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Mehr Ökostrom, weniger CO2-Ausstoß

7. Januar 2020

46 Prozent des Stroms in Deutschland kamen 2019 aus erneuerbaren Energien, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Zugleich sank der Kohleverbrauch um mehr als 20 Prozent - und damit auch die CO2-Emissionen. Reicht das?

Deutschland | Symbolbild Erneuerbare Energien
Bild: imago images/photo2000

Im letzten Jahr gab es so viel Ökostrom im deutschen Netz wie nie zuvor. Laut einer Analyse des Fraunhofer-Institus für Solare Energiesysteme ISE lag der Anteil der erneuerbaren Energien im deutschen Strommix im Jahresdurchschnitt bei 46 Prozent, an vielen Tagen sogar über 65 Prozent. Hilfreich für den Klimaschutz war der deutliche Rückgang des Kohleanteils. Im Vergleich zum Vorjahr sank der Anteil von Strom aus Braunkohle um 22 Prozent und aus Steinkohle um 33 Prozent in Deutschland.

Weniger CO2 durch weniger Kohlekraft

Die Stromgewinnung aus Kohle sank in Deutschland 2019 aus mehreren Gründen: Zum einen gab es 2019 viel Wind, es wurde mehr Windstrom produziert, folglich wurde weniger Kohlestrom gebraucht. Zum anderen wurde Strom aus Kohle durch den Preisanstieg für CO2- Zertifikate deutlich teurer und damit unrentabler. 

Der Preis für Verschmutzungsrechte lag 2018 bei durchschnittlich 16 Euro je Tonne CO2 und stieg im Jahr 2019 auf 25 Euro je Tonne. Da Gaskraftwerke bei der Verbrennung weniger CO2 freisetzen, wurde die Stromerzeugung mit Gas für die Energieversorger im In- und Ausland lukrativer und verdrängte so die Erzeugung mit Braun- und Steinkohle.

Laut einer ersten Einschätzung der AG Energiebilanzen (AGEB) sank vor allem durch diese Effekte der CO2-Ausstoß in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 50 Millionen Tonnen, um sieben Prozent.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) zeigt sich über diese Entwicklung erfreut und betont den Erfolg politischer Maßnahmen wie der vereinbarten Abschaltung von Braunkohleblöcken und der Reform des europäischen Emissionshandels. Kohlestrom sei nun teurer und klimafreundliche Alternativen attraktiver: "Jetzt kommt es darauf an, dass die Koalition die gesetzlichen Weiterentwicklungen zum Ausbau der Wind- und Sonnenenergie schafft", mahnt die Umweltministerin. "Es macht mir Sorge, dass wir hier schon zu viel Zeit verloren haben und damit Chancen im Klimaschutz, aber auch Arbeitsplätze in der Windbranche gefährden."

Der Trend zur Steigerung der erneuerbaren Energien und Senkung der Kohleverstromung gehe grundsätzlich "in die richtige Richtung", sagt Claudia Kemfert, Professorin für Energieökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), im Gespräch mit der DW. Zugleich mahnt sie aber auch vor einem trügerischen Eindruck: "Der Ausbau der Windenergie ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen, es sind dringende Maßnahmen notwendig, um einen vollständigen Fadenriss in der Ökostromherstellung zu vermeiden. Deutschland droht eine Ökostrom-Lücke, sollte nicht gegengesteuert werden."

Regierungsziel noch erreichbar?

Die Regierung Merkel versprach für 2020 eine CO2-Minderung von 40 Prozent im Vergleich zu 1990. Nach der vorläufigen Schätzung von AGEB lag die CO2-Minderung 2019 bei 35 Prozent.

Sorge bereitet Klimaexperten der Verkehr in Deutschland. Hier konnten die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 bisher nicht gesenkt werden, und der Absatz von Diesel-, Benzin und Kerosin stieg auch 2019 laut AGEB weiter. "Vor allem sollten der Verkehrssektor und der Gebäudesektor mehr zur Emissionsminderung beitragen", betont Kemfert. "Der Schienenverkehr und der öffentliche Personenverkehr sollten deutlich stärker als jetzt gefördert werden. Zudem brauchen wir eine verbindliche Quote für Elektrofahrzeuge bei der Zulassung von Neufahrzeugen, den Ausbau der Lade-Infrastruktur, eine Verschärfung der EU-Emissionsgrenzwerte und eine Klima-Maut."

Wer viel fährt und entsprechend viel CO2 oder Feinstaub ausstößt, "soll für die gesellschaftlichen Umwelt- und Gesundheitskosten zukünftig entsprechend aufkommen", so Kemfert. Der von Bundesrat und Bundesregierung festgelegte Preis für CO2 auf Diesel, Benzin und Erdgas auf 25 Euro pro Tonne CO2 ab 2021 und schrittweisen Anhebung auf 55 Euro bis 2025 "geht in die richtige Richtung. Der CO2-Preis muss aber noch weiter erhöht werden. Das Klimapaket muss in all diesen Bereichen nachgeschärft werden", betont Kemfert.

Deutschland könnte die versprochene CO2-Minderung in diesem Jahr noch erreichen, wenn die Politik "massiv umsteuert", sagt Tina Löeffelbein, Pressesprecherin von Greenpeace, der DW. Der "entscheidende Schlüssel dafür ist hierbei die konsequente Abschaltung der besonders schmutzigen Braunkohle", so Loeffelbein.

Für die Umweltorganisation Germanwatch sind die aktuellen Zahlen "auf den ersten Blick eine gute Nachricht. Es ist ermutigend, dass das hochindustrialisierte Deutschland inzwischen fast die Hälfte seines Stroms aus den Erneuerbaren bezieht, bei positiven Begleiteffekten für die Wirtschaft", sagt Oldag Caspar, Experte für Europäische Klimapolitik bei Germanwatch, gegenüber der DW.

Allerdings hätte Deutschlands Solar- und Windkraft deutlich "schneller sein können und müssen, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Der künstliche Ausbaudeckel bei der Photovoltaik und das schlechte Management der Bundesregierung beim Windkraftausbau haben das Wachstum der Erneuerbaren gebremst", so Caspar. 

"Wenn massiv umgesteuert wird", wäre laut Kemfert die gesetzte Zielmarke von 40 Prozent CO2-Minderung gegenüber 1990 noch erreichbar. Dafür müsste "das Ausbautempo erneuerbarer Energien mindestens vervierfacht, der Kohleausstieg eingeleitet werden, alte und effiziente Kohlekraftwerke sofort vom Netz gehen. Kohlekraftkapazitäten müssten gedrosselt und neuer Tagebau verboten werden."

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