Ministerpräsident Abiy Ahmed wird Äthiopien fünf weitere Jahre regieren. Einst für seine Reformen gelobt, steht der Friedensnobelpreisträger nun für sein Krisenmanagement in der Tigray-Region zunehmend in der Kritik.
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Im Schatten des Tigray-Konflikts und wachsender Unruhen in Teilen des Landes hat der äthiopische Ministerpräsident Abiy Ahmed seine neue Amtszeit angetreten. Der Oberste Richter des Landes vereidigte Abiy in der Hauptstadt Addis Abeba. Die Wahl des Ministerpräsidenten folgte einer im Juli von den größten Oppositionsparteien boykottierten Parlamentswahl, die Abiys Partei mit einem überwältigenden Sieg gewann.
Abiy war 2018 mit dem Versprechen einer Demokratisierung erstmals ins Amt gekommen. Damals löste er nach jahrelangen Massenprotesten die bis dahin regierende Koalition unter Führung der Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) ab. Seitdem hat Abiys Wohlstandspartei PP in mehreren Wahlen große Siege gefeiert. Wahlbeobachter beklagten allerdings wiederholt, dass internationale Standards für faire Wahlen dabei weit unterschritten worden seien. In diesem Jahr boykottierten einige Oppositionsparteien, vor allem in Abiys Heimatregion Oromia, die Abstimmungen und beklagten, dass ihre Kandidaten verhaftet und ihre Büros verwüstet worden seien. In der Unruhe-Region Tigray wurde nicht gewählt, und die Wahlen zu 83 weiteren Parlamentssitzen auf Bundesebene mussten aufgrund von Sicherheits- oder logistischen Problemen verschoben werden.
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Vom gefeierten Friedensstifter zum kritisierten Krisenverschärfer
Nach seinem Amtsantritt war Abiy für seine politischen und gesellschaftlichen Reformen gelobt und für die Annäherung mit dem Nachbarland Eritrea im Jahr 2019 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Jedoch steht Abiy wegen seines Vorgehens in der Krisenregion Tigray und seiner zunehmend autoritären Führung zunehmend in der Kritik.
Tigray: Hunger und Gewalt gegen Frauen
Der Bürgerkrieg um Tigray wird immer mehr zu einem humanitären Desaster. Systematische Gewalt gegen Frauen und Kinder ist laut der Menschenrechtsorganisation Amnesty International weit verbreitet.
Bild: Ben Curtis/AP/picture alliance
Hunderttausende auf der Flucht
Der Kämpfe zwischen der Regionalregierung Tigrays und Äthiopiens Zentralregierung unter Premierminister Abiy Ahmed gehen unvermindert weiter. Hunderttausende sind auf der Flucht, leben in Hunger und sind womöglich Kriegsverbrechen ausgesetzt. Im Juni eroberten die selbsternannten Tigrischen Streitkräfte (TPLF) die regionale Hauptstadt Mekele, die äthiopische Armee zog sich weitgehend zurück.
Bild: YASUYOSHI CHIBA/AFP
Große Hungersnot
Nach UN-Angaben sind 400.000 Menschen in der Region von einer Hungersnot betroffen, weitere 1,8 Millionen Menschen stehen am Rande einer Hungersnot. Abiy bestreitet dies und ließ Hilfslieferungen blockiert. "Diese Unterernährungskrise findet inmitten der systematischen Zerstörung der Infrastruktur für Nahrungsmittel, Gesundheit, Ernährung, Wasser und sanitäre Einrichtungen statt", sagte UNICEF.
Bild: AP
Zerstörung allgegenwärtig
Die Armee der äthiopischen Zentralregierung kämpft Seite an Seite mit Soldaten aus Eritrea - nicht nur gegen die Kämpfer der Separatisten. Vor allem leidet die Zivilbevölkerung Tigrays. Derweil häufen sich die Berichte über mögliche Kriegsverbrechen und Massaker. Ausgebrannte Wagen und zerstörte Häuser gehören zum alltäglichen Bild.
Bild: GIULIA PARAVICINI/REUTERS
Vergewaltigung als Waffe
Der jüngste Report von Amnesty International untermauert dies. Äthiopische Streitkräfte und ihre Verbündeten sollen sich an der Zivilbevölkerung vergangen haben. Frauen seien Opfer von Vergewaltigungen, sexueller Versklavung, Verstümmelung der Genitalien und anderer Folter geworden. Diese Frau erinnert sich an die Worte ihrer Vergewaltiger: "Vergewaltigung reicht nicht" sollen sie gesagt haben.
Bild: Ben Curtis/AP/picture alliance
Massaker und Tote
Die Leichen der Kämpfer von beiden Seiten sind überall zu finden. Mal werden sie notdürftig bestattet, mal in Flüsse geworden oder bleiben einfach an Ort und Stelle liegen. Das Bild zeigt eines der Behelfsgräber eines äthiopischen Soldaten.
Bild: GIULIA PARAVICINI/REUTERS
Immer mehr junge Kämpfer
Für den Widerstand melden sich immer mehr junge Menschen, um den vereinigten Truppen der Zentralregierung und Eritreas entgegenzutreten. Viele der neuen Kämpfer der selbsternannten Tigrischen Streitkräfte sind gerade mal im Teenageralter. Auch Abiy hat die Bevölkerung aufgerufen, sich der Armee anzuschließen.
Bild: YASUYOSHI CHIBA/AFP
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Die politische Lage in dem 115 Millionen Einwohner zählenden Land ist extrem angespannt, seit die Regierung im November 2020 eine Militäroffensive gegen die Volksbefreiungsfront TPLF begann. Diese war bis dahin in der Region Tigray im Norden Äthiopiens an der Macht. Nach monatelangen Gefechten mit tausenden Toten hat sich die Gewalt mittlerweile auf die Nachbarregionen Afar im Osten und Amhara im Süden ausgedehnt. Im weitgehend abgeschotteten Tigray gibt es infolge des Konflikts außerdem eine schwere humanitäre Krise.