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Glaube

Das Buddhismus-Einmaleins

Rick Fulker
15. Dezember 2018

Die buddhistische Lehre soll ihre Anhänger zur Erleuchtung führen. Ziemlich großes Ziel für eine Religion, die zudem gerne mit Rätseln arbeitet, wie DW-Redakteur Rick Fulker in einer Buddhismus-Ausstellung erfahren hat.

Museum Rietberg, Zürich | Ausstellung Nächster Halt Nirvana | Buddha Shakyamuni (Detail), westliches Tibet, 12./13. Jahrhundert, Messinglegierung
Bild: Museum Rietberg/Dauerleihgabe Sammlung Berti Aschmann

Der Meister sagt zu seinem Schüler: "Wenn du einen Stock hast, gebe ich ihn dir. Wenn du keinen Stock hast, nehme ich ihn dir weg."

Woher kommt der absurde Spruch? Drei schwarze Telefone stehen in einer Reihe auf einem Tisch als Exponate einer Ausstellung. Man darf an einem den Hörer abnehmen und an der Wahlscheibe eine Ziffer wählen. Ich gehe ran, wähle die Neun und aus dem Apparat tönt das oben zitierte "Koan" - um einen Begriff aus dem Zen-Buddhismus zu benutzen. Er bezeichnet den Ausspruch eines Zen-Meisters, der dazu dient, den Schüler zum Nachdenken und Meditieren anzuregen. Ein Koan ist meist kaum zu lösen, jedenfalls nicht durch Logik.

Weltreligion oder Philosophie?

Die westliche Faszination für den Buddhismus reicht weit in die Geschichte zurück. Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer wurde davon beeinflusst. Richard Wagner, der Schopenhauers Lektüre las, ließ buddhistische Grundsätze in seine Opern "Tristan und Isolde" und "Parsifal" einfließen und plante eine Oper zum Thema, die nie geschrieben wurde: "Der Sieger". Der Autor Hermann Hesse machte den Buddhismus in seinem Roman "Siddhartha" verständlich. In der Gegenkultur der 1960er Jahre entdeckten die Beatles ihn ebenfalls.

DW-Redakteur Rick Fulker hatte in der Züricher Ausstellung nicht die erste, aber die bislang interessanteste Begegnung mit dem BuddhismusBild: Simone Nickl

Rund 360 Millionen Menschen weltweit bekennen sich zu dieser Religion, die meisten leben in Tibet, Sri Lanka, Korea, China, Japan und den südostasiatischen Ländern. Da es im Buddhismus an zentralen Institutionen fehlt, kann die genaue Zahl aber nur schwer geschätzt werden. In Deutschland soll es mehr als 200.000 aktive Buddhisten geben.

Wörtlich heißt der Name Buddha: "Der Erwachte". "Der Buddha ist kein Gott, sondern ein weiser Mann, der einen Weg zur Erleuchtung entdeckte", sagt der taiwanesische Mönch Bhikkhu Vupasama Thero, der anlässlich der Ausstellung nach Zürich gekommen ist. Zum wichtigsten Exponat - Edelsteinen aus einem Grabfund, die jetzt erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden - meint er: "Diese Juwelen sind Symbole dafür, dass der Buddha ein echter Mensch war und keine erfundene Geschichte."

Der Mensch im Mittelpunkt

Dieser Mensch mit dem Namen Siddhartha Gautama soll ein Prinz gewesen sein, der vor rund 2500 Jahren in Nordindien geboren wurde. Der junge Mann lebte völlig sorglos und entdeckte erst spät, dass es Leiden in der Welt gab. Er kehrte dem Palast den Rücken und übte sich in Askese. Doch auch dies half nicht, das Leiden zu überwinden. Er fand für sich einen Mittelweg und lernte, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Nach seiner Erleuchtung hatte er viele Schüler, die dessen Lehre nach seinem Tod mündlich in die Welt trugen. Schriftliche Zeugnisse entstanden erst Hunderte Jahre später.

Die Geschichte des Buddhas auf einer japanischen Papierrolle aus dem 18. JahrhundertBild: DW/R. Fulker

Wie bei allen Religionen gibt es im Buddhismus unterschiedliche Strömungen und Schulen. Die buddhistische Kosmologie wird von guten und bösen Geistern bevölkert. Aber anders als die Buchreligionen Judentum, Christentum und Islam kennt der Buddhismus keine personifizierte Urmacht, die alles gestaltet. Er kommt ohne Gott, Priester oder Kirchen aus.

"Hier steht der Mensch selber im Mittelpunkt. Nur aufgrund seiner Taten kann er glücklich werden", sagt der Kurator der Ausstellung, der Indologe und Religionswissenschaftler Johannes Beltz. Höchstes Ziel des Glaubens sei das Nirwana, was jedoch nicht vergleichbar sei mit dem Paradies. "Der Begriff beschreibt einen Zustand jenseits unserer konventionellen Sprache", sagt Beltz. "Es gibt aber auch Buddhisten, die glauben, dass der Mensch schon im Leben das Nirwana erreichen kann."

Glaube und Meditation

In anderen Religionen steht der Glaube an erster Stelle. Im Buddhismus ist dagegen der Glaube eine Grundlage und die Meditation ein Instrument, um die Weisheit zu erlangen. Voraussetzung dafür: Der Mensch muss den Grund des Leidens in sich selbst finden und sich entsprechend wandeln. Im Vordergrund stehen dabei Lehre und Praxis. 

Zur Lehre gehören die vier edlen Weisheiten: 

Erstens: Das Leben ist vom Leiden geprägt.

Zweitens: Dieses Leiden wird durch Gier, Hass und Unwissenheit verursacht.

Drittens: Zukünftiges Glück entsteht durch die Vermeidung dieser Ursachen.

Viertens: Die Vermeidung von Leid und das Erlangen von Glück erfolgen über die Praxis.

Der in den westlichen Ländern wohl bekannteste Buddhist: der 14. Dalai LamaBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Welche Praxis? Das führt zum nächsten Punkt: den edlen achtfachen Pfad, dessen Elemente in drei Gruppen eingeteilt sind: Zur "Weisheit" gehört rechte Einsicht, die Richtung und Orientierung gibt und zur Erkenntnis führt. Danach kommt rechte Gesinnung oder Absicht, denn im Buddhismus entscheiden die Gedanken selbst über die Qualität und den Wert des Lebens.

Zur Gruppe "Sittlichkeit" gehören die rechte Rede, die rechte Tat und der rechte Lebenserwerb. Zu diesen Lebensführungsempfehlungen zählen die Vermeidung von Lüge, üble Nachrede oder leeres Gerede sowie der Respekt für Leben, Besitz und persönliche Beziehungen. Negative Gedanken entstehen in der Beschränkung des Ichs, Glück dagegen in der Selbstlosigkeit. Die drei Elemente in der Gruppe "Vertiefung" heißen rechte Übung, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung oder Konzentration, die zur Versenkung führt. 

Eine moderne Religion?

Wem das alles zu abstrakt klingt, dem hilft vielleicht der Begriff "Karma" weiter. Karma ist die Kraft, die den Menschen mit der Welt verbindet. Durch Karma ist einfach alles mit allem verknüpft. Jedes Ding, jede Aktion hat eine Ursache und eine Folge. Jede Sache - ob aus Geist oder Materie - besteht nicht für sich, sondern aus einem Zusammenkommen von Faktoren.  Dabei fragt der Buddhist: "Warum ist die Welt so, wie sie ist?" Seine Aufgabe ist, die Welt zu verstehen, wie sie ist und zu untersuchen, wie die Phänomene entstehen.

Das klingt nach Wissenschaft, nach Physik geradezu, und nicht umsonst sagte der große Physiker Albert Einstein einmal: "Wenn es irgendeine Religion gibt, die den Ansprüchen moderner Wissenschaft gewachsen ist, heißt sie Buddhismus." 

Ein neugieriger Geist ist wichtig in der buddhistischen LehreBild: Museum Rietberg/O. Schweizer

Selbst von seinen engsten Anhängern wird der Buddhismus ständig kritisch hinterfragt. "Die Ausstellung ist Anlass, noch einmal darüber nachzudenken: Was ist der Buddhismus?", sagt Bhikkhu Vupasama Thero. "Wir wollen die Lehre auf ihre Richtigkeit hin untersuchen. Dann folgt der Gedanke: Wie ist es mit dem modernen Buddhismus bestellt, hilft er uns wirklich? Falls nicht, können wir über die richtige buddhistische Lehre nachdenken." 

Ich muss gestehen, dass mir dazu das Grundwissen noch fehlt. Ich fange lieber bei meinem persönlichen Koan an und grübele noch eine ganze Weile über den weggenommenen Stock, den ich eh nicht hatte und über den, den ich bereits hatte und der mir dann geschenkt wurde.

Die Ausstellung "Nächster Halt Nirvana" im Museum Rietberg in Zürich ist bis zum 31. März 2019 zu sehen.

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