Österreich: Erste Regierung aus drei Parteien
27. Februar 2025
Nun soll alles ganz schnell in Österreich gehen. Die Parteichefs von konservativer Volkspartei (ÖVP), Sozialdemokraten (SPÖ) und liberalen NEOS stellten in Wien der Öffentlichkeit ihr geplantes Regierungsprogramm vor. Es trägt den Titel: "Jetzt das Richtige tun. Für Österreich." Zuvor hatten ÖVP-Chef Christian Stocker, der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler und NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger Bundespräsident Alexander Van der Bellen über ihre gesetzten Schwerpunkte informiert.
Asylrecht soll verschärft werden
So will die Dreiparteien-Koalition unter anderem Verschärfungen im Asylrecht umsetzen. Damit sollten irreguläre Migration und der Missbrauch des Asylsystems verhindert werden, heißt es in dem mehr als 200 Seiten umfassenden Regierungsprogramm. Der Familiennachzug soll im "Einklang mit Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention" vorübergehend gestoppt werden, um "Sozialmissbrauch zu verhindern und die österreichischen Systeme vor einer Überlastung zu schützen". Zudem sollen sogenannte Rückkehrzentren geschaffen werden, um das "Untertauchen" abgelehnter Asylwerber zu verhindern. Darüber hinaus sollen Konzepte mit Drittstaaten zur Verhinderung von illegaler Migration vorangetrieben werden.
Kopftuchverbot für Mädchen, Strafrecht verschärft
Als sogenannte Integrationsmaßnahme sollen Mädchen bis 14 Jahre in Österreich kein Kopftuch mehr tragen dürfen. Ein entsprechendes Verbot werde erarbeitet, um Mädchen "vor Segregation (Abgrenzung) und Unterdrückung" zu schützen, heißt es im Programm.
Vor dem Hintergrund des jüngsten Terroranschlags in Villach im südlichen Bundesland Kärnten und der mutmaßlichen Verhinderung einer Attacke in Wien wollen die drei Regierungspartner zudem das Strafrecht verschärfen. Die Sicherheitsbehörden sollen so mehr Handhabe bekommen, verstärkt gegen religiösen Extremismus vorgehen zu können.
Darüber hinaus soll das Haushaltsbudget so konsolidiert werden, dass ein EU-Defizitverfahren verhindert werden kann.
Vereidigung für Montag geplant
Schon am kommenden Montag könnte die neue Regierung in Österreich vereidigt werden. Allerdings müssen vorher noch die Parteigremien grünes Licht geben. Am Freitag tagen SPÖ und ÖVP. Die größte innerparteiliche Hürde müssen die NEOS nehmen. Hier soll am Sonntag eine Mitgliederversammlung über die Koalition entscheiden. Für die Annahme ist eine Zweidrittelmehrheit notwendig. NEOS-Chefin Meinl-Reisinger sagte, sie sei "sehr zuversichtlich", dass das Programm, das auch vom Reformwillen geprägt sei, gebilligt werde.
Erste Koalitionsverhandlungen der drei Parteien waren im Januar noch gescheitert. Die ÖVP nahm anschließend Gespräche mit der rechtspopulistischen FPÖ auf, die bei der Parlamentswahl Ende September mit 28,85 Prozent stärkste Kraft geworden war, vor den Konservativen. Doch auch diese Verhandlungen wurden abgebrochen, da sich beide Seiten bei der Verteilung der Ministerien und bei außenpolitischen Positionen nicht einigen konnten.
"Die vielleicht schwierigsten Regierungsverhandlungen"
Der künftige Bundeskanzler Stocker betonte bei der Vorstellung des Regierungsprogramms, es sei gelungen, das Wohl des Landes über die Parteiinteressen zu stellen. "Hinter uns liegen die vielleicht schwierigsten Regierungsverhandlungen in der Geschichte unseres Landes."
SPÖ-Chef Babler, der Vizekanzler werden soll, sagte, er sei froh und stolz über den Regierungspakt, "nicht nur, weil dieser Zusammenhalt der konstruktiven Kräfte Herbert Kickl als Kanzler und die rechtsextreme FPÖ in den wichtigsten Institutionen unseres Landes verhindert". Die drei Parteien hätten einen Kompromiss gefunden, um Antworten auf die Rezession, das Budgetdefizit und die Teuerungskrise zu liefern.
se/wa (dpa, afp, rtr, orf)