Österreich: Neue Suche nach einer Regierung in Wien
13. Februar 2025
Im September war in Österreich ein neues Parlament gewählt worden - doch eine neue Regierung ist nach wie vor nicht in Sicht. Am Mittwoch informierte Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Öffentlichkeit, dass die Koalitionsverhandlungen zwischen der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei (FPÖ) und der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) gescheitert sind. FPÖ-Chef Herbert Kickl hatte zuvor den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgegeben. Seine Partei war aus der Nationalratswahl vor der ÖVP als stärkste Kraft hervorgegangen.
An diesem Donnerstag wird Van der Bellen laut Medienberichten zunächst die Parteichefin der liberalen NEOS, Beate Meinl-Reisinger, an seinem Amtssitz in Wien, der Hofburg, empfangen. Die NEOS hatten nach der Wahl Koalitionsverhandlungen mit ÖVP und Sozialdemokraten (SPÖ) geführt, waren dann aber Anfang Januar ausgestiegen.
Anschließend will das Staatsoberhaupt mit Grünen-Chef Werner Kogler und dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler sprechen. Ob ÖVP-Chef Christian Stocker an diesem Donnerstag ebenfalls in die Hofburg kommen wird, ist offen.
Konkret gebe es nun vier Optionen, wie es weiter gehen könne, sagte Van der Bellen, ohne dies zu gewichten oder zu bewerten. Er sprach von Neuwahlen frühestens in einigen Monaten, einer vom Parlament tolerierten Minderheitsregierung, einer Expertenregierung oder eben doch einer tragfähigen Koalition der im Nationalrat vertretenen Parteien.
"Der Kompromiss ist eine Art Kulturgut"
Der Bundespräsident appellierte an die Kompromissbereitschaft der verschiedenen politischen Lager, um eine Lösung zu finden. "Der Kompromiss in Österreich ist ein Schatz, eine Art Kulturgut, mit dem wir immer gut gefahren sind", sagte Van der Bellen. Gemeinsam tragfähige Lösungen zu finden und auf andere zuzugehen, sei in der Vergangenheit immer wieder ein Erfolgsrezept des Landes gewesen.
"Ein Verhandlungsprozess ist kein Wettkampf, in dem es nur um Gewinner und Verlierer geht", betonte der ehemalige Grünen-Politiker Van der Bellen weiter. "Es geht nicht um die Menschen oder die Parteien, die verhandeln - es geht um das Staatsganze."
Parteien seien immer weniger bereit, Einigungen zu erzielen, kritisierte er. Die politische Landschaft polarisiere sich - nicht nur in Österreich - und werde unversöhnlicher. Aber die liberale Demokratie lebe vom Kompromiss und vom Ausgleich unterschiedlicher Interessen.
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Zuvor hatten rechtsextreme FPÖ und ÖVP der jeweils anderen Seite die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen gegeben. Einer der Knackpunkte war, dass die Rechtspopulisten und die Konservativen jeweils das Finanz- und das Innenministerium für sich beanspruchten. Bei einer Einigung hätte die FPÖ mit Kickl erstmals den Bundeskanzler gestellt.
ÖVP-Chef Stocker sagte, die Gespräche seien letztlich an der Haltung von Kickl gescheitert. Die FPÖ sei erster bei der Wahl geworden, "aber das rechtfertigt keinen Anspruch auf die gesamte Macht". Der ÖVP-Chef fügte hinzu, seine Partei sei weiter bereit, Verantwortung zu übernehmen.
Kickl beschuldigte hingegen die ÖVP, auf zu vielen Schlüsselressorts bestanden zu haben. Er habe dem Staatspräsidenten rasche Neuwahlen empfohlen, sagte der FPÖ-Chef.
se/AR (orf, rtr, dpa, afp)