Über Spesenskandal gestolpert
19. Mai 2009Der britische Parlamentspräsident sitzt in der Regel fest in einem thronähnlichen Sessel. Doch Michael Martins Stuhl wackelte schon seit ein paar Tagen. Er hatte die Forderungen nach einer Reform der Spesen-Praxis hartnäckig ignoriert und sogar versucht zu verhindern, dass Abrechnungen veröffentlicht werden. Hinzu kommt: Er hat die Spesenquittungen zum Teil mit abgenickt.
Britisches Parlament in schwerer Krise
Am Montag hatte er sich zwar entschuldigt, aber das konnte ihn auch nicht mehr retten. Selbst Premierminister Gordon Brown hielt sich zurück, dem Speaker das Vertrauen auszusprechen. Schließlich ist auch sein eigener Ruf ramponiert durch diese Affäre. Zwanzig Abgeordnete haben schließlich einen historischen Misstrauensantrag unterschrieben, um Martin loszuwerden.
Skandalöse Abrechnungen
Abgeordnete aller drei großen Parteien, also der Konservativen, der Labour Party und der Liberaldemokraten, hatten bei den Spesen schamlos zugelangt. Es gibt Parlamentarier, die ließen ihre privaten Tennisplätze auf Kosten des Steuerzahlers reparieren, andere haben sich Swimmingpools geleistet oder ihre kompletten Luxushäuser renovieren lassen.
All das hat nichts mit Ausgaben für den Unterhalt einer Zweitwohnung zu tun. Denn dafür können Abgeordnete Ausgaben geltend machen. Aber diese Spesen gehen eindeutig über ihren eigentlichen Zweck hinaus.
Konsequenzen sind unklar
Die Öffentlichkeit ist entsetzt und wütend über ihre Volksvertreter. Alle Vorurteile haben sich auf einmal bewahrheitet. Das Vertrauen ist hin, ein möglicher Ausweg aus dem politischen Fiasko noch unklar. Denn der Rücktritt Michael Martins macht den Skandal nicht ungeschehen. Ist Martin vielleicht sogar nur ein Bauernopfer? Viele meinen, für einen Neuanfang müsse mehr geschehen. Die Opposition hat bereits Neuwahlen gefordert, obwohl auch ihre Vertreter von dem Betrug betroffen sind.
Sind die falschen Spesenabrechnungen vielleicht sogar ein Fall für die Polizei? Möglicherweise ja, zumindest in den Fällen, in denen Geld kassiert wurde für bereits abgezahlte Hypotheken. Das wäre nämlich Betrug. Polizei und Staatsanwaltschaft untersuchen die Affäre.
Daten wurden verraten
Das ganze Ausmaß der Spesengier der Politiker ist ans Licht gekommen, weil ein Unbekannter vertrauliche Computer-Dateien mit Spesenunterlagen aller Abgeordneten kopiert hatte. Dann hat er sie angeblich verschiedenen Medien für 250.000 Pfund zum Kauf angeboten. Die Zeitung "Daily Telegraph" griff zu. Wie viel sie für die Informationen gezahlt hat, ist jedoch unbekannt. (cd/wa/dpa/rtr/ap)