Nach den ersten 100 Tagen des Gotthard-Basistunnels im Vollbetrieb zieht die Schweiz eine positive Bilanz. 8900 Fahrgäste sind durchschnittlich pro Tag mit den Zügen durch den längsten Eisenbahntunnel der Welt gefahren.
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Laut der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) sind 30 Prozent mehr Fahrgäste als im selben Zeitraum des Vorjahres auf der alten Strecke. Insgesamt sind laut SBB mehr als 10.000 Güter- und Personenzüge durch den 57 Kilometer langen Basistunnel gefahren.
Bis Anfang Februar verzeichneten die SBB 43 ausgefallene Züge. Der Fahrgastverband "Pro Bahn Schweiz" ist durchaus kritisch. Es laufe "mehr schlecht als recht", urteilt Präsident Kurt Schreiber über die ersten drei Monate. Im Februar sei es zwei Mal zu mehr als einstündigen Verspätungen gekommen. Im Güterverkehr habe es Mitte Februar Probleme gegeben, als ein Zug liegengeblieben sei. Sieben Stunden sei der Tunnel für Güterzüge nur eingeschränkt befahrbar gewesen. "Wir brauchen keine deutschen Verhältnisse", ergänzt Schreiber.
Auch die SBB gibt zu, dass es in Bezug auf die Pünktlichkeit noch Handlungsbedarf gebe. Profitieren sollen von dem Tunnel nicht nur Bahnreisende, sondern auch der Tourismus im schweizerischen Kanton Uri. Dort können Zug-Fans seit Anfang Februar die mit Tempo 200 vorbeirauschenden Züge durch ein Fenster im Tunnel beobachten.
Der Tunnel wurde am 11. Dezember 2016 für den Personenverkehr freigegeben. Die Bauzeit am längsten Eisenbahntunnel der Welt dauerte 17 Jahre. Das Bauwerk kostete zwölf Milliarden Franken, etwa 11,2 Milliarden Euro.
is/ks (dpa)
Bahn frei für den Gotthard-Tunnel
Der erste reguläre Zug hat den neuen Gotthard-Tunnel durchquert. Sechs Monate nach Fertigstellung und 17 Jahre nach Baubeginn ist der längste Tunnel der Welt in der Schweiz in Betrieb gegangen.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Golay
Im Eiltempo durch die Röhre
Mit bis zu 275 km/h sollen die Personenzüge durch den neuen Gotthard-Basistunnel rauschen. Die zwei 57 Kilometer langen Röhren verlaufen fast geradewegs zwischen den Orten Erstfeld im Kanton Uri und Biasca im Tessin. Die Zeitersparnis auf der Strecke zwischen Zürich und Lugano soll mehr als 30 Minuten betragen.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Flueeler
Internationales Interesse
Kontinentale Relevanz hat der Tunnel für den Güterverkehr: Durch ihn sollen Waren von Rotterdam in den Niederlanden nach Italien befördert werden. Damit die Vorteile greifen, muss auch Deutschland sein Schienennetz modernisieren. Hier habe man Nachholbedarf, räumte Bundeskanzlerin Angela Merkel (hier mit dem Schweizer Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann) bei der Einweihung im Juni ein.
Bild: Reuters/R. Sprich
Lasten auf die Schiene
Für den Warenverkehr bringt der Gotthardbasistunnel immense Vorteile: Güterzüge können dank der niedrigen Steigungen bis zu 120 Stundenkilometer schnell fahren und 4000 Tonnen befördern. Im alten Gotthard-Eisenbahntunnel brauchte man wegen des 600 Meter höheren Scheitelpunktes zwei Lokomotiven, um gerade einmal 1400 Tonnen zu befördern.
Bild: picture-alliance/Keystone/A. Leemann
Mitten durchs Herz der Schweiz
Benannt ist der Gotthardtunnel nach dem Gotthardpass, der seit dem Mittelalter eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen über die Alpen war. Nach dem Pass ist auch das Gotthardmassiv benannt, das Teile der Kantone Uri, Wallis, Graubünden und Tessin umfasst. Nur hier, in der Zentralschweiz grenzen die Gebiete der vier Landesprachen Deutsch, Französisch, Rätoromanisch und Italienisch aneinander.
Bild: picture-alliance / Helga Lade Foto
Vortrieb mit deutscher Technik
Bis zu 2450 Meter Gestein türmen sich über der Tunnelröhre auf. Den Durchbruch feierte die internationale Belegschaft nach zehn Jahren Bauzeit am 15. Oktober 2010. Nur rund 15 Prozent der beteiligten Arbeiter sind Schweizer. Die Vortriebsmaschine, deren riesiger Fräskopf hier zu sehen ist, stammt vom schwäbischen Maschinenbauer Herrenknecht.
Sechs Monate Testbetrieb
Nichts soll dem Zufall überlassen werden - erst recht nicht nach dem verheerenden Brand im Gotthard-Straßentunnel mit elf Toten. Seit der offiziellen Eröffnung am 1. Juni 2016 sind 5000 Testfahrten absolviert worden. Nun sollen bald täglich 50 Personen- und bis zu 260 Güterzüge durch den neuen Basistunnel fahren.
Bild: picture alliance/dpa/U. Flueeler
Ein gefährlicher Beruf
199 Menschen kamen beim Bau des ersten Gotthardtunnels ums Leben. Und trotz aller Sicherheitsvorkehrungen bleibt der Tunnelbau ein vergleichsweise gefährliches Metier. Neun Menschen starben beim Bau des neuen Tunnels bei verschiedenartigen Unfällen. Eine Gedenkstätte befindet sich am Nordportal des Tunnel: neun Betonblöcke sowie eine Gedenktafel mit den Namen der Verstorbenen.
Bild: AlpTransit Gotthard AG
Alt aber nicht ausgedient
Auch wenn der genaue Nutzungsplan noch nicht klar ist, soll der alte Gotthardtunnel einstweilen in Betrieb bleiben. Er führt - wie der Straßentunnel - von Göschenen in Uri nach Airolo im Tessin und könnte als Ausweichstrecke und dem Regionalverkehr dienen. Pläne, das 1882 eingeweihte Bauwerk als Touristenattraktion zum UNESCO-Weltkulturerbe zu erklären, sind vorerst vom Tisch.