1981 wurde AIDS offiziell als Krankheit definiert. Ein Jahrzehnt später setzte eine Welle von Filmen ein. Wir stellen "120 BPM" vor, eines der besten Werke zum Thema, und blicken auf den aktuellen Film "Sorry Angel".
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Leben und lieben mit HIV: Filme zum Thema AIDS
Am Welt-AIDS-Tag gedenkt die Welt der Opfer der Krankheit. Viele Regisseure haben sich in den letzten Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt. Wir stellen elf bemerkenswerte Filme zum Thema vor.
Bild: picture-alliance/dpa/Edition Salzgeber
Preisgekrönt: 120 BPM
Im vergangenen Jahr errang das Drama "120 BPM" den "Großen Preis der Jury" beim weltweit wichtigsten Filmfestival in Cannes. Regisseur Robin Campillo erzählt von der Liebe zweier junger AIDS-Aktivisten. Dem französischen Regisseur gelang eine sensible wie filmisch interessante Annäherung an ein schwieriges Thema.
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Zunächst heiter: Sorry Angel
Campillos Landsmann Christophe Honoré zeichnet für den jüngsten Film zum Thema AIDS verantwortlich, auch "Sorry Angel" feierte bei den Filmfestspielen in Cannes (2018) Weltpremiere. Der Film erzählt von der Freundschaft zweier schwuler Männer zu Beginn der 1990er Jahre in Frankreich. Honoré setzt sich auch in Romanen und Theaterstücken mit dem Thema auseinander.
Es waren amerikanische und französische Filme, die sich als erste mit dem Thema beschäftigten. "Longtime Companion" von Norman René gilt als eine der ersten Produktionen, die die vom HI-Virus ausgelöste Krankheit beschrieb. Es ist die Geschichte von acht schwulen New-Yorker Freunden zu Beginn der 1980er Jahre. Ein Thema des Films: die Verdrängung von AIDS bei Betroffenen und in der Gesellschaft.
Um das Thema Verdrängung von AIDS geht es auch in "Wilde Nächte". Der französische Regisseur und Hauptdarsteller Cyrill Collard hatte seinen autobiografisch gefärbten Roman 1989 veröffentlicht und drei Jahre später aus dem Stoff einen Film gemacht. In der Titelrolle ist Collard zu sehen, der einen Bisexuellen spielt, der keine Rücksicht auf sich und seine Partner nimmt. Collard starb 1993.
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Oscardekoriert: Philadelphia (1993)
Jonathan Demmes Film "Philadelphia" war die erste große Hollywood-Produktion, die AIDS für ein breites Publikum auf die Leinwand brachte. Tom Hanks spielt einen Anwalt, dessen Stellung gekündigt wird - weil er erkrankt ist. Gerichtlich will er sich zu Wehr setzen. Der Film ist melodramatisch und sentimental, aber sehr effektvoll inszeniert. AIDS war nun auch im großen Hollywood-Kino angekommen.
Bild: Imago/Unimedia Images
Semidokumentarisch: ...und das Leben geht weiter (1993)
War "Philadelphia" im Stile großer Hollywood-Filme inszeniert, so beschritt der im selben Jahr angelaufene "...und das Leben geht weiter" von Roger Spottiswoode einen anderen Weg. Der Spielfilm versuchte mit dokumentarischen Mitteln die Ausbreitung der Krankheit auf vielen verschiedenen Schauplätzen nachzuzeichnen. Mit dabei der junge AIDS-Forscher Dr. Don Francis, gespielt von Matthew Modine.
Bild: picture-alliance/United Archives
Umstritten: Kids (1995)
Mit dokumentarischen Mitteln arbeitete auch der Spielfilm "Kids", der zwei Jahre später entstand. Regisseur Larry Clark entwarf das Panorama einer Jugendkultur im New York der 1990er Jahre. Sex ist eines der Hauptthemen der jungen Mädchen und Jungen - das Thema AIDS kommt hinzu. Umstritten war der Film, weil er mit minderjährigen Darstellern sehr drastische Szenen entwickelte.
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Melodramatisch: Alles über meine Mutter (1999)
Spaniens Regie-Star Pedro Almodóvar erzählte 1999 in der für ihn typischen Manier vom Leben, Leiden und der Liebe einer Handvoll Protagonisten in Madrid und Barcelona. "Alles über meine Mutter" ist ein Melodrama mit viel Gefühl und Emotion, es geht um Geschlechterrollen und gesellschaftliche Vorurteile. Auch in "Alles über meine Mutter" spielt das Thema AIDS eine zentrale Rolle.
Bild: picture-alliance/dpa/Arthaus
Rückblick: Wir waren Zeugen (2007)
Auf die frühen 80er Jahre blickte der Franzose André Téchiné in "Wir waren Zeugen" zurück. In Frankreich breitet sich die Krankheit aus, die Protagonisten, die Téchiné dem Zuschauer präsentiert, werden in verschiedenen Situationen mit AIDS konfrontiert. "Wir waren Zeugen" feierte bei der Berlinale Premiere, schaffte aber trotz Stars wie Emmanuelle Béart nicht den Sprung in die deutschen Kinos.
Bild: picture-alliance/dpa
AIDS Global: Same Same But Different (2009)
Auch das deutsche Kino beschäftigte sich mit AIDS. Rosa von Praunheim tat das 1986 in der für ihn typischen anarchistischen Art und Weise mit "Ein Virus kennt keine Moral" schon sehr früh und als erster. Regisseur Detlef Buck drehte 2009 den Film "Same Same But Different", der eine Liebe zwischen einem jungen Deutschen (David Kross, unser Bild) und einer kambodschanischen Prostituierten zeigt.
Bild: Delphi Filmverleih
Schauspielerfilm: Dallas Buyers Club (2014)
Großen Erfolg hatte vor vier Jahren der Film "Dallas Buyers Club" des kanadischen Regisseurs Jean-Marc Vallée. Matthew McConaughey (r.) und Jared Leto brillieren darin als zwei HIV-infizierte Protagonisten, die sich im Amerika der 1980er Jahre um wirksame AIDS-Medikamente bemühen. Für die beiden Schauspieler gab es bei der Oscarverleihung 2014 Auszeichnungen für die besten männlichen Darsteller.
Frankreich Mitte der 1980er Jahre: Das Land wird von einem Blutkonserven-Skandal erschüttert. Es gibt viele Tote. Das Thema AIDS ist nach einer frühen Phase der gesellschaftlichen Verdrängung nicht mehr zu übersehen. Der französische Film "120 BPM", der in jene Jahre zurückblickt, wurde 2017 beim Filmfestival von Cannes als einer der besten Beiträge gefeiert. Am Ende bekam "120 BPM" den "Großen Preis der Jury".
AIDS ist für viele französische Regisseure ein Thema
Zwischen 1983 und 1995 starben in Frankreich rund 30.000 Menschen an AIDS. Über diese Zeit, als sich in unserem Nachbarland die Menschen immer mehr mit den Folgen der Immunschwäche, ausgelöst durch HIV, auseinandersetzen mussten, hat André Téchiné bereits vor zehn Jahren einen Film gedreht. "Wir waren Zeugen" feierte im Februar 2007 Weltpremiere bei den Berliner Filmfestspielen. "Wir waren Zeugen" war prominent besetzt, unter anderem mit Michel Blanc und Emmanuelle Béart. In seiner Heimat bekam der Film die angesehene Auszeichnung "Prix Louis-Delluc".
Doch "Wir waren Zeugen" kam trotz guter Besprechungen in Deutschland nie in die Kinos. Zehn Jahre später nun hat sich Téchinés Landsmann Robin Campillo noch einmal mit jener Zeit und der sich ausbreitenden AIDS-Epidemie in Frankreich auseinandergesetzt - mit einem ganz anderen Regie-Konzept. Der Regisseur setzt nicht auf Stars und die etwas verklärend-melancholische Stimmung und Szenen an schönen südfranzösischen Schauplätzen, wie es damals Téchiné getan hat.
"120 BPM" geht unter die Haut
Mit weitgehend unbekannten Darstellern hat Campillo einen beeindruckenden und sehr emotionalen Film inszeniert: "120 BPM" geht unter die Haut. Im Original heißt Campillos Film "120 battements par Minute" (120 Schläge pro Minute) - was sowohl für den schnellen Rhythmus des Films als auch für das Lebensgefühl der jungen Menschen steht.
Bei den Filmfestspielen in Cannes zeigte sich die Jury des Festivals im vergangenen Jahr tief beeindruckt und verlieh dem Beitrag, der zuvor als Mitfavorit für die Goldene Palme gehandelt worden war, den "Großen Preis der Jury". Für den 1962 in Marokko geborenen Regisseur, einen erfahrenen Schnittmeister und Drehbuchautor, bedeutete "120 BPM" auch die Verarbeitung eines ganz persönlichen Lebensabschnitts. In einem Interview mit der Deutschen Presse Agentur (dpa) verriet Campillo: "Ich hatte Angst den Film zu drehen, denn ich wollte mit meiner Geschichte den Überlebenden dieses Dramas gerecht werden."
Blick auf eine ignorante Gesellschaft
Insbesondere ging es dem Regisseur dabei um die Mitglieder der sogenannten "Act Up"-Bewegung, ein Ende der 1980er Jahre zunächst in den USA gegründeter Interessenverband, der das Thema AIDS in die breite Öffentlichkeit tragen wollte. Auch in Frankreich engagierten sich in diesen Jahren viele Betroffene, HIV-Infizierte und Homosexuelle für eine größere Aufmerksamkeit in der Gesellschaft und gründeten einen französischen Ableger von "Act Up". Lange hatten Politiker, Wirtschaftsvertreter und weite Teile der Gesellschaft die immensen Auswirkungen von AIDS herunterzuspielen versucht. Das wollten viele Betroffene nicht mehr akzeptieren.
Campillo erzählt in seinem Film von den Anfängen der "Act Up"-Bewegung in Frankreich, von ersten Zusammenkünften, Richtungskämpfen und Diskussionen der Teilnehmer und deren zum Teil anarchistischem und militantem Kampf gegen eine teilnahmslose Politik und moralisch verwerfliche Machenschaften der Pharmaindustrie. Besonders der Skandal um verunreinigte Blutkonserven erschütterte Mitte der 1980er Jahre das Land.
Campillo: "Ich wollte gegen meine Angst vor AIDS kämpfen"
Im zweiten Teil seines Filmdramas rückt der Regisseur dann die Liebe zweier Mitglieder der "Act Up"-Bewegung in den Mittelpunkt. Wichtig sei ihm aber vor allem die mangelnde Aufklärung damals gewesen: "Ich war selbst Mitglied der AIDS-Aktivistengruppe 'Act Up'", sagt Campillo in besagtem dpa-Interview: "Ich bin 1992/1993 eingetreten, weil ich gegen meine Angst vor der Krankheit kämpfen wollte, weil ich die Öffentlichkeit aufklären wollte. Die Gesellschaft wurde in den 1990er Jahren völlig im Ungewissen gelassen." "120 BPM" ist nun Robin Campillos Reaktion und Verarbeitung auf die Ereignisse von damals.