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100. Todestag Friedrich Ebert: Wegbereiter der Demokratie

27. Februar 2025

Er war ein Mann des Neubeginns. Friedrich Ebert führte Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch schwierige Zeiten - ebenso bewundert wie umstritten, aber auch Opfer rechtsextremer Hetzkampagnen.

Ein Mann mit Anzug und Spitzbart sitzt hinter einem Schreibtisch aus Holz. Vor ihm liegen Dokumente und Stifte.
Reichskanzler Friedrich Ebert an seinem Schreibtisch (um 1922)Bild: akg-images/picture alliance

Deutschland befindet sich Ende 1918 an einem Wendepunkt. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg steht fest und Kaiser Wilhelm II ist vor der Novemberrevolution, die mit einem Matrosenaufstand begann, ins niederländische Exil geflohen. Traumatisierte und vom Krieg gezeichnete Soldaten und Zivilisten ringen um ihren Platz in einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft. In dieser chaotischen Zeit nimmt der Sohn eines Schneidermeisters entscheidend Einfluss auf die politischen Geschicke des Landes: Friedrich Ebert, geboren am 4. Februar 1871 in Heidelberg als siebtes von neun Kindern.

Frauen und Kinder stehen wegen der Versorgungsengpässe während des Ersten Weltkriegs Schlange vor einem Lebensmittelgeschäft in BerlinBild: Fotoarchiv für Zeitgeschichte/Archiv/picture alliance

Ebert hat den Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg verwirklicht: Nach seiner Ausbildung zum Sattlergesellen und den Wanderjahren im Anschluss an seine Lehrzeit führte ihn sein Weg über eine Zeit als Gastwirt bis hin zum Vorsitzenden der arbeitnehmernahen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).

Die verdrängte Weltkriegsniederlage 

Seit November 1918 gehört er zur Führungsspitze der sogenannten Revolutionsregierung, einer Koalition der SPD mit den radikalen Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD). Auch Ebert ist vom Ersten Weltkrieg gebrandmarkt. Von seinen fünf Kindern sind zwei Söhne gefallen.

Als konfessionsloser Sozialdemokrat unterstützt er den Übergang von der autoritären Monarchie zur demokratischen Republik. Doch bevor demokratische Wahlen stattfinden können, steht die Revolutionsregierung vor gewaltigen Herausforderungen. Sie muss ein wirtschaftlich ausgezehrtes Land stabilisieren, während Teile der Bevölkerung die Kriegsniederlage nicht akzeptieren und sich an eine vermeintlich glorreiche Vergangenheit klammern.

Dank Ebert gibt es erstmals demokratische Wahlen, die zur Nationalversammlung im Nationaltheater von Weimar führenBild: dpa/picture alliance

Ebert sei der Richtige gewesen, um diesen Umbruch zu bewältigen, urteilt der Historiker Peter Beule von der Friedrich-Ebert-Stiftung im DW-Gespräch. "Er gilt heute zu Recht als Wegbereiter der Demokratie, der in einer der komplexesten Problemlagen in der deutschen Geschichte Verantwortung übernommen hat." Dank seines konsensorientierten Politikstils und seiner Fähigkeit zum Kompromiss umschifft Ebert die allermeisten politischen Klippen der Nachkriegszeit.

"Das war etwas Neues in der deutschen Politik", sagt der Ebert-Biograph und ehemalige Geschäftsführer der Heidelberger Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte,Walter Mühlhausen, der DW. Zu dieser Zeit sei er derjenige gewesen, "der immer dazu angehalten hat, dass man sich im Dienst der Sache einigen muss".

Das gelingt nicht immer. Ebert macht sich die radikale Linke zum Feind. Weil er zur Stabilisierung der jungen Demokratie mit den alten Eliten aus Militär und Bürokratie kooperiert, werfen ihm Kommunisten und revolutionäre Sozialisten Verrat an der Arbeiterbewegung vor. Die Spannungen eskalieren: Am 5. Januar 1919 rufen radikale Kommunisten, Sozialisten und der marxistische Spartakusbund in Berlin zum Sturz der Regierung auf. Wenige Tage vor der ersten demokratischen Wahl droht ein Bürgerkrieg.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg werden nach der Niederschlagung des Januaraufstandes ermordetBild: akg-images/picture-alliance

Während der einwöchigen Straßenkämpfe des sogenannten Januaraufstands (Spartakusaufstand) kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen. Von der provisorischen Reichsregierung eingesetzte paramilitärische Freikorps aus ehemaligen Frontsoldaten und Freiwilligen gehen äußerst brutal gegen die Aufständischen vor. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und führende Mitglieder des Spartakusbundes werden kurz nach der Niederschlagung des Aufstands von Soldaten ermordet.

Erstmals Wahlrecht für Frauen

Am 19. Januar 1919, findet schließlich die erste Reichstagswahl der neuen Republik statt.  Millionen Frauen dürfen erstmals wählen, es herrschen Meinungs- und Pressefreiheit – ein historischer Wendepunkt für Deutschland. Friedrich Ebert betont die Bedeutung dieses Moments in seiner Rede zur Eröffnung der Nationalversammlung am 6. Februar 1919 in Weimar: "Das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert in aller Zukunft sich selbst. Diese Freiheit ist der einzige Trost, der dem deutschen Volke geblieben ist, der einzige Halt, an dem es aus dem Blutsumpf des Krieges und der Niederlage sich wieder herausarbeiten kann."

Fünf Tage später wird Ebert zum ersten Reichspräsidenten der 'Weimarer Republik' gewählt. Aber die im Vertrag von Versailles festgelegten Reparationszahlungen der Siegermächte des Ersten Weltkriegs belasten die Wirtschaft weiterhin. Gleichzeitig gefährden Putschversuche von extremen Rechten und extremen Linken die junge Demokratie. Ebert wird zur Zielscheibe vor allem nationalistischer Hetze. Rechtsextremisten diffamieren ihn als Symbol einer Republik, die sie verachten.

Ein Staatsoberhaupt als Feindbild

Auch Standesdünkel spielt eine Rolle. "Für eine Gesellschaft, die immer noch dem Kaiserreich nachtrauerte, war ein Sozialdemokrat an der Staatsführung, ein Sattler-Geselle, ein Schneidersohn aus Heidelberg, ein Unding. Ein auf den Thron verirrter Sattler, so hat man ihn bezeichnet", beschreibt Walter Mühlhausen die Lage. Der Reichspräsident wehrt sich mit juristischen Mitteln und führt mehr als 200 Prozesse gegen Beleidigungen und Verleumdungen.

Januar 1920: Protest gegen den Versailler Vertrag vor dem Reichstag in BerlinBild: Ullstein

Trotz aller Anfeindungen bleibt Ebert das stabilisierende Zentrum der 'Weimarer Republik' - ein Garant für Sicherheit, Freiheit und Ordnung. In seinen sechs Jahren als Reichspräsident kommen und gehen neun Kanzler und zwölf Kabinette, doch Ebert hält den Staat zusammen.

Dabei verliert er die Interessen der Arbeiter und Benachteiligten nicht aus den Augen. Der Historiker Peter Beule betont: Als Sozialdemokrat habe Ebert den Gedanken der Demokratie und des Rechtsstaats untrennbar mit der Idee der sozialen Emanzipation verknüpft. "Das bedeutete auch, dass die Demokratie die materiellen und praktischen Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Situation ihre Interessen vertreten und am politischen Leben teilhaben können."

Der aus einfachsten Verhältnissen stammende Ebert, der sich seine Bildung mühsam selbst erarbeiten musste, setzt sich zeitlebens für soziale Gerechtigkeit ein. Er regt die Gründung einer Stiftung an, die Arbeiterkindern durch Bildung den sozialen Aufstieg ermöglichen sollte. "Der gerechte Zugang zu Bildungschancen als Voraussetzung für Chancengleichheit in der Gesellschaft ist in ganz besonderer Weise mit dem Namen Friedrich Ebert verbunden", sagt Beule. Als gemeinnützige politische Einrichtung, die sich für Demokratie und Teil­habe aller Menschen einsetzt, wird die Friedrich-Ebert-Stiftung später in mehr als 100 Ländern der Welt aktiv sein. 

Am 28. Februar 1925 stirbt Ebert mit 54 Jahren an den Folgen einer verschleppten Blinddarmentzündung. Mit seinem frühen Tod endet eine Phase relativer Stabilität. Die 'Weimarer Republik' gerät zunehmend ins Wanken, weil die demokratischen Parteien mehr miteinander streiten als zusammenarbeiten. Es beginnt das langsame Sterben der Demokratie in Deutschland - bis 1933 ein Mann die Macht an sich reißt, der nicht nur Eberts Lebenswerk zerstören wird: Adolf Hitler.

Friedrich Ebert (re.) mit Ehefrau Louise in BerlinBild: akg-images/picture alliance

Heutzutage ist Deutschland eine seit Jahrzehnten gefestigte Demokratie. Doch der Ton in der politischen Debatte hat sich verschärft. Die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) testet regelmäßig die Grenzen des Sagbaren aus, während eine kleine Minderheit von Verschwörungstheoretikern über soziale Netzwerke immer mehr Menschen aufhetzt.

Die Verletzlichkeit der Demokratie

Historische Vergleiche sind schwierig - die Vergangenheit wiederholt sich nicht zwangsläufig. Aus der Geschichte lassen sich jedoch Lehren ziehen. Ebert-Biograph Walter Mühlhausen warnt deshalb: "Die jüngste Zeit hat uns nochmal vor Augen geführt, dass die Demokratie etwas Verletzliches ist, dass Demokratie nicht etwas ist, was Ewigkeits-Charakter hat."

Die Weimarer Republik habe gezeigt, dass Demokratie täglich erlebt, gelebt und verteidigt werden müsse. Für alle Demokraten gelte daher, so Mühlhausen, "dass wir dieses System verteidigen müssen - jetzt, heute und in Zukunft. Denn eine Demokratie ohne ausreichend Demokraten läuft Gefahr, in den Orkus der Geschichte geworfen zu werden".

Der Artikel wurde erstmals am 04. Februar 2021 veröffentlicht und anlässlich des 100. Todestages Friedrich Eberts überarbeitet.  

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