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Politik

Öcalan und der anhaltende Kampf der PKK

Daniel Heinrich
15. Februar 2019

Vor 20 Jahren wurde Abdullah Öcalan verhaftet. Wie kein Zweiter steht er für die Terrororganisation PKK und deren Kampf für kurdische Unabhängigkeit. Sein Einfluss hat nachgelassen, der Kampf der PKK geht weiter.

Deutschland Kurden Demonstration in Düsseldorf
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kusch

Auch in diesem Jahr sind die Unterstützer von Abdullah Öcalan wieder unterwegs: Rund 130 Kilometer, von Mannheim nach Straßburg, legen die etwa 200 Teilnehmer seit dem vergangenen Wochenende für ihren "Apo" (Onkel) zu Fuß zurück. Unter dem Motto "Freiheit für alle politischen Gefangenen - Gesundheit für Abdullah Öcalan" wollen sie die französische Stadt bis Samstag erreicht haben. Gemeinsam mit weiteren Protestzügen aus Basel und Luxemburg werden sie vor dem Europäischen Parlament auf die Situation Abdullah Öcalans und der Kurden in der Türkei aufmerksam machen. Nach kurdischen Medienangaben sind momentan rund 300 kurdische Häftlinge in der Türkei im Hungerstreik - um bessere Haftbedingungen für Öcalan durchzusetzen.

Trotz solch öffentlichkeitswirksamer Zuneigungsbekundungen habe die tatsächliche Macht Abdullah Öcalans abgenommen, so der Bochumer Politikwissenschaftler und Türkei-Experte Ismail Küpeli gegenüber der DW. Gerade für jüngere Kurden sei "Öcalan eher eine Symbolfigur, die leicht entrückt ist. Das liegt auch daran, dass er während ihres gesamten Lebens immer im Gefängnis gesessen und dort Texte verfasst hat." Öcalan könne nicht aus dem Gefängnis heraus die Fäden der PKK in der Hand halten.

Öcalan (rechts) als aktiver Guerilla-Führer - hier im Libanon 1992Bild: Getty Images/R. Haidar

Vom bewaffneten Konflikt zu Friedensgesprächen

Das war mal anders: 1978 hatte Öcalan mit einer Handvoll Mitstreiter die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gegründet. Ihr Ziel: Die Errichtung eines unabhängigen, sozialistisch orientierten Kurdenstaates. Dafür rief Öcalan 1984 zum bewaffneten Kampf auf und setzte damit eine verheerende Spirale von Gewalt und Gegengewalt zwischen PKK und türkischer Armee in Gang, in deren Folge über 40.000 Menschen getötet wurden.

Erst mit der spektakulären Verhaftung Öcalans vor dem griechischen Konsulat in Kenia durch türkische Sicherheitskräfte am 15. Februar 1999 rückte die PKK von ihrer ursprünglichen Zielsetzung ab. Statt eines kurdischen Staates strebt sie nun die kulturelle Autonomie und lokale Selbstverwaltung der Kurden innerhalb der Türkei an.

Ende 2012 begannen sogar offizielle Friedensverhandlungen zwischen dem türkischen Staat und der PKK-Führung um Öcalan, die im Frühjahr 2015 mit einer Art Friedensfahrplan endeten. Die neugegründete pro-kurdische Partei HDP bot zudem die Chance, den gewaltbeladenen Konflikt mit Worten im Parlament in Ankara zu lösen.

Ende des Waffenstillstands

Doch die Parlamentswahlen 2015 veränderten die politische Dynamik: Die selbstbewusste HDP hatte Wahlkampf gegen die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan gemacht und stark abgeschnitten. Die AKP verlor die absolute Mehrheit, reagierte gereizt, vernachlässigte den Friedensprozess. Zum Erliegen brachte ihn die PKK: Im Juli 2015 richtete sie zwei Polizisten hin, die sie für Komplizen eines IS-Anschlags auf Kurden in Suruç nahe der türkisch-syrischen Grenze hielt. Das türkische Militär bombte daraufhin in den folgenden zwei Jahren ganze Stadtteile kurdischer Städte wie Diyarbakır und Cizre in Grund und Boden.

Die Verantung für die Gewaltspirale, so Ismail Küpeli, sähen die Kurden ganz klar "bei der türkischen Regierung".

Cizre im Südosten der Türkei: Das türkische Militär machte ganze Stadtviertel dem Erdboden gleichBild: Getty Images/C. Erdogan

Die PKK verzichtet ihrerseits nicht auf Gewalt. Obwohl sich die meisten Kämpfer inzwischen großenteils in die Kandil-Berge nahe der Grenze zwischen dem Irak und dem Iran zurückgezogen haben, verüben sie immer wieder blutige Anschläge. Laut einer Zählung der International Crisis Group (ICG) wurden seit Ende des Waffenstillstands im Juli 2015 mehr als 4.300 Menschen getötet.

Angesichts der scheinbar nie endenden, beidseitig befeuerten Gewaltspirale leide vor allen die kurdische Zivilbevölkerung, so Ismail Küpeli: "Wenn sich die türkische Regierung zu erneuten Friedensverhandlungen entschließen könnte, dann würden sicherlich viele Kurden - obwohl sie kein großes Vertrauen in die Autoritäten haben - die PKK dazu drängen, den Friedensprozess wieder aufzugreifen."

Syrien neuer Kriegsschauplatz

Die Strategen in Ankara scheinen allerdings von einem ernsthaften Gedanken an Frieden so weit entfernt wie nie. Im Gegenteil: Die türkische Regierung hat den Konflikt mittlerweile ins Nachbarland Syrien ausgeweitet. Fast gebetsmühlenartig betont Präsident Erdogan, dass die Kurdenmiliz YPG und deren politischer Arm PYD ein Ableger der PKK seien. Genau wie das Original gelten auch die kurdischen Organisationen in Syrien aus Sicht Ankaras als Terrororganisation.

Im Norden Syrien geben kurdische Milizen um die YPG inzwischen den Ton anBild: picture-alliance/dpa/Le Pictorium/MAXPPP/C. Huby

Für Ismail Küpeli, der sich in seinem aktuellen Buch "Kampf um Rojava, Kampf um die Türkei" genau diesem Thema widmet, gibt es zwischen YPG und PKK vor allem ideologische Verbindungen. "Wenn Sie sich in Rojava, in Nordsyrien, bewegen und in Büros der PYD oder YPG gehen, dann sehen Sie natürlich auch Bilder von Öcalan. Allerdings haben die syrischen Kurden andere Interessen und auch andere Erfahrungen mit dem Nationalstaat gemacht als die Kurden in der Türkei." Die Folge sei, dass die Kurden in Nordsyrien dem Assad-Regime gegenüber pragmatisch eingestellt seien. "Der Tenor ist: Man kann mit Damaskus verhandeln. Wenn man sich unterordnet, wenn man bestimmte Regeln befolgt, dann kann man Kompromisse finden" - wie etwa, als Kurden im nordsyrischen Manbidsch Ende Dezember syrische Truppen um Hilfe gegen türkisches Muilitär gebeten haben.

Unter diesen Voraussetzungen haben die Kurden inzwischen eine beachtliche Machtfülle angehäuft, kontrollieren in Nordsyrien ein großes Gebiet an der Grenze zur Türkei und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Da die YPG obendrein als der wichtigste Verbündete der USA in Syrien gilt, hat sich die Kurdenfrage inzwischen zu einem komplexen Geflecht internationaler Interessen ausgewachsen. Für die meisten Kurden in Syrien und in der Türkei scheinen mittlerweile PYD und YPG die hautpstächlichen Kämpfer für ihre Rechte - die PKK wirkt, wie ihr inhaftierter Anführer, inzwischen weitgehend eingehegt. Trotz wortgewaltiger Proteste in Straßburg.

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