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Politik

Überraschendes Comeback für Schulz?

Emily Schultheis
9. Juni 2018

Führende SPD-Politiker sind dafür, ihren ehemaligen Chef Martin Schulz wieder ins Rennen zu schicken - als Spitzenkandidaten bei der Europawahl 2019. Brüssel-Erfahrung hat er. Aber wäre es das richtige Signal?

Martin Schulz verzichtet auf Außenminister-Posten
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Sein Aufstieg und sein Fall waren sprichwörtlich kometenhaft und suchen in der deutschen politischen Geschichte seinesgleichen. Als der ehemalige Kanzlerkandidat im Frühjahr dieses Jahres die SPD-Führung an seine Nachfolgerin Andrea Nahles abgab, waren sich viele Beobachter sicher: Dies war für Martin Schulz das Ende im politischen Rampenlicht.

Dann befeuerte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, vergangenen Monat die Gerüchteküche: Martin Schulz, so Müller, könnte im nächsten Mai bei den Europawahlen als Spitzenkandidat für die europäischen Sozialdemokraten antreten. Es wäre für Schulz das zweite Mal: Bei den letzten Wahlen 2014 war er bereits Spitzenkandidat in Europa - das Rennen machte jedoch das konservative Lager um ihren Kandidaten, den Luxemburger Jean-Claude Juncker, der so EU-Kommissionschef wurde.

"Martin Schulz ist der deutsche Europapolitiker schlechthin", sagte Müller dem deutschen Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel'. "Er steht und brennt für dieses Thema. Das nicht zu nutzen wäre fahrlässig."

Europäisches Profil

Bevor Martin Schulz Chef der ältesten Partei Deutschlands wurde, hatte er sich bereits in Brüssel einen Namen gemacht. Zwei Jahrzehnte verbrachte er im Europäischen Parlament. Von 2012 bis 2017 war er dessen Präsident. Als SPD-Chef und Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr machte er sich in seinen Reden für mehr europäische Integration stark und forderte lautstark die "Vereinigten Staaten von Europa".

Berlins Regierender Bürgermeister Michael MüllerBild: picture-alliance/dpa/B. v. Jutzczenka

Nicht nur Müller unterstützt die Idee, Schulz als Spitzenkandidat und damit eventuellen EU-Kommissionspräsidenten ins Rennen zu schicken. Auch der konservative Flügel der SPD, bekannt als 'Seeheimer Kreis‘, spricht sich "von ganzem Herzen" für Schulz aus. "Europa ist sein Thema", sagte der Vorsitzende Johannes Kahrs dem 'Spiegel'. "Martin Schulz ist europaweit bekannt, geschätzt, vernetzt und kann und wird Europa vorantreiben."

Aber wie realistisch ist es, dass die SPD Martin Schulz tatsächlich nächstes Jahr nominiert? Und wie erfolgversprechend wäre eine solche Nominierung für die Sozialdemokraten? Politische Beobachter sind sich einig: Auf der europäischen politischen Bühne bewegt sich Martin Schulz so sicher wie kein anderer SPD-Politiker. Aber: Macht ihn das zu einem geeigneten Kandidaten?

"Martin Schulz hat ganz klare Defizite, aber er hat auch Vorteile: Er ist sehr hoch qualifiziert, er kennt alles und jeden in Europa und er fühlt sich in Brüssel zu Hause", sagt Marcel Dirsus, Politikwissenschaftler an der Universität Kiel, im DW-Interview. Aber Dirsus ergänzt: "Es gibt einen Unterschied zwischen den Job erledigen und den Job überhaupt bekommen."

Schlechte Bilanz als Wahlkämpfer

In dieser Hinsicht fällt die Bilanz für Martin Schulz ernüchternd aus: Nach seinem sprunghaften Eintritt in den Wahlkampf 2017, bei dem die Medien ihn und den "Schulz-Effekt" bejubelten, verspielte er die große Chance - und bescherte seiner Partei am Wahlabend im September ein historisches Tief von nur 20,5 Prozent der Wählerstimmen. Am Ende gab es Verhandlungen mit Angela Merkels Konservativen über eine Neuauflage der bei vielen SPD-Wählern verhassten "Großen Koalition", die Schulz noch in der Wahlnacht kategorisch ausgeschlossen hatte. Die SPD rutschte immer tiefer in die Identitätskrise.

Das sind die SPD Mitglieder

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Peter Matuschek, politischer Chefanalyst des deutschen Umfrage-Instituts Forsa, sagt im DW-Interview, Martin Schulz habe nach der Wahl und während der Koalitionsverhandlungen noch weiter an Beliebtheit eingebüßt. Bei einer Forsa-Umfrage während der Verhandlungen gaben nur noch 15 Prozent Schulz als ihren Wunschkanzler an. Die Zustimmung fiel sogar noch geringer aus, als Forsa später Wähler befragte, wen sie sich als Außenminister wünschten.

Schulz als Zeichen des Neuanfangs?

"Alle Umfragen suggerieren, dass er komplett unten durch war. Seine Umfragewerte waren schon vor der Wahl nicht gut, und nach der Wahl wurden sie sogar noch schlechter", sagt Matuschek. "Ich war persönlich etwas überrascht, als die SPD ihn als Spitzenkandidat für die Europawahl ins Spiel brachte."

Eine zusätzliche Schwierigkeit für Martin Schulz sei, so der unabhängige Wahlkampfberater Julius van de Laar im DW-Interview, dass Schulz ein bekanntes Gesicht sei in einer Zeit, wo viele Wähler sich gegen das sogenannte "politische Establishment" wenden.

EU-Kommissionspräsident Juncker und SchulzBild: Getty Images/AFP/E. Dunand

"Heutzutage werden Wahlen mit dem Versprechen der Veränderung gewonnen", so van de Laar. "Das wird eine große Herausforderung sein, den Unterschied zwischen Martin Schulz und Jean-Claude Juncker klar herauszuarbeiten und glaubhaft darzulegen: Eine Stimme für Martin Schulz ist eine Stimme für Veränderung."

Gute Kandidaten fehlen der SPD

Die Diskussion über Schulz als potenziellen Spitzenkandidaten für die Europawahl steht symbolhaft für die Herausforderung der Partei: In ihrem selbst auferlegten Prozess der Erneuerung fehlen ihr die vielversprechenden Kandidaten mit irgendeiner Form von nationalem oder internationalem Profil. Oder: Wenn Schulz nicht der Kandidat wird, wer dann?

"Ich glaube, Schulz wäre eine schlechte Wahl, aber mir fällt spontan auch keine gute Wahl ein", so Dirsus. Die SPD "findet nicht einmal auf nationaler Ebene jemanden, der die Partei effektiv und charismatisch führt - und das hat ja sogar noch höhere Priorität."

Die Spitzenkandidaten der Parteien und Fraktionen im EU-Parlament werden erst später in diesem Jahr feststehen. Für die europäischen Sozialdemokraten wird momentan außer dem Deutschen Martin Schulz noch eine Reihe an weiteren Kandidaten gehandelt: darunter die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, der Erste EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans und EU-Kommissionsvizepräsident Maroš Šefčovič.