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Politik

Đukanović: "Montenegro ist ein Beispiel für Medienfreiheit"

22. März 2019

Seit 28 Jahren bestimmt Milo Đukanović die Geschicke Montenegros - mit großen Erfolg, wie er findet. Im DW-Interview weist er alle Beschuldigungen wegen Korruption und autoritärem Führungsstil von sich.

Milo Djukanovic im DW Interview
Rüdiger Rossig im Interview mit Milo Djukanovic, dem Präsidenten MontenegrosBild: DW/L. Pitu

 

DW: Herr Präsident, diese Woche haben Sie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin getroffen. Mit welcher Botschaft sind Sie von dem Treffen zurückgekommen?

Milo Đukanović: Mit der Botschaft, dass sich Deutschland weiterhin dem Westlichen Balkan verpflichtet fühlt - und Montenegro als dem Land, das den Prozess der Integration dieser Region in die Europäische Union und die Nato anführt. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Bundespräsident Steinmeier gut informiert ist, sehr schätzt, was Montenegro in den zwölfeinhalb Jahren seit unserer Unabhängigkeit geleistet hat - und natürlich darauf hinweist, welche Prioritäten wir im Weiteren setzen sollen, um unser Ziel, die EU-Mitgliedschaft, zu erreichen und dabei ein gutes, ermunterndes Beispiel für die anderen Länder der Region zu geben.

Montenegro wurde unter ihrer Führung zum Vorreiter im Annäherungsprozess der Westbalkanländer an die EU. Trotzdem finden in Ihrem Land seit Wochen Demonstrationen gegen Sie statt. Man beschuldigt Sie der Korruption und fordert ihren Rücktritt. Wie reagieren Sie auf derart scharfe Vorhaltungen?

Für mich sind die Demonstrationen etwas ganz normales. Scharf kritisiert wird die Politik, für die ich stehe, seit den 1990er Jahren, und die Kritiker haben jede Gelegenheit genutzt, um meinen Rücktritt zu fordern und so Raum zu schaffen für eine andere Politik als meine. Wie Sie wissen, teilen nicht alle Menschen in Montenegro und auf dem Westbalkan meine Perspektive eines gemeinsamen europäischen Ziels. Das ist eine politische Auseinandersetzung, die nicht nur in Montenegro, sondern in allen Ländern der Region geführt wird.

Milo Djukanovic ist mit Abstand der dienstälteste Staatschef in SüdosteuropaBild: picture alliance/AP Photo/D. Vojinovic

In Berlin haben Sie gesagt, dass die derzeitigen Proteste in Montenegro ein Zeichen dafür seien, dass sich der Westbalkan weiter entwickelt hat. Aber die Menschen hier protestieren seit den frühen 1990er Jahren. Was ist diesmal anders?

Anders ist, dass diese Proteste keinen gewalttätigen Charakter haben, dass dahinter nicht die Idee steht, die Institutionen oder deren Gebäude zu zerstören, wie das bei vorherigen Protesten der Fall war. Jetzt finden hier Proteste statt, bei denen Bürgerinnen und Bürger Forderungen stellen - und die Antwort der Regierung ist: Solche Proteste sind eine legitime Art, politische Ansichten zu kommunizieren. Wir sind bereit, mit den Menschen, die diese Proteste organisieren, über ihre Forderungen zu reden. In diesem Sinne meine ich, dass die derzeitigen Proteste ein Zeichen für politische Reife sind.

Ein anderes Thema, das immer wieder angesprochen wird, wenn es um Montenegro geht, ist Ökologie. Montenegro ist laut Verfassung ein ökologischer Staat. Trotzdem tut sich seit Jahren nichts bezüglich des Schutzes der Saline unweit der Stadt Ulcinj, die vor allem aufgrund zahlreicher Vogelarten, die sich dort angesiedelt haben, für die Biodiversität ihres Landes extrem wichtig ist  und das, obwohl sowohl die EU-Kommission als auch das europäische Parlament Montenegro zum Schutz des Geländes aufgefordert hat. Versagt Montenegro beim Schutz der Natur, der wichtigsten Ressource Ihres Landes?

Sie haben mehrere Tatsachen angeführt - aber dabei die zeitliche Dimension vernachlässigt. Montenegro hat sich in den 1990er Jahren zum ökologischen Staat erklärt und damit seine Absicht angekündigt, seine sehr hochwertige Umwelt erhalten zu wollen. Anschließend haben wir mit Privatisierungen begonnen. Ich war nicht Regierungschef, als die Saline privatisiert wurde - aber ich weiß, dass die Saline nach Recht und Gesetz geführt wurde. Später stellte sich heraus, dass das Unternehmen, das den Zuschlag für die Saline erhalten hatte, Probleme hatte, die dazu führten, dass die Arbeit der Saline eingestellt wurde.

Das wiederum führte zu einem Verfall der Infrastruktur, die zum Erhalt des Geländes als Lebensraum für Vögel nötig ist. Nachdem wir dieses Problem festgestellt hatten - und nicht nur wir, sondern auch Freunde aus der Internationalen Gemeinschaft - begann der Prozess des Schutzes des Saline. Wir kümmern uns um diesen Aspekt also erst seit einigen Jahren.

Die montenegrinische Regierung hat zusammen mit der Europäischen Kommission eine Studie zum Schutz der Saline erstellt. Diese muss jetzt die demokratischen Institutionen durchlaufen - und dann dem Parlament vorgelegt werden. Ich glaube, dass die Saline in absehbarer Zeit den Status eines Naturparks erhalten wird.

In Podgorica steht ein Prozess gegen eine Gruppe von russischen und serbischen Staatsbürgern sowie montenegrinischen Oppositionspolitikern an. Diese werden beschuldigt, nach den Parlamentswahlen 2016 - die ihre Partei gewonnen hatte - einen fingierten Angriff auf das Parlament geplant zu haben mit dem Ziel, den damaligen Premierminister - also Sie - zu verhaften und zu liquidieren und eine neue Regierung bilden zu wollen. Ziel soll gewesen sein, den Beitritt Montenegros zur Nato zu verhindern. Die Angeklagten weisen jede Schuld von sich und sprechen von einem politischen Prozess. Was sagen Sie?

Erwarten Sie, dass jemand, der am Versuch beteiligt war, unabhängig vom Wahlergebnis, eine Regierung zu bilden, das einfach so erzählt? Ich nicht. Ob ich den Anschuldigungen der Anklage glaube? Absolut. Und nicht nur das! Ich bin absolut überzeugt davon! Und das nach Einsicht in Massen von Informationen aus zuverlässigen Quellen. (Sie zeigen, Red.) dass es ein ganz klares Szenario gab, dass russische Nachrichtendienste erstellt hatten, nach einer politischen Plattform, die in der serbischen Hauptstadt Belgrad gebildet wurde und an der sich nationalistisch eingestellte Leute aus Serbien beteiligt haben. Sie waren bereit oppositionellen politischen Parteien und deren Führern in Montenegro dabei zu helfen, Chaos zu produzieren, das Parlament zu übernehmen, sich zum Sieger zu erklären. Auf diese Art wollten sie unabhängig von den Ergebnissen der Wahlen vom 16. Oktober 2016 die Macht in Montenegro zu übernehmen. Und so zu verhindern, dass sich unser Land der Nato anschließt. Davon bin ich absolut überzeugt.

Seit Wochen demonstrieren Bürger in Podgorica gegen die Regierung und den PräsidentenBild: picture-alliance/AA/A. Omeragic

Neben Korruption und Gleichgültigkeit an Ökologie werden Sie immer wieder wegen Repressionen gegen kritische und unabhängige montenegrinische Medien kritisiert. Tatsächlich haben Sie die oppositionelle Zeitung „Vijesti" (Nachrichten) "faschistisch" genannt. Ist das ein Ausdruck, der zu einer Zeitung im heutigen Montenegro passt?

Erstmal fällt es mir nicht ein zu behaupten, dass es in Montenegro keine Korruption gäbe. Genauso wenig wie in irgendeinem anderen Land auf dem Planeten. Wir bemühen uns, dem ein Ende zu setzen, indem wir ein Rechtssystem aufbauen, das Korruption und auch Kriminalität verhindert. Wie Sie wissen, hat uns nicht nur die Nato in ihre Reihen aufgenommen - und das hätte sie nicht getan, wenn wir eine korrupte Gesellschaft wären - sondern auch die Europäische Kommission hat vor kurzem in einem inoffiziellen Bericht bestätigt, dass Montenegro beim Aufbau des Rechtsstaats Fortschritte gemacht hat.

Zweitens: Ob ich mich genug um die Interessen Montenegros kümmere? Ich denke schon. Ich habe hier in Berlin gesagt und wiederhole das jetzt auch Ihnen gegenüber: In den vergangenen 30 Jahren, die meine Kritiker als verlorene Jahre darstellen, hat Montenegro den Frieden bewahrt, das multikulturelle Zusammenleben verbessert - was hier auf dem Balkan nicht überall so ist - und seine staatliche Unabhängigkeit zurückgewonnen, die unser Land 1918 verloren hatte. Heute ist Montenegro Mitglied der Nato, auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft und die am meisten entwickelte Volkswirtschaft auf dem Westbalkan, was es nie zuvor in seiner Geschichte war.

Zum Schluss: Was die Medien angeht, so ist Montenegro heute eines der guten Beispiele für Medienfreiheit, und das nicht nur in unserer Region. Ich denke, dass es heute schwer ist einen europäischen Staat zu finden, in der einflussreiche Medien die Regierung derart schroff kritisieren - und dass diese Regierung dann bei Wahlen die Ergebnisse erzielt, an die ich Sie vorhin erinnert habe.

Das Gespräch führte Rüdiger Rossig

Milo Đukanović (57) ist seit Mai 2018 zum wiederholten Mal Präsident Montenegros. Er war dies bereits zwischen 1998 und 2002 sowie mehrfach auch Premierminister seines Landes. Außerdem ist er seit 1997 Parteivorsitzender der Demokratischen Partei der Sozialisten Montenegros.

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