90er Jahre waren es gerade noch zwei Prozent. Treibende Kraft für Abholzung, Überweidung und Auslaugung der Böden ist das Bevölkerungswachstum.Bild: dpa - Fotoreport

Beide Staaten stecken tief in einer wirtschaftlichen und politischen Krise und sind skrupellos im Umgang mit Kritikern – Eritrea und Äthiopien sind sich bei aller Feindschaft in der Tendenz sehr ähnlich. Hoffnung bietet in jüngster Zeit allenfalls ein gemeinsames Interesse an der Situation im Nachbarland Somalia. Die dort immer stärker werdende Union Islamischer Gerichte, eine Art somalischer Taliban, wird mittlerweile von beiden Ländern als Bedrohung empfunden. Im September 2006 hat die zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung (IGAD) als Teil der Afrikanischen Union beschlossen, Friedenstruppen nach Somalia zu schicken. Und immerhin: in der IGAD sind neben Dschibuti, Kenia und Uganda auch Äthiopien und Eritrea vertreten. Möglich, dass ausgerechnet die geteilte Furcht beide Staaten wieder zu einander bringt.