Das zweitgrößte deutsche Film-Festival ist reich an cineastischen Perlen. Wir stellen Ihnen zehn davon vor. Dazu eine Serie, die noch gar nicht fertig ist, in München aber schon für Furore sorgte.
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Perlen & Entdeckungen - Neues, Altes und eine Serie: das 36. Filmfest München
München im Sommer - das ist ein Fest des Kinos. Das Festival versammelt Perlen der internationalen Filmkunst, aber auch viele neue deutsche Produktionen. Dazu kommen Retrospektiven, Filmgeschichte und Serien-Highlights.
Bild: Filmfest München 2017/B. Schmidt
Poetisches aus Italien: Internationale Festivalhighlights
München pflegt das Beste vom Besten zu zeigen - aus der aktuellen internationalen Filmproduktion, die noch nicht in deutschen Kinos zu sehen war. Dazu gehört unbedingt "Glücklich wie Lazzaro" der italienischen Regisseurin Alice Rohrwacher, vor kurzem noch in Cannes gefeiert und für manche Beobachter der schönste Film des Wettbewerbs. Am Schluss gab's eine Palme für das beste Drehbuch.
Bild: Filmfest München 2018
Ausbruch aus der Familie: Entdeckungen aus aller Welt
Eine Nummer kleiner, aber nicht weniger sehenswert sind die Filme, die in der Reihe "Spotlight" gezeigt werden. Es sind Filme von Regisseuren, denen die Zukunft gehört, die lebenspralles Kino zeigen und oft Geschichten von Außenseitern erzählen. So wie der spanische Film "Carmen y Lola", der von einer jungen Frau aus einem Roma-Clan handelt, die versucht, aus vorbestimmten Bahnen auszubrechen.
Bild: Filmfest München 2018
Elektroschrott von überall: Internationales Independent-Kino
"Das Independent Kino ist seinen Themen verpflichtet. Es interessiert sich für Protagonisten, Orte, künstlerische Vision und experimentelle Herangehensweise - mehr als für den Roten Teppich und die Social Media Resonanz", sagen die Festivalmacher: Ein gutes Beispiel dafür ist die Dokumentation von der weltgrößten Elektromüll-Halde in Ghana: "Welcome to Sodom - Dein Smartphone ist schon hier".
Bild: Filmfest München 2018
Politik & Zeitgeschehen: Neues Deutsches Kino
Was machen Deutschlands Filmregisseure, welche Themen greifen sie auf, wie gehen sie formal mit dem Medium um? Antworten gibt die Reihe "Neues Deutsches Kino" mit 16 Premieren. "Wackersdorf" von Oliver Haffner greift jüngere deutsche Zeitgeschichte der 1980er Jahre auf: Der zivile Widerstand gegen die geplante atomare Wiederaufbereitungsanlage in der Oberpfalz als spannender Spielfilmstoff.
Bild: Filmfest München 2018
Die Frau in Rot: Neues Deutsches Fernsehen
Manchmal kann Fernsehen "großes Kino" sein - das zeigen einige Filme, die in München auf großer Leinwand Premiere feierten und demnächst im deutschen Fernsehen zu sehen sind. Ein Höhepunkt der Reihe: Dominik Grafs "Hanne": Eine Frau (Iris Berben) bekommt Freitags die Nachricht, dass sie möglicherweise an Leukämie hat. Das genaue Ergebnis erfolgt am Montag. Wie verbringt man nun das Wochenende?
Bild: Filmfest München 2018
Deutsche Serien: Nicht nur "Parfum"
Jedes Festival, das etwas auf sich hält, zeigt auch Serien auf großer Leinwand. Premiere feierte in München "Das Parfum", aber auch der Vierteiler "Servus Baby". Der erzählt von einer Frau Anfang 30, die plötzlich Single ist. Was heißt das nun für die Lebensträume, fürs Kinderkriegen, Karriere und die große Liebe - noch dazu, wenn sich das alles im schicken und teuren München abspielt...?
Bild: Filmfest München 2018
Retrospektive blickt nach Argentinien: Lucrecia Martel
Um Frauenwelten geht es auch in den Filmen der argentinischen Regisseurin Lucrecia Martel. Ihr ist die diesjährige Retrospektive des Festivals gewidmet. "Der Morast" (unser Bild) hieß das Spielfilmdebüt Martels im Jahre 2000 - ein Blick auf den auch moralischen Morast argentinischer Familienstrukturen. Die Filme der Regisseurin sind magisch und realistisch zugleich: eine Entdeckung!
Bild: Filmfest München 2018
Das Kino spiegelt das Kino
Das Münchner Festival blickt traditionell hinter die Kulissen des Betriebs und zeigt in der Reihe "Light! Camera! Action!" Filme übers Filmemachen. In diesem Jahr stehen Werke über Ingmar Bergman, Milos Forman und Orson Welles auf dem Programm. "The Eyes of Orson Welles" rückt mit bisher unveröffentlichtem Material eine kaum bekannte Seite von Regiegigant Welles in den Fokus: die des Zeichners.
Bild: Filmfest München 2018
Neues über Ingmar Bergman
Und wer gedacht hatte, über den berühmten schwedischen Regisseur, der vor 100 Jahren geboren wurde, sei alles gesagt, der wurde in München eines Besseren belehrt. "Bergman - A Year in a Life" hieß eine aufschlussreiche Dokumentation, die es in sich hatte. Sie erzählte über Bergmans lang anhaltende Sympathie für die Nationalsozialisten und dessen ganz eigenen Blick auf Vergangenheit und Erziehung.
Bild: Filmfest München 2018
8 x Knockout unter freiem Himmel
Und auch das gehört seit langem zum Münchner Festival: eine Open-Air-Reihe fürs große Publikum mit vielen Klassikern der Filmgeschichte. 2018 steht diese unter dem Motto "Faust aufs Auge" - und zeigt acht große Boxer-Filme. Genreklassiker wie Martin Scorseses umwerfenden Film "Wie ein wilder Stier" mit dem entfesselt aufspielenden Robert DeNiro verleihen dem Münchner Fest einen Höhepunkt.
Bild: Filmfest München 2018
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Für die allermeisten Zuschauer ist ein Filmfestival ein Fest des Kinos. Hier kann man Filme sehen, die bisher noch nicht im normalen Kinoalltag im Einsatz waren, auch Arbeiten von Regisseuren, die es möglicherweise gar nicht erst ins Kino schaffen. Das hat nur selten mit der Qualität der Filme zu tun. Oft findet sich im Kinoalltag einfach kein Platz für solche Filme.
Wenn in einer durchschnittlichen deutschen Stadt über die Hälfte aller Kinoleinwände von drei bis vier amerikanischen Blockbustern blockiert werden, dann bleibt einfach nicht mehr genügend Raum für Filme aus Italien oder China, aus Argentinien oder Australien. Filmfestivals füllen seit Jahren diese Lücken.
Filmfestival München zeigt das Werk von Lucretia Martel
Auch München füllt dieses Vakuum, indem das Festival auf Filme aus Kinonationen setzt, die sonst im Programmalltag eher spärlich vertreten sind. Ein Beispiel hierfür ist die argentinische Regisseurin Lucrecia Martel, der die diesjährige Retrospektive gewidmet ist. Martel, die zu den wichtigsten Filmemacherinnen Südamerikas zählt, stellt ihr Werk in diesen Tagen persönlich in München vor.
Südamerikanische Frauenpower im Kino, dazu mit persönlichen Anekdoten gewürzt, dieser Mix ist wie gemacht für ein Festival. Die Filme Lucrecia Martels eröffnen dem Zuschauer seltene sinnliche Eindrücke vom Leben in Argentinien: geheimnisvoll und surreal, aber auch ganz nah am Alltag und am Puls der Gesellschaft.
Filmfestivals sind aber auch dazu da, Filmprojekte vorzustellen, die noch gar nicht ganz fertig sind. Oder auch Serien. Die Macher des neuen Großprojekts "Das Boot" nutzten das Münchner Festival, um über die Ausstrahlung der Serie im Herbst zu berichten. Über 26 Millionen Euro Produktionskosten hat "Das Boot" verschlungen, produziert wurde die Serie von "Sky Europa", "Bavaria" und Sonar Entertainment" - ein Riesenbudget, das nur im Zusammenspiel von drei potenten Produktionsfirmen möglich war.
Der Anbieter "Sky" kommt mit dem zweiten großen deutschen Serienprojekt
Acht Teile kommen auf die Zuschauer zu - zumindest auf die, die den Bezahlsender "Sky" abonniert haben. Dort wird "Das Boot" ab Herbst zu sehen sein, nach "Babylon Berlin" also die zweite große deutsche Serie, mit der "Sky" auf dem hiesigen Markt Fuß fassen will. Dabei hat "Das Boot" sogar noch einen Vorteil, wie die Produzenten in München versicherten. Es ist schon als "Marke" eingeführt: Den oscarprämierten Film (und die TV-Fassung) von Wolfgang Petersen aus dem Jahre 1981 dürften die meisten Zuschauer kennen.
Man habe aber nie eine Fortsetzung oder eine Neuverfilmung des alten Stoffes geplant, versicherte in München auch Regisseur Andreas Prochaska. Man habe sich nur "inspirieren" lassen. Die Geschichte, die im neuen "Boot" erzählt wird, setzt neun Monate nach den filmischen Ereignissen des Petersen-Films im Jahre 1942 ein. Und sie spielt auch nicht nur im U-Boot.
Das neue "Boot" wendet sich auch an ein weibliches Publikum
Auch aus dem einfachen Grund, um ein breiteres Publikum anzusprechen. 1981 sei der Film "Das Boot" doch eher ein Männerfilm "mit vielen schwitzenden Männerkörpern unter Deck" gewesen, so die Produzenten. Das neue Projekt erzählt seine Geschichte dagegen in zwei Handlungssträngen. Einer davon spielt an Land - und hat eine weibliche Protagonistin im Zentrum, gespielt von der deutsch-luxemburgischen Schauspielerin Vicky Krieps, die in München über ihre Dreherfahrungen berichtete.
Und so stehen nicht nur die Erlebnisse der U-Boot-Besatzung im Mittelpunkt der Serie. Die deutsche Besatzung durch die Nationalsozialisten in Frankreich, der französische Widerstand, das Verhalten der deutschen Soldaten und eben einer deutschen Übersetzerin (Vicky Krieps), all das soll der Serie inhaltlich einen erweiterten Blickwinkel verleihen.
Krieps ist die wohl bekannteste Darstellerin im Boot-Ensemble, das auf viele neue, junge Gesichter setzt. Die Dreharbeiten fanden in Prag, im französische La Rochelle, auf Malta und in den Münchner Bavaria Studios statt. 105 Drehtage habe man gebraucht, eine wahrhafte Herausforderung für das Team, so Regisseur Prochaska.
Die Musik Doldingers als Brückenbauer
Geschichte und Darsteller, Handlung und natürlich auch Regie, Drehbuch und Produktion, all das ist also neu. Nur eine "Brücke" vom alten zum neuen "Boot" habe man sich gegönnt, war vom Produktions-Team in München zu hören: die Musik.
Als Überraschungsgast der Serien-Präsentation beim Münchner Filmfestival wurde der Komponist Klaus Doldinger begrüßt. Der erzählte launig von seinen Erfahrungen von damals und beglückwünschte die Produktion zu ihrem jetzigen Konzept, mit der Serie "Das Boot" etwas ganz Neues zu wagen - außer eben der Musik.
Mehr zum Filmfest München auch in der neuen Ausgabe von KINO.