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PolitikSomalia

Äthiopien und Somalia legen Streit um Meereszugang bei

Isaac Kaledzi
18. Dezember 2024

Entspannung am Horn von Afrika: Äthiopien und Somalia und wollen neu über einen Zugang zum Roten Meer verhandeln. Dabei bleibt fraglich, was das für den vorherigen Deal mit der abtrünnigen Region Somaliland bedeutet.

Der türkische Präsident Erdogan (Mitte) sitzt mit Äthiopiens Staatschef Abiy Ahmed und Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud am Tisch, im Hintergrund Länderfahnen
In der Türkei vermittelte Präsident Recep Tayyip Erdogan (Mitte) zur Beilegung des Streits zwischen Äthiopien und Somalia Bild: DHA

Äthiopien und Somalia haben ihren seit Monaten schwelenden Konflikt über einen Zugang Äthiopiens zum Roten Meer unter Vermittlung der Türkei beigelegt. Beide Länder wollen jetzt ein Abkommen aushandeln, das dem Binnenstaat Äthiopien die Nutzung eines Hafens auf dem Gebiet des benachbarten Küstenstaats ermöglichen könnte.

Für Äthiopien, ein Land mit 126 Millionen Einwohnern, ist ein Zugang zum Roten Meer von entscheidender Bedeutung: Dort liegt eine wichtige Handelsroute, die Ostafrika mit dem Nahen Osten, Europa und Asien verbindet. 

Die Krise zwischen den Nachbarn hatte vor etwa einem Jahr begonnen, als Somalias abtrünnige Region Somaliland sich bereit erklärt hatte, Äthiopien einen Zugang zum Roten Meer gewähren. Im Gegenzug sollte Addis Abeba Somaliland nach Angaben der dortigen Führung als unabhängigen Staat anerkennen. Anfang 2024 unterzeichneten beide Seiten sogar ein entsprechendes Absichtsprotokoll. Die somalische Zentralregierung in Mogadischu sah darin eine Verletzung ihrer Souveränität. 

Somaliland erklärte 1991 einseitig seine Unabhängigkeit, wird aber weder von der Afrikanischen Union noch von den Vereinten Nationen als unabhängiger Staat anerkannt. Somaliland war einst britische Kolonie, während der Rest Somalias von Italien beherrscht wurde. Die Region gilt als wirtschaftlich und politisch stabiler als die übrigen Landesteile.

Ein Konflikt, den niemand wollte

Die Spannungen hatten im April mit der Ausweisung des äthiopischen Botschafters in Somalia und dem Ausschluss der äthiopischen Truppen von einer Friedenstruppe der Afrikanischen Union in Somalia zugenommen. Stattdessen ersuchte Somalia in Ägypten um Truppenentsendungen - wohlwissend, dass Äthiopien und Ägypten wegen des GERD-Nilstaudamms selbst im Clinch liegen. Die Spirale der Eskalation drehte sich, obwohl alle Beteiligten eigentlich kein Interesse an einem Konflikt hatten.

Also haben die äthiopische und die somalische Führung in der vergangenen Woche in der türkischen Hauptstadt Ankara an einem Kompromiss gearbeitet, um ihren erbitterten Streit zu beenden. Die Erklärung von Ankara werde Äthiopien den lang ersehnten Zugang zum Meer sichern, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan

Nach Beilegung des Streits zwischen Somalia und Äthiopien soll ein Abkommen den Zugang zum Roten Meer für Äthiopien festlegenBild: DHA

Beide Seiten einigten sich darauf, an konkreten Handelsvereinbarungen zu arbeiten. Die Gespräche sollen im Februar 2025 beginnen und innerhalb von vier Monaten abgeschlossen werden.

"Der türkische Präsident Erdogan will sich hier als Verhandlungspartner präsentieren und übt Druck auf beide Seiten aus, um zu einer tragfähigen Einigung zu kommen", sagt Ludger Schadomsky, Leiter der DW Redaktion Amharisch. Die Türkei bringe sich in beiden Ländern stark ein, so dass der Präsident bei Bedarf Druck ausüben könne.

"Wir haben jedoch viele technische Ausschüsse [wie im Ankara-Vertrag vorgesehen] kommen und gehen sehen. Es ist schwierig, Äthiopiens Streben nach einem zuverlässigen Zugang zum Meer mit Mogadischus Entschlossenheit zur Souveränität in Einklang zu bringen", fügt Schadomsky hinzu.

Macht das Abkommen die vorherige Einigung mit Somaliland nichtig?

Bei den Vereinbarungen gehe es darum, zu erörtern, wie das Abkommen umgesetzt und die Differenzen zwischen den beiden Ländern ausgeräumt werden sollen, sagte Abdurahman Seid, ein in London ansässiger politischer Analyst für das Horn von Afrika zur DW. 

"Was wir wissen, ist, dass [Äthiopiens] Premierminister Abiy Ahmed die Souveränität Somalias akzeptiert hat. Das Wichtigste ist, dass der Präsident Somalias dieses als Vorbedingung gestellt hat. Denn dies sei in dem Memorandum of Understanding (MoU) mit Somaliland nicht der Fall gewesen.

Die Erwähnung einer "Rückkehr zur Vergangenheit" in der Erklärung von Ankara interpretiert der Analyst Seid als Übereinkunft, dass Addis Abeba das MoU fallen lässt. "Das Abkommen zwischen Äthiopien und Somaliland ist hinfällig geworden", sagte Seid. Diese Auffassung weist die Führung der abtrünnigen Region vehement zurück: "Die Beziehungen zwischen Somalia und Äthiopien sind deren Sache. Wir kümmern uns um unsere eigenen Angelegenheiten", sagte der Sondergesandte Somalilands bei der Afrikanischen Union, Abdulahi Mohammud, gegenüber DW. 

Abdiraham Mohamed Abdullahi ist am 12. Dezember 2024 als Präsident Somalilands ins Amt eingeschworen worden. Aber weder die AU noch die UN erkennen das Land als souveränen Staat anBild: Solomon Muche/DW

Das Abkommen mit Äthiopien war auch das bestimmende Thema vor den Präsidentschaftswahlen in Somaliland im November. Der neue Präsident Abdirahman Mohamed Abdullahi sagte, es fehle an Transparenz, und versprach eine Überprüfung der Lage. Damit will er sicherzustellen, dass das Abkommen mit den somaliländischen Interessen übereinstimmt.

In seiner Antrittsrede versprach er kürzlich, die Bemühungen um die internationale Anerkennung Somalilands zu intensivieren und das Abkommen mit Äthiopien umzusetzen. "Die vorherige Regierung hat eine Vereinbarung mit Äthiopien unterzeichnet, und wir haben uns darum bemüht, dass die Vereinbarung auf parlamentarischem und rechtlichem Weg von beiden Seiten abgeschlossen wird. In diesem Stadium gibt es eine neue Regierung", sagte Abdullahi.

"Wir haben ein Abkommen, ein bilaterales Abkommen auf der Grundlage eines Absichtsprotokolls, das zwischen Somaliland und Äthiopien besteht. Was Äthiopien mit Somalia macht, das ist eine ganz andere Geschichte."

Für die kriselnde Wirtschaft im Binnenland Äthiopien wäre ein Tor zur Welt eine große Erleichterung - im Bild der Containerhafen von Berbera in Somaliland.Bild: Eshete Bekele/DW

Auch Mubarik Abdulahi Daljir, Wirtschaftswissenschaftler und Vizepräsident der Admas-Universität in Somalilands Hauptstadt Hargeisa, sieht das MoU durch die neue Vereinbarung unberührt. Somalia sei in einer Position der Schwäche in die Verhandlungen eingetreten, und Äthiopien habe gute Gründe, am MoU festzuhalten, sagte er der DW: "Äthiopien hat bei der Frage nach dem Seezugang keine andere Option als Somaliland. Die Küste Somalias ist erst einmal eine unsichere Gegend. Außerdem sind die Entfernungen ein Thema - die Häfen liegen weit entfernt vom Herzen Äthiopiens."

Neue Wege ausloten, Vertrauen wiederherstellen

Nach Ansicht des Analysten für das Horn von Afrika, Abdurahman Seid, besteht die Möglichkeit, dass bei den bevorstehenden Gesprächen zwischen Äthiopien und Somalia Alternativen zum MoU zwischen Somaliland und Äthiopien geprüft werden könnten.

"Jetzt werden sie versuchen, unter Vermittlung der Türkei einen neuen Ansatz zu finden. Dabei kann es um Kismayo oder einen anderen Hafen in Somalia gehen. Obwohl sie einen Zeitrahmen festgelegt haben, kann es lange dauern", sagte er.

Äthiopien braucht dringend einen Zugang zu einem Hafen, um den Handel zu erleichtern, und laut Seid scheint es alle Optionen zu prüfen. Äthiopien und Somalia müssten jedoch erst einmal Vertrauen aufbauen. 

 

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert. Mitarbeit: Solomon Muchie (Hargeisa), Nikolas Fischer