Es war ein Schock für die Tanzwelt: Vor zehn Jahren starb die weltberühmte Tänzerin und Choreographin Pina Bausch. Sie hinterließ ein umfangreiches künstlerisches Erbe, verwaltet von ihrem Sohn Salomon Bausch.
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Das Tanztheater von Pina Bausch
Als Choreografin hat Tänzerin Pina Bausch die Tanzwelt revolutioniert. Zehn Jahre nach ihrem Tod feiert die berühmte Tanzkompanie nach wie vor Erfolge.
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Revolution des Tanztheaters
In der Anfangszeit von Pina Bausch hätte keiner gedacht, dass sie mit ihrem Tanztheater Wuppertal, einer nordrhein-westfälischen Provinzstadt, eines Tages weltweit Erfolg haben würde. Doch die Tänzerin und Choreographin Bausch entwickelte etwas völlig Neues - etwas, was die Tanzszene so noch nirgendwo gesehen hatte. Ihre Kompanie entfachte eine Revolution und definierte Tanzen neu.
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Radikaler Ausdruckstanz
Pina Bausch engagierte nur Tänzer, die in ihren Augen außergewöhnlich waren. 1973 gründete sie das Tanztheater Wuppertal, das bis heute weltweit für seinen radikalen Ausdruckstanz bekannt ist. Nur wenige Tänzer können Bauschs Stücke tanzen. Ihre Choreographien waren immer speziell auf die Tänzerpersönlichkeiten der Wuppertaler Kompanie zugeschnitten.
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Tänzerischer Alptraum
Die radikalen Stücke der jungen Pina Bausch gingen den Zuschauern in den 1970er Jahren an die Nerven und gegen den Strich. Ihre experimentellen, oft sperrigen Tanzvisionen sprengten damals alle Konventionen. Während der ersten Vorstellungen im Wuppertaler Opernhaus verließen Zuschauer empört und unter lautstarkem Protest den Raum. Sogar Beschwerdebriefe und Drohungen soll es gegeben haben.
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Tanz neu erfinden
Die Tänzer bei Pina Bausch tanzten nicht einfach nur: Sie rannten, sprachen, sangen, weinten oder lachten, während die Choreographie ihnen höchste Konzentration abverlangte. Sie interpretierten Tanz völlig neu. "Mich interessiert nicht, wie die Menschen sich bewegen, sondern was sie bewegt." Dieser Satz von Pina Bausch wird bis heute viel zitiert.
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Keine Solisten
Die Stücke von Pina Bausch (im Bild) lebten von ihrer Ehrlichkeit und getanzten Innerlichkeit. Das erreichte die Choreographin durch eine intime Zusammenarbeit mit ihren Tänzern. In ihrer Kompanie gab es keine herausragenden Solisten, keine Hierarchien. Alle Tänzer des Ensembles waren gleichberechtigt und sollten mit den Choreographen auch eigene Ideen in den Tanz und die Inszenierung einbringen.
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Zusammengeschweißtes Team
Wer in Bauschs Tanztruppe eintrat, blieb lange – manchmal für immer. Die Tänzer des Wuppertaler Tanztheaters entwickelten sich bald zu einem eingeschworenen Ensemble, das bis heute weltweit einzigartig ist. Auch nach Pina Bauschs Tod 2009 tanzten sie die Stücke der legendären Choreographin weiter.
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Das Repertoire des Ensembles
Als Pina Bausch starb, übernahmen der Tänzer Dominique Mercy und der Theatermacher Robert Sturm die Künstlerische Leitung. Mercy ist eines der ältesten Mitglieder des Tanzensembles. Sein Ziel war es, das Repertoire von Pina Bausch so lange wie möglich zu erhalten. In 36 Jahren hat Bausch 46 Stücke geschaffen. Einige davon sind zu Klassikern geworden. Im Bild tanzt Mercy in Wim Wenders Film "Pina".
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Oscarverdächtige Tanzgeschichte
Regisseur Wim Wenders hat mit seinem Dokumentarfilm "Pina" einen filmischen Nachruf auf Pina Bausch gedreht - und eine Hommage an ihre Heimatstadt Wuppertal. Eine Stadt im Westen Deutschlands, die neben Pina Bauschs Tanztheater vor allem für ihre Schwebebahn bekannt ist. Der 3D-Film mit dem Wuppertaler Tanztheater wurde 2012 für einen Oscar in der Kategorie "Bester Dokumentarfilm" nominiert.
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"Pina lädt ein" - unter diesem Namen läuft das Archivierungsprojekt der Pina Bausch Foundation in Wuppertal - der deutschen Stadt, in der Pina Bausch von 1973 bis zu ihrem Tod am 30. Juni 2009 nachhaltig gewirkt und gelebt hat.
Zu bewältigen war eine enorme Materialfülle: Tausende von Fotos, Videos, Briefen sowie Produktionsunterlagen zu allen 46 Tanz-Stücken, die die berühmte Choreographin geschaffen hat. Alles lagert in hohen Schränken und auf mehrere Etagen verteilt in einem Hinterhof in Wuppertal.
2010 wurde mit der Digitalisierung begonnen, nächstes Jahr im Juni 2019 soll das Archiv erstmals online gehen. Der Anfang werde mit Produktionsmaterialien zu fünf Tanz-Stücken gemacht, kündigte der Sohn Salomon Bausch an, der in Personalunion Gründer und Chef der Pina Bausch Foundation ist.
Ziel sei es, das Archiv "mit den Menschen teilen" zu können. Es solle daher kein "trister Dokumentenspeicher" sein, sondern ein "Ort des lebendigen Austauschs, künstlerisch wie wissenschaftlich: für alle, die auf Pina Bauschs Kunst neugierig sind", so kann man es auf der Webseite der Stiftung nachlesen.
Künstlerischer Lebensmittelpunkt: Wuppertal
Pina Bausch hatte sich stets zu Wuppertal bekannt: 36 Jahre lang leitete sie das Tanztheater, das nun schon seit 10 Jahren ohne sie weitertanzt. Im vergangenen Jahr gab es viele Turbulenzen - Grund waren Unstimmigkeiten bezüglich der Leitung der berühmten Kompanie.
Hatten in den ersten Jahren nach Pina Bauschs Tod erfahrene Tänzer die Leitung übernommen, wurde im Mai 2017 die Dramaturgin Adolphe Binder als Intendantin eingesetzt - um ein Jahr darauf wieder entlassen zu werden. Im Sommer 2018 stand das Tanztheater führungslos da, bis im November dann Bettina Wagner-Bergelt zur künstlerischen Leiterin berufen wurde.
Und es gibt große Pläne in Wuppertal: Im einstigen Schauspielhaus der Stadt, das derzeit aus Kostengründen nicht mehr bespielt wird, soll bis 2026 ein großes Pina Bausch-Zentrum entstehen, das künftig sowohl das Tanztheater als auch die Pina Bausch Foundation inklusive ihres Archivs beherbergen soll.
Damit genügend Platz für alles ist, muss das Gebäude allerdings erweitert werden. Geschätzte Kosten: 58 Millionen Euro. 30 Millionen davon will der Bund übernehmen, und auch das Land Nordrhein-Westfalen wird sich beteiligen.
Fremde Kulturen - übersetzt in Tanz
Die Tanzkompanie selbst ist am 10. Todestag ihrer einstigen Choreographin und Gründerin nicht in Wuppertal, sondern gastiert derzeit in Paris. Seit vielen Jahren wird das Ensemble zu Gastspielen in aller Welt eingeladen.
Diese Reisen und Einladungen in fremde Kulturen hätten sie stets sehr bereichert, sagte Pina Bausch in einer Rede anlässlich der Verleihung des Kyoto-Preises im Jahr 2007. "Das Kennenlernen mir vollkommen fremder Gebräuche, Musiken, Gewohnheiten hat dazu geführt, in den Tanz das zu übersetzen, was uns unbekannt ist und dennoch allen gehören sollte." Dies spiegelt auch ihre Kompanie, die international besetzt ist.
Eine Gedenkfeier anlässlich ihres 10. Todestages ist für den 3. Oktober 2019 in Wuppertal geplant. Aufgeführt wird die letzte Inszenierung von Pina Bausch. Im Anschluss an die Vorstellung wird es ein Gespräch mit den Tänzern geben - das alles unter dem Titel "Eine Nacht mit Pina".