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Politik

Öl-Bosse wegen Korruption vor Gericht

Martina Schwikowski
11. Mai 2018

In Mailand hat der Korruptions-Prozess gegen Mitarbeiter der Öl-Konzerne Shell und Eni begonnen. Auch in Lagos klagt eine Umweltgruppe. Sie will erreichen, dass den Firmen die Förderlizenz aberkannt wird.

Öl Industrie
Bild: public domain

Die italienische Mode-Metropole Mailand soll ab Montag Schauplatz für einen monatelangen Prozess sein, der sich mit schmutzigen Geschäftspraktiken in der Mineralölindustrie beschäftigt. Die Mailänder Staatsanwaltschaft wirft Verantwortlichen der italienischen Firma Eni und des britischen Unternehmens Shell vor, für eine lukrative Förderlizenz in Nigeria Schmiergelder in Millionenhöhe bezahlt zu haben. Jetzt müssen sich 15 Angeklagte - größtenteils Mitarbeiter der beiden Ölkonzerne - wegen mutmaßlicher Korruption vor Gericht in Italien verantworten.

Aber nicht nur dort wird vor Gericht verhandelt. Zweiter Anklageschauplatz für die Öl-Giganten ist ein Bundesgericht im nigerianischen Wirtschaftszentrum Lagos: Dort kämpft die Menschenrechtsgruppe HEDA (Human & Environmental Development Agenda) gegen die Ölkonzerne. HEDA strebt an, dass Shell und Eni die Förderlizenz für das Öl entzogen wird. In beiden Gerichtsverfahren geht es um einen Vorgang aus dem Jahr 2011. Damals zahlten Shell und Eni 1,3 Milliarden US-Dollar auf ein Konto der nigerianischen Regierung ein. Mit dieser Summe wollten sich die beiden Konzerne die Rechte an dem Ölfeld mit der Bezeichnung OPL245 sichern, das laut Berechnungen der Ölkonzerne bis zu drei Milliarden US-Dollar wert sein soll. Ein Großteil der Zahlungen floss jedoch nicht in die nigerianische Staatskasse, sondern an die Firma "Malabu Oil & Gas".

Ex-Ölminister untergetaucht

Der nigerianische Staat habe bereits in einem Gerichtsprozess in England erklärt, dass der Kauf der Förderlizenz für das riesige Ölfeld 2011 unrechtmäßig gewesen sei, sagt HEDA-Sprecher Lanre Suraju in einem DW-Interview. Vom Kaufpreis sollen 520 Millionen Dollar in Bargeld umgewandelt worden und als Schmiergelder an Politiker geflossen sein, so die Vorwürfe. Beim nigerianischen Staat sollen am Ende nur 210 Millionen Dollar angekommen sein. Der Kopf hinter "Malabu Oil & Gas" hieß Dan Etete, der in den 1990er Jahren unter Nigerias ehemaligem Diktator Sani Abacha Ölminister war. In dieser Funktion erwarb er angeblich 1998 die Förderlizenz  und übertrug sie an seine Firma. Etete ist 2007 in Frankreich wegen illegaler Geldgeschäfte verurteilt worden. Auch er soll sich in Mailand vor Gericht verantworten, doch laut Lanre Suraju ist Etete untergetaucht.

Dan Etete (r.) soll bei der Verteilung der Bestechungsgelder eine zentrale Rolle gespielt habenBild: picture-alliance/dpa/G. Barbara

HEDA will mit dem Prozess mehr Druck auf die nigerianische Regierung ausüben, gegen die beschuldigten Ölfirmen vorzugehen. "Wir wollen die Akteure in dem berüchtigten Malabu-Skandal enthüllen, in dem Gesetze und Richtlinien gebrochen und ignoriert worden sind", begründet Suraju. Er ist optimistisch, den Prozess gewinnen und damit einen Präzedenzfall schaffen zu können. Das Gericht in Lagos hat nach einem Anhörungstag den Prozess auf den 13. Juni vertagt.

Kein Eingeständnis der Schuld

In Mailand wirft der Ankläger Eni-Geschäftsführer Claudio Descalzi und den mitangeklagten Managern beider Ölkonzerne vor, gewusst zu haben, dass der größte Teil der 1,3 Milliarden US-Dollar  als Schmiergelder verteilt würde. Davon soll auch der damalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan profitiert haben. Die Firmen wiegeln nach wie vor ab: Unabhängige Untersuchungen zeigten keine Verwicklungen. Alle Zahlungen seien lediglich an die Regierung geleistet worden. "Eni hat keine Abkommen mit Malabu getroffen", sagt Pressesprecher Roberto Albini auf Nachfrage der DW.

Der Shell-Konzern reagiert ähnlich: "Wir glauben, dass es keine Basis für eine Verurteilung von Shell und seiner ehemaligen Mitarbeiter gibt", sagt Konzernsprecherin Anna Haslam der DW. Sollten Beweise am Ende zeigen, dass Malabu oder andere Personen vorschriftswidrige Zahlungen an damalige Regierungsmitglieder geleistet und dafür Gegenleistungen erhalten hätten, sei dies ohne Wissen oder Anweisung von Shell geschehen.

Wegweisender Prozess

Laut der britischen Umwelt-Organisation "Global Witness" hat Shell bereits eingeräumt, mit dem verurteilten Geldwäscher Dan Etete Geschäfte gemacht zu haben. Vertrauliche E-Mails eines ehemaligen Shell-Mitarbeiters waren im April 2017 der Organisation zugespielt worden. "Global Witness" veröffentlichte die Emails. Sie sollen eine direkte Verbindung zwischen der Chefetage des Ölkonzerns und dem vorbestraften Nigerianer belegen. Mit den Emails konfrontiert, räumte Shell gegenüber der "New York Times" ein, keine andere Wahl gehabt zu haben, als sich mit Etete und der Firma Malabu auseinanderzusetzen - dennoch sei alles legal abgelaufen.

Geht es nach HEDA, verlieren Shell und Eni ihre Lizenzen für die Ölförderung in NigeriaBild: DW/A. Kriesch

Für Barnaby Pace, Leiter der Ermittlungen bei Global Witness, ist der Mailänder Prozess wegweisend: "Noch nie standen Firmen dieser Größenordnung wegen Korruption vor Gericht. Manager von anderen Ölfirmen sollten echt besorgt sein, dass sie mit korrupten Geschäften im Gefängnis landen können." Das Verfahren gebe auch den Opfern Hoffnung. "Dieser Deal mit Shell und Eni kostete die Menschen in Nigeria eine Summe, so hoch wie die öffentlichen Gesundheitsausgaben des Jahres 2017", sagt Pace im DW-Interview. "Dabei stirbt eines von zehn Kindern im Land vor dem fünften Geburtstag."

Viele Nigerianer sind verärgert. Die Korruption müsse drastisch bekämpft und bestraft werden, sagt Edward Kianagbo im DW-Interview. "Der Ölreichtum im Niger-Delta sollte allen Nigerianern zu Gute kommen."

Mitarbeit: Muhammad Bello