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Äthiopiens Mega-Talsperre schürt Sorge in Sudan und Ägypten

9. September 2025

Am Dienstag weiht Äthiopien Afrikas größtes Wasserkraftwerk ein. Es soll die Stromproduktion des Landes verdoppeln. Doch der Staudamm gibt Addis Abeba auch die Kontrolle über den Nil, die Lebensader Sudans und Ägyptens.

Äthiopien Benishangul-Gumuz 2025 | Grand Ethiopian Renaissance Dam: Blick von der Staumauer hinab auf das Kraftwerk und die dahinterliegende Landschaft
Das Wasserkraftwerk des Grand Ethiopian Renaissance Dam ist mit 6000 Megawatt Leistung das größte AfrikasBild: Negassa Dessalegn/DW

14 Jahre lang hat der Bau des Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) gedauert. Mit einer Länge von 1800 Metern und einer Höhe von 175 Metern kann die Staumauer bis zu 74 Milliarden Kubikmeter Wasser zurückzuhalten. Der dadurch entstandene Stausee bedeckt rund 1800 Quadratkilometer - eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Berlin.

Nun soll die Talsperre in Äthiopien offiziell eingeweiht werden. Die ersten der insgesamt 16 Turbinen des Wasserkraftwerks im GERD erzeugen bereits seit Anfang 2022 erneuerbaren Strom. Bei voller Leistung schaffen sie sechs Gigawatt elektrische Leistung - fast dreimal so viel wie das Kraftwerk des Assuan-Staudamms in Ägypten. Der GERD verdoppelt die bisherige Energieproduktion Äthiopiens und könnte das Land zeitweise zum Stromexporteur machen. Aktuell hat nur etwa die Hälfte der Landesbevölkerung zuverlässigen Zugang zu Elektrizität. Die andere Hälfte ist auf umweltschädliche Brennstoffe wie Holz, Kohle und Gas angewiesen.

Fortschritt für Äthiopien, Sorgen für die Nachbarn

Was für Äthiopien einen riesigen Fortschritt bedeutet, erfüllt die flussabwärts gelegenen Staaten Ägypten und Sudan mit größten Sorgen. Denn die Talsperre staut den Blauen Nil, den wasserreicheren der beiden Quellflüsse des Nils. Dessen Flusssystem bildet die Lebensader im Wüstenklima beider Länder. Und sein Wasser wird ohnehin immer knapper: Die Fachzeitschrift Earth's Future hatte 2019 eine Studie veröffentlicht, wonach bis 2030 der jährliche Wasserbedarf im Nilbecken regelmäßig über dem Angebot liegen könnte.

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Ägypten und Sudan hatten sich seit Baubeginn gegen die "einseitigen Maßnahmen" Äthiopiens ausgesprochen. Sie fürchten um die Wasserverfügbarkeit, und haben eine gemeinsame Bewirtschaftung des Flusses gefordert. Der äthiopische Premierminister Abiy Ahmed versucht, diesen Bedenken entgegenzuwirken. Der neue Staudamm werde dazu beitragen, die Gefahr katastrophaler Überschwemmungen zu lindern, die den Osten des Sudan regelmäßig heimsuchen. Zudem werde die Elektrizität aus dem Wasserkraftwerk die regionalen Entwicklungspläne der Afrikanischen Union am Horn von Afrika stärken. Äthiopien hat bereits Stromverträge mit Kenia, dem Sudan und Dschibuti unterzeichnet, mit anderen Nachbarländern laufen Gespräche.

"Äthiopien setzt sich weiterhin dafür ein, dass unser Wachstum nicht auf Kosten unserer ägyptischen und sudanesischen Brüder und Schwestern geht", sagte Abiy in einer Rede vor dem Parlament im Juli. "Wir glauben an gemeinsamen Fortschritt, gemeinsame Energie und gemeinsames Wasser."

Wasserkraft oder Bewässerung?

Gerade einmal 15 Straßenkilometer vom GERD entfernt liegt die Grenze zum Sudan. Dort sind Millionen von Menschen - gebeutelt vom jahrelangen Bürgerkrieg, einer humanitären Krise und zunehmender Wüstenbildung - auf den Fluss angewiesen. Der Blaue Nil liefert ihnen Wasser zum Trinken und für die Landwirtschaft.

"Der Sudan ist mit sehr realen Risiken konfrontiert, weil er unmittelbar flussabwärts des Staudamms liegt", sagt Kevin Wheeler vom Environmental Change Institute der Universität Oxford. Der GERD könne zwar dazu beitragen, Überschwemmungen im Sudan zu regulieren. Wie gut das gelingt, hänge aber allein von der äthiopischen Seite ab: "Die tägliche Koordination ist eines der Hauptprobleme - und natürlich die Sicherheit des Staudamms."

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Nahe der sudanesischen Hauptstadt Khartum vereinigt sich der Blaue Nil mit dem Weißen Nil und fließt weiter nach Ägypten. Der Wüstenstaat bezieht etwa 90 Prozent seines Süßwassers aus dem Fluss. Und wegen der wachsenden Bevölkerung wird das Wasser dort immer knapper. Kairos Bedenken, dass Äthiopien den Fluss dauerhaft sperren könnte, teilt Wheeler jedoch nicht. Denn um Elektrizität zu generieren, muss das Wasser fließen. Äthiopien könne es also nur begrenzt zur Bewässerung verwendet.

Sudan und Ägypten fehlt ein Abkommen

Wheeler arbeitet seit 2012 mit Forschungseinrichtungen in Äthiopien, dem Sudan und Ägypten an der Entwicklung des Nilbeckens. Er sagt, Kairos Hauptproblem mit dem GERD sei Äthiopiens Entscheidung, es ohne Vereinbarungen mit den Nachbarstaaten zu bauen: "Ägypten ist verständlicherweise besorgt, dass hier ein Präzedenzfall für zukünftige Entwicklungen geschaffen wird."

Seit Äthiopien 2011 mit dem Bau des Mega-Staudamms begonnen hatte, drängten Ägypten und Sudan auf ein rechtsverbindliches Abkommen über den Wasserfluss, die operative Koordinierung und Sicherheitsmaßnahmen sowie einen rechtlichen Mechanismus zur Beilegung von Streitigkeiten. Doch mehrere Versuche, eine Einigung zu erzielen, sind im Laufe der Jahre gescheitert.

"Dieser Streit hat eine fast hundertjährige Geschichte und ist daher tief emotionalisiert, nicht nur in der politischen Führung der jeweiligen Länder, sondern auch in deren Bevölkerungen", sagt Tobias Zumbrägel von der Arbeitsgruppe Humangeographie an der Universität Heidelberg. "Das erschwert natürlich den Kompromiss." Für Äthiopien sei der GERD ein "Prestigeprojekt mit starker Symbolik für Nationenbildung und Stolz".

Und er ist nur der erste in einer Reihe möglicher Wasserkraftwerke, die Äthiopien für den Blauen Nil plant. Addis Abeba erwägt auch, einen Teil des Flusswassers oberhalb des GERD zur Bewässerung zu nutzen. Genau hier liege das größte Hindernis für ein Abkommen, sagt Wheeler: "Ägypten möchte natürlich verhindern, dass Äthiopien zusätzliches Wasser verbraucht. Und Äthiopien wird nichts unterzeichnen, was seinen zukünftigen Wasserverbrauch einschränken könnte."

Äthiopiens "außergewöhnliches Wasserkraftpotenzial"

Äthiopien hat auch Potenzial zur Nutzung erneuerbarer Energien wie Wind und Sonne. Dennoch findet es Zumbrägel sinnvoll, dass das Land mit dem GERD-Projekt sein "außergewöhnliches Wasserkraftpotenzial" nutzt: "Wasserkraft kann wertvolle Dienstleistungen für die Netzstabilität erbringen und regionale Stromexporte ermöglichen. Sonne und Wind können das ohne große Speicherlösungen nicht bieten."

Wheeler sieht das ähnlich. Nicht nur vereint der Staudamm die Kapazität Tausender Windräder. Die dezentrale Erzeugung von Wind und Sonne brächte auch viel komplexere Wartungsprobleme mit sich, so der Experte. Die Auswirkungen des Klimawandels mit unvorhersehbaren Regenfällen, anhaltenden Dürren und steigenden Temperaturen könnten ganz allgemein die Wasserkrafterzeugung in den kommenden Jahrzehnten zwar ebenfalls vor Herausforderungen stellen. Doch das sei bei Äthiopien möglicherweise gar nicht der Fall, da die meisten Prognosen für das Nilbecken eine Zunahme der durchschnittlichen Niederschläge zeigen, wenngleich sie von längeren Dürreperioden unterbrochen werden könnten.

Das Reservoir des GERD kann große Niederschlagsschwankungen ausgleichen. Davon könnten auch Sudan und Ägypten profitierenBild: Negassa Dessalegn/DW

Klimaforscher weisen darauf hin, dass der GERD und der in den 1960er Jahren erbaute Assuan-Staudamm in Ägypten geeignet seien, einige Klimaprobleme abzumildern. Die Verdunstungsraten im äthiopischen Hochland sind viel niedriger als im trockenen Wüstenklima Ägyptens. Und wenn beide Stauseen koordiniert betrieben werden, könnten sie ausreichend Wasser für den Bedarf großer Teile des Nilbeckens sichern. Sogar die Folgen mehrjähriger Dürren könnten die Staudämme entlang des Flusssystems helfen zu bewältigen, meint Wheeler. So könnte Äthiopien flussaufwärts gespeichertes Wasser freigegeben, um Ägypten und dem Sudan in Zeiten von Wasserstress zu helfen.

Andererseits besteht die Sorge, dass Äthiopien nach einer Dürre beschließen könnte, das erschöpfte GERD-Reservoir zu schnell wieder aufzufüllen, um die Stromerzeugung wieder aufzunehmen. Das wiederum könnte die Dürreszenarien flussabwärts verlängern.

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