125 Jahre Made in Germany
23. August 2012Made in Germany - dieses Label ist keine deutsche Erfindung. Es entstand in Folge des britischen Handelsmarkengesetzes, das am 23. August 1887 in Kraft trat. Danach sollte jedem Konkurrenten britischer Industriewaren eine Art Brandzeichen eingeprägt werden. Jede Handelsnation, die in Großbritannien Geschäfte machen wollte, musste ihre Produkte mit der Herkunftsbezeichnung versehen.
"Das war insbesondere auch auf Deutschland gemünzt, weil man die Deutschen im Verdacht hatte, britische Produkte nachzuahmen", sagt der Wirtschafthistoriker Werner Abelshauser von der Universität Bielefeld im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das traf für Schneidwaren zu, also Scheren, Messer usw. aus Solingen. Es ging aber auch um sächsische Maschinen."
Schutz und Abwehr
Abelshauser glaubt, dass damals zwei Gründe eine wichtige Rolle spielten: Einerseits wollte man den britischen Verbraucher vor Schund schützen, also billigen Imitaten der qualitativ hochwertigen Schneidwaren aus Sheffield. Auf der andern Seite sollte der damals schon überlegene deutsche Maschinenbau stigmatisiert und mit einem negativen Brandzeichen versehen werden.
Dieser Schuss ging allerdings nach hinten los. Denn das Label "Made in Germany" entwickelte sich nach und nach zu einem besonderen Qualitätsmerkmal. Bis dahin verging allerdings noch einige Zeit. Im sogenannten Madrider Abkommen von 1891 verpflichteten sich die meisten Handelsnationen, keine falschen Herkunftsangaben auf Waren mehr zuzulassen. Kein Produkt sollte mehr unter falscher Flagge segeln. Jedes Land verpflichtete sich, seine eigene "Made in…"-Bezeichnung zu verwenden.
Japan und China
Kopiert wurde das Ganze übrigens sehr früh im Fernen Osten. So verlangten die Japaner, dass alle Waren aus dem großen Nachbarland mit "Made in China" gekennzeichnet werden mussten.
"Das lief immer nach demselben Muster", so Abelshauser, "man hatte Angst vor Nachahmern, vor Patentraub, und musste dann allerdings schmerzhaft einsehen, dass es gar nicht an dieser Nachahmung oder Industriespionage lag, sondern dass der Konkurrent einfach besser war."
Siegeszug nach dem 2. Weltkrieg
So geschah es im Laufe der Zeit jedenfalls in Europa. 1914 kam der Erste Weltkrieg und das Label "Made in Germany" rückte stärker in den Blickpunkt: Waren mit dieser Herkunftsbezeichnung durften nicht auf Märkten angeboten werden, die von den Briten und ihren Alliierten kontrolliert wurden.
Aber erst nach dem 2. Weltkrieg begann der eigentliche Siegeszug des Labels. Als nämlich klar wurde, dass Deutschland - anders als die Vereinigten Staaten - sich nicht auf Massenproduktion konzentrierte, sondern seine Stärke in Qualitätsarbeit und "nachindustrieller Maßschneiderei" suchte, wie Werner Abelshauser formuliert.
Qualitäts- und Maßarbeit
"Die deutsche Wirtschaft ist – nach wie vor übrigens – spezialisiert auf enge Kundenbeziehungen. Sie liefert genau nach Wunsch: Seien es nun ganze Anlagen, komplexe Infrastrukturprojekte oder intelligente Maschinen", so Abelshauser. Das sei das Gegenteil von Massenproduktion.
Je beliebter die unter diesen Voraussetzungen hergestellten Produkte wurden, desto offensiver wurde "Made in Germany" zur Werbung und als Marketing-Instrument eingesetzt - was bekanntlich sehr gut gelang.
Bis heute hat das Label seine besondere Bedeutung bewahrt und ist ein wichtiges Verkaufsargument, glaubt Abelshauser. Vor allem in den Branchen, in denen deutsche Produkte weltweit an der Spitze stehen: Fahrzeug- und Maschinenbau, Elektrotechnik sowie chemische Industrie.
Eigene Stärken im Vordergrund
Der Wirtschaftshistoriker verweist in diesem Zusammenhang auf ein großes "Missverständnis", wie er es nennt: Wer glaubt, Nachteile dadurch zu bekommen, dass eigene Produkte von Handelspartnern nachgeahmt werden, liege falsch. In Deutschland sei diese Haltung gegenüber China ja gerade angesagt. Aus wirtschaftshistorischer Sicht sei dies aber völlig abwegig.
Die deutsche Exportwirtschaft habe ihre Gewinne nie im Handel mit unterentwickelten Ländern gemacht. Sondern fast immer im Handel mit gleichwertigen Volkswirtschaften, die auch auf derselben Entwicklungsstufe stünden, betont der Historiker. "So dass wir eigentlich wünschen müssten, dass es den Chinesen gelingt, auf unser Niveau zu kommen. Denn dann könnten wir erst mit ihnen richtig handeln."
Wenn sich alle Handelpartner auf die eigenen Stärken konzentrierten, sei der Nutzen für alle am größten. So einfach kann wirtschaftliche Logik sein.