1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Gesellschaft

Yad Vashem besorgt wegen Antisemitismus

27. November 2018

Die Ergebnisse einer CNN-Umfrage zu Antisemitismus in Europa haben in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem Beunruhigung ausgelöst. Auch in Deutschland ist die Lage beunruhigend.

Reiseland Israel
Die "Hall of names" in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in JerusalemBild: picture-alliance/Dumont/E. Wirba

"Die Umfrage unterstreicht die beunruhigende Tatsache, dass viele fest verwurzelte, hasserfüllte antisemitische Einstellungen in der europäischen Zivilisation bestehen bleiben", teilte die Gedenkstätte mit. Zwar führten nicht alle Formen des Antisemitismus zwingend zu einem Genozid, doch er sei zentral für die Weltsicht der Nationalsozialisten gewesen.

Rund ein Drittel der Europäer wisse, nach den ersten Berichten zur Umfrage, wenig bis nichts über den Holocaust, so Yad Vashem weiter. Damit zeige sich die dringende Notwendigkeit, die Bildungsangebote zum Thema Holocaust zu stärken. Yad-Vashem-Direktor Avner Schalev verwies in diesem Zusammenhang auf den kürzlich gestarteten Online-Kurs zum Thema Antisemitismus auf der britischen Internetplattform "FutureLearn". Er sei bereits von mehr als 10.000 Personen absolviert worden. 

Die Alte Synagoge in Essen ist heute das Haus der jüdischen KulturBild: picture-alliance/B. Boensch

Viele junge Deutsche wissen laut der Umfrage kaum etwas über den Holocaust. Von den 18- bis 34-Jährigen schätzen rund 40 Prozent, dass sie "wenig" oder "gar nichts" darüber wissen. Das geht aus der Studie des Fernsehsenders CNN hervor. Etwa jeder 20. Europäer hat noch nie etwas über die systematische Vernichtung der Juden durch die Nationalsozialisten gehört.

Alte Vorurteile präsent

Die Befragten der Studie zu Antisemitismus in Europa äußerten sich nach Angaben von CNN gemischt über Israel. Eine Mehrheit von 54 Prozent ist demnach der Ansicht, dass Israel das Recht hat, als jüdischer Staat zu existieren. Ein Drittel glaube, Kritik an Israel sei meist durch Antisemitismus motiviert. Ein Drittel sagte jedoch auch, Israel nutze den Holocaust als Rechtfertigung für seine Handlungen.

Viele der Befragten sind nach eigenen Angaben der Ansicht, dass Antisemitismus im eigenen Land ein wachsendes Problem sei. 40 Prozent sagten, dass Juden in ihren Ländern von rassistischer Gewalt bedroht seien. Alte Vorurteile sind aber offenbar weiterhin sehr präsent. Mehr als ein Viertel der befragten Europäer sei der Meinung, Juden hätten zu viel Einfluss auf die Geschäfts- und Finanzwelt, teilte CNN mit. 

Umfrage in sieben EU-Ländern

Laut der im Auftrag von CNN vorgenommenen Umfrage lasse das Gedenken an den Holocaust nach. Den Ergebnissen der Studie zufolge ist etwa ein Drittel der Befragten der Ansicht, der Holocaust werde von Juden instrumentalisiert, um eigene Ziele und Interessen zu verfolgen. 18 Prozent halten Antisemitismus in ihren Ländern für eine Reaktion auf das tägliche Verhalten der Juden selbst.

Die repräsentative Umfrage beruht nach CNN-Angaben auf den Antworten von jeweils rund 1000 Teilnehmern in Österreich, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Ungarn, Polen und Schweden.

Deutschland: Sorge in der jüdischen Gemeinde

Das Problem des Antisemitismus ist aus Sicht der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, so drängend wie lange nicht. Die Gesellschaft könne es sich nicht leisten, Antisemitismus aus den Augen zu verlieren, sagte Knobloch auf einer Tagung in Düsseldorf. Als Gründe führte sie unter anderem Drohungen und Beschimpfungen von Juden sowie den notwendigen Schutz von Einrichtungen an. Zugleich betonte sie, dass sie die Unterstützung in der demokratischen Gesellschaft sehr zu schätzen wisse.

Von 2006 bis 2010 war Charlotte Knobloch Präsidentin des Zentralrats der Juden in DeutschlandBild: picture alliance/dpa/WJC

Heute herrsche in der jüdischen Gemeinschaft oft Sorge statt Optimismus: "Der Trend hat sich umgekehrt", sagte Knobloch. Es gebe Gefühle von Angreifbarkeit und Verletzlichkeit. "Wir sehen schwierigen Zeiten entgegen." Zugleich setze sie Hoffnung in Rechtsstaat und Demokratie. Knobloch sagte, sie wünsche sich, dass jüdisches Leben hierzulande eine Selbstverständlichkeit bekomme.

Antisemitismusbeauftragte in allen Bundesländern

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, hat sich für die Einrichtung entsprechender Anlaufstellen in allen Bundesländern ausgesprochen. Etwa 80 Prozent der möglichen Maßnahmen im Kampf gegen Judenhass fielen in die Zuständigkeit der Länder, sagte Klein.
 
"Antisemitismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, kein jüdisches Problem. Es sind alle gefordert", sagte Klein. Wünschenswert sei deshalb, "dass möglichst jedes Bundesland einen Beauftragten zum Kampf gegen Antisemitismus ernennt". Dies würde die Arbeit und die Verzahnung zwischen Bund und Ländern erleichtern.
 
Klein kündigte zudem für das Jahr 2021 ein Erinnerungsjahr an, mit dem "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland sichtbarer gemacht" werden sollen. Dabei wolle man sich an den Erfahrungen des 500-jährigen Reformationsjubiläums in Deutschland 2017 orientieren. So sollen unter anderem bundesweit jüdische Kulturinitiativen vernetzt werden.

Felix Klein ist der erste Beauftragter für jüdisches Leben in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/Bundesinnenministerium BMI/R. Bertrand

ni/fab (dpa, epd, kna)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen