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Ökonomischer Tunnelblick

Andreas Becker 27. August 2002

Die 'staatliche Entwicklungshilfe' ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, den Entwicklungsländern auf die Sprünge zu helfen. Ein Hintergrund über unterschiedliche Ansätze und Finanzierungsmodelle.

Hilfe zur SelbsthilfeBild: Ap

Es ist seit Jahren dasselbe Lied: Über Entwicklungshilfe wird zwar viel geredet, aber es wird nur wenig dafür getan. Der Anteil am Bruttosozialprodukt, den die reichen Industrieländer für Entwicklungshilfe ausgeben, ist in den letzten Jahrzehnten gesunken. Die ursprünglich versprochenen 0,7 Prozent scheinen in so weiter Ferne gerückt, dass kaum noch jemand ernsthaft daran glaubt, dieses Ziel wirklich zu erreichen.

Zwei Expertenlager

Über eine Sache ist man sich inzwischen auf den großen UN-Konferenzen einig: dass die Probleme der Welt mit staatlicher Entwicklungshilfe allein nicht zu lösen sind. Gleichzeitig ist die Gruppe der Teilnehmer regelmäßig in zwei Lager gespalten, sagt Professor Gerd Braun, Chefvolkswirt der Deutschen Investions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). "Das erste Lager, das sind die, die auf die Selbstheilungskräfte einer Marktwirtschaft in den Ländern und von Marktwirtschaft international setzen", erklärt er.

Dagegen machen sich die Vertreter des zweiten Lagers für die klassische Variante der Entwicklungshilfe stark: Die Industrieländer müßten endlich das versprochene Ziel erreichen, 0,7 ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Entwicklungshilfe auszugeben. Außerdem fordern sie, den Entwicklungsländern ihre Schulden zu erlassen und mehr Mitspracherecht zu geben in internationalen Institutionen wie Weltbank, IWF und WTO, die immer noch von wenigen Industrieländern dominiert werden. Schließlich findet auch die Tobin-Tax, eine Steuer auf internationale Devisentransaktionen, in diesem Lager ihre Befürworter.

Das eine mit dem anderen

Doch so tief der Graben zwischen beiden Lagern auch scheint: Der DEG-Chefvolkswirt ist überzeugt, dass nur eine Kombination aus beiden Ansätzen die Probleme der Entwicklungsländer dauerhaft lösen kann. So sei es in vielen Entwicklungsländern nötig, Verwaltung und Bankensystem zu verbessern. Dies könne mit staatlicher Entwicklungshilfe geschehen. Anschließend sei es möglich, die dort vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen.

Vom Wert des Besitzes

So besäßen viele Arme ein kleines Grundstück mit einen kleinen Haus, in dem sie lebten. Dieses Land werde jedoch meistens nur landwirtschaftlich genutzt. Eine weitere Entwicklung fände nicht statt, so Braun: "Dieses Vermögen ist nicht aktiviert. Es ist zwar landwirtschaftlich aktiviert, aber nicht ökonomisch aktiviert." Konkret bedeutet dies: Für das Anwesen liegt kein Grundbuchtitel vor. Man kann also nicht mit dem Auszug aus dem Grundbuch zur Bank gehen und sagen: 'Ich würde gerne eine Darlehen aufnehmen. Das Haus ist 50.000 Dollar wert, ich würde gerne ein Darlehen über 10.000 Dollar aufnehmen.' Damit ließe sich dann ein kleiner Lieferwagen kaufen, ein Transportunternehmen betreiben oder einen Kiosk bauen.

Das "tote Kapital der Armen"

Was sich auf den ersten Blick wie eine zu vernachlässigende Größe anhört, übersteigt in manchen Ländern die Höhe gewöhnlicher Entwicklungshilfe bei weitem. Allein in Ägypten wird das "tote Kapital" auf über 240 Milliarden US-Dollar geschätzt, so Professor Braun. Auch Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen hält Braun für ein gutes Mittel zur wirtschaftlichen Entwicklung. Hierbei werde neben dem Geld auch Technologie und Wissen ins Land gebracht. Hinzu komme, dass Direktinvestionen beständiger seien als spekulatives Kapital.

Nachhaltige Aufholjagd

Kritiker bemängeln dagegen, dass nur sehr wenige Länder von diesen Investitionen profitieren. So gehen rund 50 Prozent der Direktinvestitionen in Entwicklungsländer nach China. Ein Grundproblem der Finanzierung von Entwicklunghilfe bleibt allerdings: Viele meinen nämlich, dass pures Wirtschaftswachstum das beste Mittel zur Bekämpfung der Armut sei.

Wachstum ohne Rücksicht etwa auf begrenzte natürliche Ressourcen aber ist ein Strohfeuer: Wenn hier kein Umdenken stattfinde, warnen beispielsweise die Autoren des sogenannten "Jo'burg-Memo" der Heinrich-Böll-Stiftung, dann verabschiede man sich vom Konzept der nachhaltigen Entwicklung zugunsten einer nachholenden Entwicklung. Und nachgeholt würden dann auch alle ökologischen Fehler, die die Industrieländer bereits begangen haben.

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