Ölpreis und Aktienmärkte im freien Fall
9. März 2020Der dramatische Ausverkauf an den Börsen geht weiter. Zu den Sorgen um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie kommt die Furcht vor einem Ölpreiskrieg. Händler sprachen angesichts des Börsencrashs von einem "schwarzen Montag". Der Dax fiel am Montag zeitweise um mehr als acht Prozent auf ein 14-Monats-Tief von 10.558,17 Punkten und steuerte auf den größten Tagesverlust seit den Anschlägen auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 zu. Sie könnten die Fülle der Hiobs-Botschaften nicht mehr angemessen verarbeiten, sagte Portfoliomanager Thomas Böckelmann vom Vermögensverwalter Euroswitch.
An der Wall Street fiel der bestimmende Dow Jones-Index zum Handelsauftakt um sieben Prozent, das ist größte Kursrutsch seit zehn Jahren. Der Handel wurde daraufhin für 15 Minuten ausgesetzt.
Der deutsche MDax der mittelgroßen Börsentitel büßte am Montag 6,80 Prozent auf 23 068,82 Punkte ein. Der EuroStoxx 50, der Leitindex der Eurozone, fiel um 5,66 Prozent auf 3049,06 Zähler. Zuvor waren die Börsen in Asien eingebrochen. Der japanische Leitindex Nikkei verlor gut fünf Prozent.
Auch an anderen Börsenplätzen der Region gaben die Kurs teils deutlich nach. Die Aktienkurse an der Börse in Seoul rutschten um mehr als vier Prozent. Der Leitindex ging um 85,45 Punkte oder 4,2 Prozent auf den Schlussstand von 1954,77 zurück. In China büßte der Shanghai Composite Index deutlich um 3,01 Prozent auf 2943,29 Punkte ein. Der Shenzhen Component Index ging mit einem Verlust von 4,09 Prozent bei 11 108,55 Punkten aus dem Markt.
Händler ziehen bereits Vergleiche zum Börsencrashs von 1929 und 1987 und sprechen von einem "schwarzen Montag". "Obwohl in China die Infektionszahl ein Plateau erreicht zu haben scheint, rollt die Corona-Welle weiter und noch ist nicht abzusehen, wann dies ein Ende hat", schreibt Analyst Ralf Umlauf von der Landesbank Helaba. "Die Verunsicherung ist hoch und die Perspektiven für Konjunktur und Märkte schwer abzuschätzen, zumal jetzt noch die Ölpreise kräftig fallen."
Die jüngste Umfrage der Stimmungsforscher von Sentix unterstreicht das: Die Anlegerstimmung in der Eurozone brach im März so stark ein wie nie zuvor in einem Monat und fiel auf den niedrigsten Wert seit April 2013. "Nach zweistelligen Kursverlusten in Rekordzeit fragt man sich, ob ein Bärenmarkt überhaupt noch verhindert werden kann", erklärt Marktstratege Clemens Schmale von Godmode Trader. Damit meint er, ob wir derzeit den Beginn eines längeren Abwärtstrends sehen oder lediglich einen kurzfristigen Rückschlag in einem langfristig intakten Aufwärtstrend.
Öl-Preiskrieg zwischen Russland und Saudi-Arabien
Am Ölmarkt brach nach den gescheiterten Verhandlungen über eine Drosselung der Fördermenge der Ölpreis um 30 Prozent ein - der stärkste prozentuale Einbruch seit 1991. Portfolio-Manager Thomas Altmann von QC Partners sprach von einem "regelrechten Blutbad. Zum Kampf gegen Corona kommt jetzt noch der Ölkrieg dazu", sagte er. "Anleger fliehen aus allem, was Risiko hat."
Als Ursache für den Einbruch gelten die gescheiterten Verhandlungen des Ölkartells Opec mit den in der sogenannten Opec+ zusammengefassten Förderländern wie Russland. Am Freitag konnten sich die Verhandlungspartner der Opec+ überraschend auf keine neue Vereinbarung einigen. Selbst eine Verlängerung der bestehenden Förderbeschränkung fehlte in der Abschlusserklärung der beteiligten Staaten. Darüber hinaus scheint der Streit zwischen Saudi-Arabien und Russland über die künftige Fördermenge weiter zu eskalieren. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf namentlich nicht genannte Insider berichtet, könnte Saudi-Arabien die Fördermenge in den kommenden Monaten erhöhen. Demnach könnte die Fördermenge des führenden Opec-Landes bis auf eine neue Rekordmarke von zwölf Millionen Barrel pro Tag erhöht werden, hieß es.
Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Montag unter Berufung auf namentlich nicht genannte Teilnehmer der russischen Delegation bei den Verhandlungen der Opec+ in Wien berichtete, ist die Abkehr Russlands von dem Ölkartell auch als Kampfansage an die Vereinigten Staaten zu verstehen. In den vergangenen Monaten hatten demnach neue Sanktionen aus Washington für Unmut in der russischen Regierung gesorgt. Unter anderem wurde auf die im Februar verhängten Strafmaßnahmen der USA gegen eine Tochtergesellschaft der russischen Rosneft verwiesen. Der durch die Entscheidung Moskaus ausgelöste Ölpreisverfall dürfte auch Folgen für die amerikanische Förderung durch die Fracking-Methode haben. Bei dieser Methode wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien unter hohen Druck in Gesteinsschichten gepresst, um so Öl zu gewinnen. Sie ist vergleichsweise kostspielig und rentiert sich nur bei eher hohen Preisen.
Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent kostete zuletzt 32,83 US-Dollar. Damit lag der Preis 12,44 Dollar niedriger als am Freitag. Der Preis für amerikanisches Rohöl der Sorte WTI sackte um 12,44 Dollar auf 28,84 Dollar.
hb/iw (dpa/rtr)