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Politik

Österreich: Van der Bellen im Amt

Christian Bartlau
26. Januar 2017

Vergessen der hochemotionale Sieg gegen den FPÖ-Mann Norbert Hofer - die Amtseinführung des Präsidenten Alexander Van der Bellen wird überschattet von der Regierungskrise in Österreich. Es riecht nach Neuwahlen.

Österreich Amtsantritt Bundespräsident Alexander van der Bellen in Wien
Bild: picture-alliance/dpa/H. Neubauer

Auch wenn sie die Hände tief in die Jacken graben mussten, um sich vor dem eisigen Wind zu schützen – die paar Minuten konnten seine Anhänger dann auch noch warten. Über ein Jahr hat es schließlich gedauert, bis aus dem Kandidaten Alexander Van der Bellen der Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde. Am Donnerstag leistete er seinen Amtseid im Parlament, den Weg hinüber in die Hofburg wollte er zu Fuß zurücklegen und lud seine Anhänger zum gemeinsamen Spaziergang ein. Rund eintausend Menschen folgten seinem Aufruf, jeder Zweite trug Fan-Kleidung, viele graue Mützen mit "Van der Bellen"-Schriftzug waren zu sehen, einige hüllten sich sogar in Fahnen mit dem Aufdruck "Mehr denn je – VdB".

"Für uns ist das ein freudiger Moment", sagt Margit K., die im Krankenhaus arbeitet und extra ihren Schichtdienst verschoben hat, um hier zu sein. "Ich sehe Österreich mit ihm auf einem guten Weg. Mit Hofer wären die Rechten gestärkt worden." Nach FPÖ-Schlappe in Österreich: Europa atmet aufEs war vor allem diese Angst vor Norbert Hofer, dem Rechtspopulisten von der FPÖ, die Van der Bellen den Sieg brachte. Fast jeder Zweite, das ergaben Umfragen, wählte den Grünen nur, um Hofer zu verhindern. Die 51-jährige Margit K. hat im Wahlkampf sogar "Stimmungsmache" betrieben, wie sie sagt - mit Bekannten gesprochen, in sozialen Netzwerken Artikel geteilt. "Dabei bin ich sonst nicht politisch aktiv."

Extra den Dienst verschoben - Margit K. und ihr Mann, wollten Van der Bellen ins Amt begleitenBild: DW/C. Bartlau

Doch auch wenn Van der Bellen und seine Anhänger an diesem kalten Donnerstag noch einmal den Sieg vom Dezember feiern - das bestimmende Thema ist auch hier die Kommentar: Trotz Van der Bellens Sieg kein Durchatmen in Österreichpolitische Krise in der Regierungskoalition. Schneller, als es ihm lieb sein kann, könnte Van der Bellen deswegen zur schwierigsten Entscheidung gezwungen sein, die ein Bundespräsident fällen muss.

"Der Streit wird alles überlagern"

An Nachrichten über Missstimmungen in der Koalition hat sich die österreichische Öffentlichkeit gewöhnt, auch die Gerüchte über Neuwahlen erregen keine größere Aufregung mehr. Doch was SPÖ-Kanzler Christian Kern Anfang der Woche sagte, erreichte dann doch eine neue Qualität: Wenn sich SPÖ und der Koalitionspartner ÖVP nicht bis Freitag auf einen Plan für die restliche Legislaturperiode bis Herbst 2018 einigten, "dann braucht es diese Regierung nicht mehr." Der Höhepunkt in einer Reihe von Scharmützeln, die sich die Große Koalition in den vergangenen Monaten lieferte. Dabei ging es nicht nur um inhaltliche Themen, offenbar griffen beide Seiten tief in die Schmutzkübel. Die ÖVP soll einen Plagiatsjäger auf die Diplomarbeit von Kanzler Kern angesetzt haben, die SPÖ ihrerseits soll das Vorleben von ÖVP-Shootingstar und Außenminister Sebastian Kurz durchleuchtet haben. 

Arbeitsplatz Hofburg - Österreichs neuer Präsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris SchmidauerBild: Getty Images/AFP/H.-K. Techt

Die Risse in der Koalition sind kaum zu kitten – für den Politikwissenschaftler Peter Filzmaier von der Donau-Universität Krems ein Geburtsfehler: "Das war von Anfang an eine Koalition des Widerwillens", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle. Es sind die klassischen Gegensätze, die SPÖ und ÖVP trennen: Während Kanzler Kern kürzlich mit seinem "Plan A" ein Programm vorstellte, das mit Mindestlohn und Vermögenssteuern zumindest einige linke Ideen enthält, sperren sich die Christsozialen gegen solche Maßnahmen. Zwar haben sich die Spitzen der Koalition schon gestern zu einem Krisengipfel getroffen, der mit Unterbrechungen bis Freitag dauern soll. "Aber selbst wenn sie etwas Neues beschließen, haben sie die Präsentation schon verdorben", sagt Filzmaier. "Der Streit wird alles überlagern."

Wann stellt sich die Gretchenfrage?

Neuwahlen ja oder nein – es ist eine Frage, die auch vor der Hofburg heiß diskutiert wird. Das Ehepaar Margit und Kurt K. legt sich fest: Im Herbst 2017 werden die Österreicher schon wieder wählen. "Van der Bellen wird versuchen, die Parteien zusammenzubringen", sagt Kurt K., "aber der Karren ist einfach verfahren." Etwas abseits steht Erich Kornhuber, ein Rentner aus dem oberösterreichischen Peuerbach, aus dem auch die neue First Lady Doris Schmidauer stammt. Auch er glaubt an Neuwahlen noch in diesem Jahr. "Zu 90 Prozent. Und dann wird es wieder eine Große Koalition." Eine Aussicht, die den österreichischen Wählern nicht gefällt – die Beliebtheitswerte der Koalition sind im Keller, nicht umsonst fielen bei den Präsidentschaftswahlen die Kandidaten von SPÖ und ÖVP im ersten Durchgang durch.

Politologe Peter FilzmaierBild: picture-alliance/APA/picturedesk.com

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier hält Neuwahlen mit einer anschließenden Neuauflage des Regierungsbündnisses für unwahrscheinlich. "Für die SPÖ machen Neuwahlen nur Sinn, wenn die FPÖ ein möglicher Partner ist." Jahrzehntelang galt bei den Sozialdemokraten die sogenannte Vranitzky-Doktrin: Keine Zusammenarbeit mit den Rechten auf Bundesebene. Unter Kanzler Christian Kern bewegt sich die SPÖ aber merklich auf die FPÖ zu, im Burgenland bilden die Parteien die Regierungskoalition. Momentan aber stellt sich die Frage noch ganz anders, schließlich führt die FPÖ in den Umfragen deutlich. "Das ist das Einzige, was gegen Neuwahlen spricht", sagt Peter Filzmaier. Weder SPÖ noch ÖVP können derzeit hoffen, eine Wahl auch zu gewinnen.

Egal wann gewählt wird, ob im Herbst 2018 oder früher, die FPÖ könnte als stärkste Partei hervorgehen. Und dann stünde Alexander Van der Bellen tatsächlich vor der schwierigsten Frage für einen Bundespräsidenten: Wen beauftrage ich mit der Regierungsbildung? Eine FPÖ-geführte Regierung würde er nicht vereidigen, hatte er im Wahlkampf versprochen. Rechtlich wäre das möglich, allerdings um den Preis einer Staatskrise und einer erneuten Neuwahl. "Bleibt er hart, könnte das spanische Verhältnisse provozieren, weil nur mit der FPÖ eine Zweierregierung gebildet werden kann", sagt Peter Filzmaier. "Man wird also mit Van der Bellen die Gretchenfrage klären müssen: Wie hältst du's mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ?"

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