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Anspruch auf Gurlitts Erbe

Stefan Dege21. November 2014

Der Streit um das Erbe von Cornelius Gurlitt verschärft sich: Eine Gurlitt-Cousine erhebt Anspruch auf den Kunstschatz. Will auch das Kunstmuseum Bern an das Vermächtnis des verstorbenen Kunstsammlers?

Foto aus dem DW Video Beitrag - Gurlitts Erbe - Kultur.21
Bild: DW

Wochenlang hatten sich alle Beteiligten in Schweigen gehüllt. An diesem Freitag dann überschlugen sich die Ereignisse. Die 86-jährige Cousine von Cornelius Gurlitt, Uta Werner, ließ von einem Sprecher mitteilen, sie habe "mit Unterstützung ihrer Kinder sowie einzelner Söhne und Enkel aus dem Stamm des Gurlitt-Cousins Dietrich" beim Nachlassgericht München einen Erbschein für das Erbe des Münchener Kunstsammlers beantragt. Als Grund führte sie ein Gutachten des Juristen und Psychiaters Helmut Hausner an, das die Testierfähigkeit von Cornelius Gurlitt "ernsthaft in Frage stelle".

Bei nachgewiesener Testierunfähigkeit des Erblassers bestehe die juristische Möglichkeit, dessen Testamentsverfügungen noch über Jahrzehnte rückgängig zu machen. "Dies ist für alle Beteiligten langfristig mit einem Unsicherheitsfaktor verbunden", heißt es in der Mitteilung, "der weder der Sache dient noch der Würde angemessen ist", die der Umgang mit einem solchen Erbe verlange.

Der verstorbene Kunstsammler Cornelius GurlittBild: babiradpicture

Erbschein beantragt

Mit der Beantragung des Erbscheins müsste nun das Amtsgericht München - bei begründeten Zweifeln, die Teile der Familie als gegeben sehen - die Gültigkeit des Testaments überprüfen. Dies hatte der Gutachter Hausner gegenüber der DW angeregt. Ob dies tatsächlich stattfinden wird, blieb zunächst unklar. Den Auftrag für das medizinisch-juristische Gutachten hatte nach Darstellung Hausners die Gurlitt-Cousine Uta Werner über den Münchner Anwalt Wolfgang Seybold erteilt. Die Familie wollte für den Fall einer Ausschlagung des Erbes durch Bern vorbereitet sein.

"Gurlitt war nicht testierfähig", sagt Gutachter Helmut HausnerBild: www.medbo.de

Der im Mai verstorbene Gurlitt hatte sein gesamtes Vermögen dem Kunstmuseum Bern vermacht - darunter Hunderte Kunstwerke aus seiner Wohnung in München-Schwabing und seinem Haus in Salzburg. Bei vielen Werken ist nicht auszuschließen, dass es sich um Nazi-Raubkunst handelt. Gurlitts Vater Hildebrand war einer der Kunsthändler Adolf Hitlers. So erklärt sich, warum das Schicksal der Gurlitt-Hinterlassenschaft auch und vor allem ein Politikum ist.

Verärgert über Monika Grütters

Sollte das Nachlassgericht nun zu dem Schluss gelangen, dass Gurlitts Testament ungültig ist, würde der Kunstschatz an die gesetzlichen Erben fallen - die Cousine Uta Werner und Dietrich Gurlitt. Cousin Dietrich hatte sich jedoch von dem Gutachten über Cornelius Gurlitt distanziert und betont, er wünsche sich, dass das Schweizer Museum das Erbe annimmt. Cousine Uta Werner ließ über einen Anwalt erklären, als gesetzliche Erbin werde sie sämtliche Raubkunst sofort an die jüdischen Besitzer und deren Erben zurückgeben. Die beiden Verwandten haben selbst jüdische Wurzeln. "Die Familie wünscht, dass die Sammlung der Klassischen Moderne, die Hildebrand Gurlitt aus der Aktion 'Entartete Kunst' gerettet hat, zusammenbleibt und dauerhaft in einem deutschen Museum ausgestellt wird", teilte der Anwalt Wolfgang Seybold vor einigen Tagen mit.

In der Familie Uta Werners herrscht derweil, wie zu hören ist, große Verärgerung über Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Diese hatte die Wahl des Kunstmuseums Bern als "Glücksfall" gelobt, worüber man in der Familie Gurlitts "verletzt" sei. Unzufrieden sei man auch mit der sogenannten Taskforce, die Nachforschungen zur Herkunft der Kunstwerke anstellt. Diese Provenienzforscher müssten "mehr und schnellere" Ergebnisse liefern. "Warum gibt man Werke, die als Raubkunst klar identifiziert sind, nicht längst an die Besitzer zurück?", hieß es.

Das Kunstmuseum Bern will die Erbschaft offenbar antretenBild: picture-alliance/dpa/Thomas Eisenhuth

Unterdessen will die Nachrichtenagentur dpa erfahren haben, dass das Kunstmuseum Bern die Gurlitt-Erbschaft anzutreten gedenkt. Wenige Stunden lang sah es so aus, als ginge der sagenhafte Kunstschatz des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt in die Schweiz. Doch bestätigt ist die Nachricht bisher nicht. Weder der Stiftungsrat des Berner Kunstmuseums, noch die Berliner Staatsministerin Monika Grütters oder auch das bayerische Justizministerium wollten sich dazu äußern. Das Museum betonte sogar, die "endgültige Entscheidung" falle erst bis Sonntagabend in einer Sitzung des Stiftungsrats. Am Montag, das allein steht fest, wollen sich alle Beteiligten in Berlin der Öffentlichkeit erklären. Dann will man verkünden, wie es weiter geht mit dem Gurlitt-Nachlass.

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