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Politik

Óscar Romero: Selig, heilig, ewig

15. August 2017

Erst Kommunist, dann Heiliger? Zum 100. Geburtstag von El Salvadors Nationalheld Óscar Romero am 15. August mehren sich die Anzeichen für eine baldige Heiligsprechung des ermordeten Priesters.

Freude über Seligsprechung Oscar Romeros in El Salvador
Bild: picture-alliance/dpa/O. Rivera

Am 23. Mai 2015 sprach ihn Papst Franziskus selig. Nun könnte der 1980 ermordete Erzbischof Óscar Arnulfo Romero vom Vatikan schon bald zum Heiligen deklariert werden. Das glaubt zumindest Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, Postulator des Heiligsprechungsverfahrens.

"Ich glaube, wir sind an einem guten Punkt", erklärte Paglia jüngst in einem Interview mit Radio Vatikan. Wenn die auf Ortsebene in San Salvador abgeschlossene Überprüfung eines Heilungswunders auch im Vatikan reibungslos verlaufe, könne man für das kommende Jahr hoffen, sagte er.

In seiner Heimat El Salvador wird Erzbischof Óscar Romero als Nationalheld und Vorkämpfer für Frieden und Gerechtigkeit verehrt. Schon bei der Seligsprechung Romeros  vor zwei Jahren stellte El Salvadors Staatschef Salvador Sánchez Cerén klar: "Lateinamerika hat jetzt endlich einen Heiligen! Möge sein Vorbild zur Veränderung des Landes beitragen."

Nationalheld: Zur Feier der Seligsprechung am 23. Mai 2015 strömten Hunderttausende Gläubige nach El SalvadorBild: picture-alliance/dpa/O. Rivera

Vorbild für Barack Obama

Auch international genoss der katholische Priester, der sich für die verarmte Landbevölkerung in seiner Heimat einsetzte und gegen die Gewalt der Militärs predigte, große Anerkennung. 2011 kniete US-Präsident Barack Obama am Grabstein des "Bischofs der Armen" nieder. Die Vereinten Nationen widmeten Romero einen Ehrentag. Das Parlament von El Salvador ernannte ihn 2000 zum "Hochgeschätzten Sohn", britische Abgeordnete nominierten ihn für den Friedensnobelpreis.

Im Vatikan allerdings hatte Romero bis zur Wahl von Papst Franziskus im März 2013 wenig Fürsprecher. Sozialrevolutionäre Priester und Bischöfe, die die Armut ihrer Gläubigen nicht als Gott gegeben hinnehmen, sondern mit Gottes Hilfe lindern wollen, hatten bei Selig- und Heiligsprechungen kaum Chancen.

Am 22. März 2011 besuchte Barack Obama Gedenkstätte und Grabstein von Romero in El SalvadorBild: AP

Kanonische Kehrtwende

Doch der erste lateinamerikanische Pontifex leitete eine kirchenpolitische Wende ein. Nach der Wiederannäherung zwischen Kuba und den USA Ende 2014 sendete Franziskus ein weiteres Signal der politischen Versöhnung aus: Erzbischof Óscar Romero, am 24. März 1980 während einer Messe erschossen, galt nicht mehr als Revolutionär oder Kommunist, sondern als Vorkämpfer für Menschenrechte.

"Die Seligsprechung von Óscar Romero kommt einer neuen Interpretation des Martyriums gleich", kommentierte damals der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff im DW-Interview: "Auch jemand, der mit seinem Leben die Armen verteidigt, ist heilig".

Papst Franziskus hob nicht nur die Blockade gegen die Seligsprechung von Óscar Romero auf. Er kündigte auch an, die Seligsprechung eines weiteren Systemkritikers zu prüfen: Dom Hélder Câmara. Der brasilianische "Rote Bischof von Recife" wetterte bereits in den 1950er Jahren gegen die soziale Ungerechtigkeit und leistete Widerstand gegen die brasilianische Militärdiktatur (1964-1985).

Lateinamerikas vergessene Märtyrer

Óscar Romero, Dom Hélder Câmara, Gustavo Gutiérrez, Jon Sobrino, Leonardo Boff und Erwin Kräutler - die Begründer der Befreiungstheologie aus Lateinamerika leisteten nicht nur Widerstand gegen die Militärdiktaturen in ihrer Region und forderten soziale Gerechtigkeit. Sie stellten auch eine Frage, die bis heute immer wieder aufs Neue beantwortet werden muss: Kann der christliche Glaube die Gesellschaft verändern?

Latino in Rom: Von Papst Franziskus erhoffen sich viele Gläubige weitere Heiligsprechungen von Märtyrern aus der Region Bild: Getty Images/AFP/V. Pinto

Für den Kurienerzbischof Vincenzo Paglia, Postulator des Heiligsprechungsverfahrens von Òscar Romero, lautet die Antwort eindeutig ja. Mehr noch: Er räumt ein, dass der Kalte Krieg auch im Vatikan zu einer ideologischen Polarisierung geführt habe.

Romeros Zuwendung zu den Armen sei von manchen als politische Entscheidung gewertet worden, diktiert von einer marxistischen Analyse, sagte er Radio Vatikan: "Das stimmt jedoch nicht. Die Entscheidung, die Armen zu lieben, um die Welt zu verändern, ist dieselbe, die auch Jesus getroffen hat."

Romero ist der Erste in der langen Warteschlange vergessener lateinamerikanischer Märtyrer. Er erfährt nach jahrelangem Zögern und Zaudern innerkirchliche Anerkennung. Viele Gläubige in der Region hoffen darauf, dass "ihr" Papst noch andere katholische Vorkämpfer für Gerechtigkeit heilig spricht.

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