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Überlebt die globale Mindeststeuer?

16. Oktober 2025

Bei der Tagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Washington wird auch über die globale Mindeststeuer beraten. Ist sie tot? Der deutsche Finanzminister sagt Nein. Der Bundeskanzler sieht das anders.

Merz und Klingbeil in dunkelblauen Anzügen vor einer Treppe
Finanzminister Lars Klingbeil (li.) und Bundeskanzler Friedrich Merz: Kein gemeinsamer Nenner bei globaler SteuerpolitikBild: Liesa Johannssen/REUTERS

Vor vier Jahren wurde eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent beschlossen. Fast 140 Staaten stimmten 2021 einer Initiative der G20, der 19 wichtigsten Wirtschaftsnationen und der Europäischen Union, zu. Finanzminister auf der ganzen Welt sprachen von einer steuerlichen Revolution, die mehr Gerechtigkeit bei der Besteuerung multinationaler Konzerne und natürlich auch geschätzte 200 Milliarden Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen jährlich bringen sollte. Inzwischen haben nach Angaben der südafrikanischen G20-Präsidentschaft 65 Staaten weltweit die entsprechenden Steuergesetze eingeführt oder auf den Weg gebracht.

Die globale Mindeststeuer ist dennoch kurz vor dem Aus. US-Präsident Donald Trump hatte einen Tag nach seinem Amtsantritt im Januar erklärt, dass die USA aus dem Projekt aussteigen würden. Im Rahmen der Gruppe der sieben wichtigsten Industriestaaten (G7) erreichten die USA eine Ausnahmeregelung: Amerikanische Konzerne sind von der globalen Mindeststeuer, die für Unternehmen mit einem Jahresumsatz über 750 Millionen Euro gilt, ausgenommen.

Im Visier der Steuerpolitiker: US-Firmen, die Gewinne in Steueroasen wie Irland oder Luxemburg verschiebenBild: La Nacion/ZUMA Press/picture alliance

"Konzept ohne Zukunft"

Ohne die USA und ihre globalen Internetkonzerne wie Meta, Apple, Google, Microsoft oder Amazon an Bord habe der globale Steueransatz keinen Sinn mehr, meint Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). "Die Amerikaner haben sich zurückgezogen. Das Konzept hat keine Zukunft", sagte Merz bereits im Juli. Sein Finanzminister, der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil, sieht das jedoch anders. Klingbeil, der derzeit wegen des G20-Finanzministertreffens und der Jahrestagung von Internationalem Weltwährungsfonds (IWF) und Weltbank in Washington weilt, sagte dort, die globale Mindeststeuer sei richtig. Es gehe um internationale Gerechtigkeit. Aus dem deutschen Finanzministerium hieß es, der Minister würde die Mindeststeuer in Washington verteidigen und zu ihr stehen, nicht zuletzt, weil sie auch das politische Erbe des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers Olaf Scholz sei.

Scholz hatte, noch bevor der Kanzler wurde, als Finanzminister vor 2021 die globale Mindeststeuer gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt. Indien und China könnten nun ebenfalls dem amerikanischen Beispiel folgen und Ausnahmen fordern. Die Idee der globalen Steuer war es, Umsätze, die die Konzerne in großem Stil in bisherigen Steueroasen parken und dem heimischen Fiskus entziehen, mit 15 Prozent zu besteuern.

Rückzug organisieren?

In der Berliner Koalition könnte es deshalb demnächst knirschen. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will das Projekt nicht weiterverfolgen, sondern in der Europäischen Union dafür werben, dass die globale Mindeststeuer ausgesetzt werde.

Sieben große deutsche Wirtschaftsverbände haben dem deutschen Finanzminister Lars Klingbeil einen Brief geschrieben und warnen davor, dass Europa die einzige Region wird, die die Mindeststeuer wirksam umsetzt. "Die Frage nach dem Rückzug der USA aus der Mindeststeuer ist jetzt: Wie organisieren auch wir den Rückzug?", sagte Georg Geberth, Steuerexperte beim  Siemens-Konzern, der Wirtschaftszeitung Handelsblatt. Auch unionsgeführte Bundesländer, allen voran Bayern, zweifeln am Sinn der globalen Steuer.

In der EU ist die Mindeststeuer geltendes Recht, das nur einstimmig geändert werden kann. Deutschland hat die EU-Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt. Seit 2024 gilt die Mindeststeuer auch für große deutsche Unternehmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat sich bereits an die Abgeordneten im Europäischen Parlament gewandt, um, wie es in einem Positionspapier heißt, eine "pragmatische europäische Steuerpolitik" zu erreichen, die Unternehmen in der EU nicht benachteiligt.

Donald Trump nach Unterzeichnung der "One Big Beautiful Bill" Bild: Leah Millis/REUTERS

Rache-Steuer angedroht

US-Präsident Donald Trump hat Staaten, die die Mindeststeuer-Regelung auf US-Unternehmen anwenden wollen, mit Strafen gedroht. In dem umfassenden Steuergesetz Trumps, bekannt als "Big Beautiful Bill" ist in Paragraf 899 eine "Rache-Steuer" vorgesehen. Im kommenden Jahr übernehmen die USA von Südafrika die Präsidentschaft in der G20. Südafrika hatte sich noch für die weitere Implementierung der globalen Steuer-Revolution eingesetzt. Dass die USA dies als G20-Vorsitz fortführen werden, kann man getrost bezweifeln.

Bernd Riegert Korrespondent im Hauptstadtstudio Berlin mit Blick auf Menschen und Politik in Deutschland
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