Andere Länder, andere Sitten. Das musste auch DW-Redakteurin Louisa Schaefer anerkennen. Die US-Amerikanerin ist nach Jahrzehnten in Deutschland manchmal noch immer verwundert über die Umgangsformen in Deutschland.
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Benimm Dich! Über die Tücken deutscher Manieren
Jedes Land Deutschland hat sein eigenes Regelwerk für das richtige Verhalten in allen Lebenslagen. Unsere Bildergalerie verrät, wie man sich souverän am Telefon oder bei Tisch benimmt.
Bild: picture-alliance/dpa/D. Reinhardt
Der Händedruck
Vor der Pandemie hat man sich in Deutschland bei jeder Gelegenheit die Hände geschüttelt, so als sei das ein Nationalsport. Ob beim Kennenlernen, bei einer offiziellen Gratulation oder zur Vertragsbesiegelung. Selbst Kinder geben sich manchmal die Hand. Mal sehen, ob das Händeschütteln nach der Pandemie wieder zunimmt. Es gilt jedenfalls nicht mehr als unhöflich, darauf zu verzichten.
Bild: Silas Stein/dpa//picture-alliance
Küsschen oder keins?
Wird es informeller, folgen auf den Händedruck noch Küsschen - manchmal eines, manchmal zwei. Dies aber wirklich nur, wenn man sich gut kennt. In den Genuss einer Umarmung hingegen kommen nur enge Freunde und Familie. Die Pandemie hat das alles verändert: Ellbogen und Füße kamen stattdessen zum Einsatz. Heute denken viele zweimal nach, bevor sie sich für eine bestimmte Grußform entscheiden.
Bild: picture-alliance/imageBROKER/F. Vogel
Du oder Sie?
Die persönliche Anrede hängt in Deutschland davon ab, ob man sich förmlich oder privat begegnet. Grundsätzlich wird man mit einem höflichen "Sie" angesprochen, im Gegensatz zum universellen "you" im Englischen. Das informelle "Du" kommt hingegen im privaten Umfeld zum Einsatz, aber nur unter Gleichaltrigen oder Jüngeren. Denn ältere Personen siezt man auch hier - bis das "Du" angeboten wird.
Bild: Colourbox
"Wer ist da am Apparat?"
Das höfliche "Sie" kommt auch beim Telefonieren zum Einsatz. Zunächst gilt es, sich vorzustellen: "Guten Tag, mein Name ist ..." Daher bitte nicht wundern, wenn der Gesprächspartner nicht mit einem "Hallo?" den Hörer abnimmt, sondern sich ebenfalls mit vollem Namen vorstellt. Praktisch! So weiß man gleich, ob man die richtige Nummer gewählt hat.
Bild: picture-alliance/ dpa
Entschuldigen Sie, bitte
Bei Zusammenstößen oder wenn man eine fremde Person um Auskunft fragt, kommt ein "Entschuldigen Sie!" zum Einsatz. Oder in Kurzversion "Entschuldigung". Möchte man sich für kleinere Störungen entschuldigen, hört man häufiger auch ein schlichtes "Sorry". Deutsche nutzen das englischsprachige Wort aber eher informell und nicht so exzessiv wie in vielen englischsprachigen Ländern.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Heimken
Klopf, klopf!
Das Klopfen an der Tür haben die Deutschen sicherlich nicht erfunden. Aber sie haben ihre eigene Version entwickelt. Klopft man an eine private Tür, wartet man, bis der Bewohner diese öffnet. Wartet man aber zum Beispiel in einem Behandlungszimmer auf den Arzt, so klopft dieser nur kurz an und betritt sogleich den Raum. Ähnliches Klopfverhalten zeigt auch so mancher Bürokollege.
Bild: Westend61/imago images
Sag es mit Blumen
Deutsche schenken gerne - besonders, wenn sie eingeladen werden. Dann bringen sie dem Gastgeber gerne mal eine Flasche Wein, Pralinen oder einen Blumenstrauß mit. Letzterer kommt auch sonst häufig zum Einsatz, selbst wenn man sich nicht besonders gut kennt. Zum Beispiel als Dankeschön oder als Geburtstagsgeschenk.
Bild: picture alliance/dpa
Entdeckung der Pünktlichkeit
Pünktlichkeit ist wohl Deutschlands bekanntestes Exportgut und ein absolutes Muss für formale Treffen und Besprechungen. Im privaten Umfeld verzeihen Freunde die ein oder andere Unpünktlichkeit. Wer sich jedoch länger als 15 Minuten verspätet, gilt als unhöflich. Dann sollte man lieber schon einmal per Anruf oder Textnachricht die Verspätung ankündigen und sich bereits vorab entschuldigen.
Bild: Cigdem Simsek/Zoonar/picture alliance
Draußen lassen
Deutsche ziehen gerne ihre Schuhe aus - natürlich nur im privaten Kreis, zum Beispiel bei Hausbesuchen. Dann bleiben die Treter gleich im Eingangsbereich oder - wenn es draußen gerade matschig und nass ist - auf der Fußmatte vor der Eingangstür zurück. Also unbedingt auf die richtige Wahl der Socken achten. Derweilen freut sich der Hausherr, seine Wohnung anschließend nicht reinigen zu müssen.
Bild: Andy Dean/PantherMedia/picture alliance
Heimatgefühle
Sobald Deutsche nach Hause kommen, schlüpfen sie von einem Paar Schuhe ins nächste - und zwar in ihre Pantoffeln. Dieses Ritual hat zwei Komponenten. Zum einen bleiben die Böden sauber. Zum anderen stehen die Puschen für das Gefühl, zu Hause zu sein. Manche Deutsche bringen sogar ihre Hausschuhe mit, vor allem wenn sie Kinder haben - und erweisen dem Gastgeber damit Respekt.
Bild: Colourbox
Tischmanieren
Beim Essen die Hände (auf keinen Fall die Ellenbogen) auf dem Tisch abzulegen, gilt als höflich. Außerdem haben Gabel und Messer eine klare Rolle: Die Gabel gehört in die linke und das Messer in die rechte Hand. Das Weinglas sollte am Stiel gehalten werden, dann klingt es beim Anstoßen besser.
Bild: L. D. Gordon/Design Pics//picture-alliance
Auch Besteck hat seine Ordnung
Macht man beim Essen eine Pause, so ist die Gabel auf dem Teller nach diagonal links und das Messer nach diagonal rechts unten zu legen, sprich die Gabel auf 8 und das Messer auf 4 Uhr. Klare Ansage: Hier geht das Essen noch weiter. Ist man hingegen satt, rutscht die Gabel zum Messer, siehe Bild. So weiß der Kellner Bescheid: Hier geht nichts mehr.
Bild: dpa/picture alliance
Sag es mit Stil
Deutsche haben einen prägnanten Ausdruck für den gemeinsamen Essensstart. Statt eines sperrigen "Enjoy your meal", wie es im Englischen geläufig ist, heißt es hier kurz "Guten Appetit". Das kommt einem leicht und gerne über die Lippen. Diese Bildergalerie aus dem Jahr 2018 wurde im März 2023 aktualisiert.
Bild: Zarbor/Panthermedia/imago images
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Obwohl ich nun schon seit fast 30 Jahren in Deutschland wohne, gibt es ein paar Dinge, die ich immer noch nicht verstehe. Ich mag einen Deutschen geheiratet haben, Steuern in Deutschland zahlen und deutsch-(amerikanische) Kinder großziehen, aber ich schätze, dass in manchen Punkten meine US-Mentalität immer noch zum Vorschein kommt.
Zum Beispiel dann, wenn es um meinen persönlichen Bereich, oder wie es in Dirty Dancing so schön heißt, den "Tanzbereich" geht: Ich stehe im Supermarkt vor einem Regal voller Produkte und sinniere, welches davon ich auswähle. Plötzlich schiebt sich eine Hand vor mein Gesicht, um eines der Produkte direkt vor meinen Augen aus dem Regal zu nehmen. Viele Deutsche scheinen das ganz normal zu finden, aber manchmal befremdet mich dieses Verhalten nach wie vor.
Dann denke ich: "Das ist doch wirklich unverschämt!" und würde mich am liebsten umdrehen, die Hand wegschlagen, die Person mit meinem Blick fixieren und fragen: "Haben Dir deine Eltern keine Manieren beigebracht?!" Aber dann beiße ich mir auf die Zunge, denn das zu sagen wäre - nun ja - wirklich unhöflich.
Was mich ebenfalls immer noch irritiert ist, dass viele Menschen in Deutschland - und ich hasse das zu sagen - sich teilweise sehr schwer damit tun, eine vernünftige Schlange zu bilden. Als ob ihr Verstand nicht darauf ausgerichtet ist, sich in diese diffizile Formation zu begeben - was aber eigentlich unwahrscheinlich ist, bei einer Nation, die berühmt ist für ihr Ingenieurswesen. Das Konzept ist ja im Grunde sehr einfach: Jeder stellt sich hinter dem auf, der vor ihm da war, und wartet, bis er dran kommt. Immerhin: Sobald es Pfosten mit Seilen gibt, die die Grenzen der Warteschlange deutlich markieren, klappt es auch hier mit dem geordneten Anstehen.
Aber wehe, man befindet sich mit Deutschen in einer chaotischen Wartesituation ohne Absperrpfosten und Begrenzungen - zum Beispiel vor einem Bratwurststand eines Straßenfestes. Alle sind sehr hungrig und jeder, egal ob Mann oder Frau, kämpft um seine Bratwurst.
Ich habe oft genug an so einem Ort gestanden und geduldig in der Menge darauf gewartet, dass ich an der Reihe bin. Neben mir kamen stets neue Leute, die ihre Bestellung aufgaben und so taten, als wären sie vor mir da gewesen, während der Bratwurstverkäufer gerade mit jemand anderem beschäftigt war. Inzwischen habe ich gelernt, dass ich laut widersprechen, manchmal sogar rufen muss: "Aber ich bin dran!" Doch dann fühle ich mich wie ein weinerliches Kind, das nach Gerechtigkeit schreit. Sich an die Spitze der Wartenden durchzuboxen gleicht in Deutschland manchmal einem Sport und ist ebenso nervig wie komisch.
Eine Portion Wahrheit gefällig?
Darüber hinaus gehören die Deutschen zu den direktesten Menschen, die ich kenne. Sie werden Dir oft genau sagen, was sie denken, ohne viele der - natürlich ebenso lästigen - Höflichkeitsformeln zu benutzen, die für zahlreiche englische Muttersprachler selbstverständlich sind, um eine Aussage abzumildern.
Erwarte außerdem nicht auf einer Geburtstagsfeier, ein zweites und schon gar nicht ein drittes Mal gefragt zu werden, ob Du ein weiteres Stück Kuchen möchtest. In den USA wurde mir beigebracht, so ein Angebot zunächst abzulehnen und nur zuzuschlagen, wenn der Gastgeber erneut fragt: "Bist du sicher?" Nein, ein Deutscher wird Dich in der Regel beim Wort nehmen, was oft eine große Erleichterung sein kann.
Natürlich verallgemeinere ich hier enorm. Dennoch: Ich habe viele gute Freunde und Bekannte, die das oben Geschilderte bereits in ähnlicher Form erlebt haben.
Da aber in unserer Reihe "Meet the Germans" Verallgemeinerungen unumgänglich sind, ist hier eine weitere: Deutsche sind Weltmeister im Händeschütteln. Sie werden es bei jeder Gelegenheit tun, die sich ihnen bietet: natürlich beim ersten Treffen, aber auch, wenn sie jemandem zum Geburtstag gratulieren. Und offensichtlich wenn sie sich nicht sicher sind, was sie sonst tun sollen.
Neulich war ich amüsiert, als ich meine kleine dreijährige deutsche Nichte beobachtete: Nachdem sie mit meinen zehnjährigen Zwillingen gespielt hatte, war es Zeit, sich zu verabschieden. Weil sie hauptsächlich mit meiner Tochter gespielt hatte, bekam diese natürlich eine Umarmung zur Verabschiedung. Allerdings war sie unsicher, was sie mit meinem Sohn machen sollte. Ich konnte förmlich sehen wie ihr ins Gesicht geschrieben stand: Soll ich ihn umarmen oder nicht? Schließlich streckte sie ihre winzige Hand aus und gab ihm einen formalen Handschlag. Es brachte mich zum Lachen, weil es süß war, aber ich dachte auch: "Das ist so deutsch!"
Klick Dich durch unsere Bildergalerie, um Tipps und Tricks für Benimmregeln in Deutschland zu lernen.
Fragst du Dich ob und wie Small Talk in Deutschland funktioniert? Dann sieh Dir unser Video unten an!
Das Wichtigste über Small Talk mit Deutschen
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Für mehr deutsche Eigenarten besuch die Seite unserer Serie "Meet the Germans". Alle Videos von "Meet the Germans" gibt es auch bei YouTube.