Der einstige Pleitier Prokon ist sechs Jahre nach Beendigung des Insolvenzverfahrens auf dem Erfolgsweg. Die in eine Genossenschaft umgewandelte Gesellschaft schreibt mit Wind- und Solarenergie schwarze Zahlen.
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Wer einmal insolvent ist, der kommt meist nicht mehr auf einen grünen Zweig. Oft haftet ihm auch später noch das Image des Pleitegeiers an. So auch beim grünen Stromerzeuger Prokon aus Itzehoe in Schleswig-Holstein: "In der Öffentlichkeit assoziieren uns viele mit dem Unternehmen von früher. In Artikeln und Beiträgen werden wir immer noch so behandelt, als würde es uns nicht mehr geben und wir wären vom Markt verschwunden", sagt Kai Jacobsen, Sprecher der seit sieben Jahren als Genossenschaft operierenden Gesellschaft.
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Insolvenz: Managementfehler und Überforderung
Rückblick: Das Unternehmen Prokon hat sich seit Mitte der 1990er Jahre als Entwickler von Windenergieparks in Deutschland einen Namen gemacht. Die Firma floriert und beginnt in den 2000er Jahren in andere Geschäftsfelder zu investieren. Neben der aufwändigen Entwicklung eines eigenen Windrad-Prototyps gehören dazu so abseitige Aktivitäten wie der Kauf von Wäldern in Rumänien. Zur Finanzierung wirbt Prokon mit gut verzinsten Genussscheinen um die Gunst von Anlegern. Mit Erfolg: rund 75.000 Leute zeichnen nach Auskunft des späteren Insolvenzverwalters die Papiere. Das Unternehmen nimmt damit 1,4 Milliarden Euro ein. 2014 dann der Schock: Prokon hat sich übernommen und muss Insolvenz anmelden. Ein entsprechendes Verfahren wird eröffnet.
"Oft endet ein solches Verfahren mit der Liquidation des betroffenen Unternehmens", heißt es beim damaligen Insolvenzverwalter, den Rechtsanwälten Schmidt-Jorzig, Petersen und Penzlin, "also der Verwertung aller noch vorhandenen Vermögenswerte und der Auszahlung der (meist geringen) Erlöse an die Gläubiger."
Wirtschaftliche Alternative zur Liquidation
Doch die Gläubiger von Prokon entschieden sich anders und stimmten einem Insolvenzplan zu, der aus dem Unternehmen eine Genossenschaft machte, die das Kerngeschäft fortführte. Das waren der Betrieb und Bau von Windparks sowie die Versorgung von Endkunden mit Strom. Andere Unternehmensbereiche wie ein Biodieselwerk, die rumänischen Wälder oder die Entwicklung einer eigenen Windenergieanlage wurden eingestellt oder verkauft, um einen Teil der Schulden zu bezahlen.
Der Vorteil dieser Lösung für die Gläubiger, die mit diesem Schritt zu Genossen wurden: Es winkte die Möglichkeit, mittelfristig mit Prokon wieder Geld zu verdienen und so einen Teil des einst investierten Kapitals zurückzubekommen, und zwar mehr als durch die Liquidation möglich gewesen wäre.
Zur Finanzierung des Plans begab das Unternehmen eine Anleihe in Umlauf - mit den bestehenden Windparks besichert - die sie an die Genossen und Ex-Gläubiger ausgab. Sie zahlt einen jährlichen Zins von 3,5 Prozent und baut die Schulden weiter ab. Der Plan: bis 2030 die Altschulden abgetragen zu haben. Zu den rund 40.000 Genossen zählen nicht nur Privatanleger, sondern auch institutionelle Investoren wie die GLS Bank.
Der Wind steht gut für die Genossenschaft
Die neue Prokon schreibe seit fünf Jahren schwarze Zahlen, im Jahr 2021 von 12 Millionen Euro, freut sich Firmensprecher Jacobsen. Das Eigenkapital der Genossenschaft beträgt solide 30 Prozent. Die 40 Windparks im Eigenbestand füllen die Kasse, aktuell Dank der hohen Strompreise mehr denn je. Zudem expandiert das Unternehmen auch ins Ausland. Polen und Finnland sind die Zielmärkte. Dort, so Jacobsen, arbeitet das Unternehmen mit namhaften Investoren zusammen. In Deutschland hat Prokon inzwischen mehr als 614 Megawatt ans Netz gebracht, im Ausland sind es etwas unter 200 Megawatt. Sind die Windparks fertiggestellt, veräußert Prokon sie. In vielen Fällen bleibt die Genossenschaft zu einem gewissen Prozentsatz an den Anlagen beteiligt und übernimmt den Betrieb. Ein Novum in diesem Jahr: Prokon hat in Deutschland drei neue Windenergieanlagen gebaut und zu 100 Prozent im eigenen Bestand behalten. Möglich sei das nur durch die solide finanzielle Basis es Unternehmens, so Kai Jacobsen.
Außerdem hat sich der Windkraftspezialist auch bei der Photovoltaik als Entwickler von Großprojekten etabliert und bereitet ein eigenes Konzept für eine Biomethangas-Anlage vor. 2022 stellte sich Prokon mit der Servicetochter Pros (Prokon Renewable Energy Service) auf eine breitere Basis. Gemeinsam mit Prokon betreut Pros 610 Windenergieanlagen. Zudem hat sich das Unternehmen als Stromanbieter für Haushaltkunden etablieren können. Das Wachstum soll weitergehen: für 2022 ist eine Verdoppelung der Stromproduktion geplant.
"Wir diversifizieren uns in den Geschäftsfeldern, in denen wir uns auskennen. Das ist auch ein Lehrstück aus unserer Geschichte", so Kai Jacobsen. Von anderen Geschäften wie früher aber lassen die heutigen Genossen die Finger. Niemand dürfte gegenüber dem Risiko sensibler sein als die Ex-Gläubiger selbst.
Faszination Windkraft
Vom Surfbrett bis zum Weltkulturerbe: Windenergie macht Sportlern Spaß und ermöglicht weltweit technische Fortschritte.
Bild: Patrick Pleul/picture alliance/dpa
Mit Surfwind zu Gold
Über 90 Kilometer schnell können Windsurfer heute übers Wasser gleiten. Dazu braucht es Kraft, Technik, eine gute Ausrüstung und viel Wind. Hier bei den olympischen Spielen in Tokio holt der niederländische Windsurfer Kiran Badloe die Goldmedaille.
Bild: Olaf Kraak/ANP/picture alliance
Skitour mit Drachenkraft
In Novosibirsk (Russland) sind die Bedingungen für Snow-kiting perfekt. Mit dem Lenkdrachen kommt man hier schnell voran, denn die kalten Winter bieten riesige zugefrorene Flächen und der Wind weht kräftig. Der Geschwindigkeitsrekord liegt bei 111 Kilometer pro Stunde.
Bild: Kirill Kukhmar/TASS/picture alliance/dpa
Rasende Segelwagen
Im Sitzen über den Strand flitzen - das geht mit Segelwagen wie hier auf der Insel Norderney. Für Eisflächen gibt es sie auch mit Kufen. Im historischen China gab es solche Wagen laut Überlieferungen schon im 6. Jahrhundert und in Europa ab dem 17. Jahrhundert. Der schnellste Segelwagen-Pilot ist bisher Richard Jenkins, er fuhr 2009 auf einem Salzsee in Nevada, USA mit 203 km/h Weltrekord.
Mit der emissionsfreien Rennyacht "Malizia" segelte Greta Thunberg 2019 über den Atlantik. 14 Tage brauchte die damals 16-Jähige für die mehr als 5300 Kilometer von Plymouth in England bis nach New York, USA. Die Klimaaktivistin setzte damit ein Zeichen für CO2-freies Reisen Elektrische Energie wird an Bord der "Malizia" mit Solarpaneelen und Unterwasserturbinen erzeugt.
Bild: Andreas Lindlahr/Team Malizia/picture alliance/dpa
Berühmte Mühlen in Spanien
Mit solchen Windmühlen kämpfte der tragikomische Held des berühmten Ritterromans Don Quijote: Sinnbild für einen vergeblichen Kampf gegen eingebildete Gegner. Im 16. Jahrhundert gab es besonders viele Mühlen im windreichen Kastillien-La Mancha in Zentralspanien. Die Flügel waren mit Segeltuch bespannt und trieben Getreide-Mahlwerke für Mehl an.
Bild: Meng Dingbo/ Xinhua/picture alliance
Wasserpumpen als Weltkulturerbe
Diese Windanlagen in der Nähe von Rotterdam (Niederlande) sind Meisterwerke der Technik. Sie wurden im 18. Jahrhundert gebaut, um durch Pumpen tiefliegendes Land zu entwässern. Dort konnte Landwirtschaft betrieben werden, der Wohlstand wuchs. Heute sind diese Windpumpen UNESCO Weltkulturerbe. Die meisten der über 1000 Windmühlen in den Niederlanden drehen sich übrigens links herum.
Bild: Sem van der Wal/ANP/picture alliance
Wiege der modernen Windkraft
Hier in Palm Springs (Kalifornien) begann ab 1980 die moderne Stromerzeugung mit Wind. Tausende der dreiflügligen Anlagen wurden gebaut. Die Veteranen der modernen Technik ziehen bis heute Touristen an. Sie hatten eine vergleichsweise kleine Leistung von nur 25 Kilowatt, heute produzieren Windräder 500 Mal mehr. Auch in Deutschland und Dänemark startete ab den 80er Jahren die Windkraft durch.
Bild: Will Lester/ZUMAPRESS/picture alliance
Selfie mit Windrad
Touristen fotografieren sich mit den Windanlagen eines Windparks in Guangxi, China. Wie kein anderes Land weltweit treibt China die Windkraft seit Jahren voran, 2020 wurden hier Anlagen mit einer Kapazität von 53 Gigawatt neu errichtet.
Bild: Qin Qinghe/Costfoto/picture alliance
Forschung für schwimmende Türme
Schwimmende Windtechnik ermöglicht den Bau von Anlagen auch bei großer Wassertiefe. Diese Modellanlage in der Ostsee mit zwei Rotoren ist 18 Meter hoch. In Originalgröße soll die Anlage 180 Meter hoch werden und 15.000 Kilowatt Leistung haben. Energiekonzerne investieren kräftig in die Technik und forschen. 2022 soll die erste Großanlage vor der chinesischen Küste getestet werden.
Die Stromerzeugung mit Kleinwindanlagen ist heute zwar etwas teurer als mit Solarmodulen. Trotzdem sind solche Anlagen manchmal sinnvoll, vor allem in Kombination mit Solarmodul und Batterie. Dann sind teure Stromleitung überflüssig und der Strom wird gleich vor Ort erzeugt. Diese Anlage steht am Flußufer der Millionenstadt Xianghang in China.
Bild: Li Fuhua/VCG/dpa/picture alliance
Ästhetische Stromerzeugung
Ein Blickfang sind diese Windanlagen am Hamburger Hafen. Drei geschwungene Rotorblätter drehen sich um die eigene Achse und produzieren so Strom. Bei dieser Technik geht allerdings etwas Energie verloren, da immer ein Rotorblatt gegen den Wind steht. Das macht solche Anlagen weniger effizient. Die außergewöhnliche Form dieser Windturbine wirkt jedoch wie ein Kunstwerk.
Bild: Joko/Bildagentur-online/picture alliance
Strom mit Lenkdrachen
Lenkdrachen können Sportler und Schiffe ziehen. Doch dieser hier in Norddeutschland macht Strom. Während der Drache aufsteigt, erzeugt der Zug des Seils an einer Winde per Generator Strom. Oben wird der Drache aus dem Wind gedreht und wieder heruntergeholt, beim nächsten Aufstieg erzeugt er wieder Strom. Erprobt wird die Technik in Kooperation mit Europas größtem Kohlekonzern RWE.
Bild: SkySails Group GmbH
Ende und Aufbruch
Die Kohlekraft prägte die letzten 200 Jahre, doch der Klimawandel erfordert ein schnelles Ende fossiler Energieerzeugung. Einige Länder sind aus der Kohle bereits ausgestiegen, Deutschland will bis 2030 folgen. Der Strombedarf soll vor allem mit Solar- und Windkraft gedeckt werden.