125 Jahre Popkultur: Die Zauberfarben von OZ
16. Mai 2025
Es war ein einmal ein kleines Mädchen, Dorothy Gale. Sie lebt abgeschieden auf einer ruhigen Farm in Kansas. Bis ein gewaltiger Tornado sie und ihren Hund Toto mitreißt und in das Phantasiereich Oz verfrachtet, wo viele Gefahren lauern, aber auch Wunder geschehen.
Auf Anraten einer freundlichen Hexe macht sich Dorothy auf den Weg zur Smaragdstadt. Sie folgt einer gelben Ziegelstraße, in der Hoffnung, dass der geheimnisvolle Zauberer von Oz ihr helfen kann, nach Hause zurückzukehren…
So geht die Erzählung mit dem Originaltitel "The Wonderful Wizard of Oz" des US-amerikanischen Schriftstellers Lyman Frank Baum, erschienen 1900. Schon in wenigen Jahren wurde die Geschichte zu einem der populärsten Kinderbücher weltweit. Es wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Eine Reise ins Innere
Auf ihrem langen Weg freundet sich Dorothy mit illustren Bewohnern von Oz an: Eine Vogelscheuche ist dabei, die gerne einen eigenes Gehirn haben möchte, ein Blechmann, der sich nach einem Herzen sehnt, ein feiger Löwe, der Mut sucht. Gemeinsam stellen sie sich diversen Prüfungen, überlisten eine böse Hexe und entdecken, dass die Eigenschaften, die sie alle suchten, eigentlich längst in ihnen steckten.
Dorothys magische Rubinpantoffeln – die sie erhält, nachdem ihr von dem Tornado mitgerissenes Haus bei der Landung die böse Hexe des Ostens tötet – erweisen sich als Schlüssel zu ihrer Rückkehr nach Hause.
Britannica, die weltweit älteste Enzyklopädie, attestiert dem "Zauberer von Oz" den Charakter eines "modernen Märchens mit einem eindeutig amerikanischen Hintergrund" und urteilt, dass die mutige Dorothy womöglich als eine der ersten feministischen Heldinnen der Kinderliteratur gelten kann.
Ob im Film, auf der Theater- und Musicalbühne oder in der Popmusik: die vielfältigen Adaptionen haben das Zauberland Oz und seine Einwohner zu Ikonen der Popkultur werden lassen. Die Bilder, die am häufigsten damit in Verbindung gebracht werden, stammen jedoch hauptsächlich auch einem bestimmten Kontext: nämlich aus der Verfilmung von MGM aus dem Jahr 1939 mit der damals 16-jährigen Judy Garland in der Hauptrolle. Ihre melancholische Interpretation von "Somewhere Over the Rainbow" ist 2001 in einer gemeinsamen repräsentativen Umfrage der "National Endowment for the Arts" (der einzigen staatlichen Kulturfördereinrichtung der USA auf Bundesebene, Anm.d.R.) und der "Recording Industry Association of America" zum "größten Song des 20. Jahrhunderts" gewählt wurde.
Von silbernen und roten Pantoffeln
In Lyman Frank Baums Buch waren Dorothys verzauberte Schuhe silbern – nicht rubinrot! Erst die Verfilmung von 1939 änderte sie bekanntlich in ein leuchtendes Rot, um das damals neue Technicolor-Filmverfahren voll auszunutzen. Rot kam auf der Leinwand einfach besser zur Geltung als Silber, insbesondere vor dem Hintergrund der gelben Ziegelsteine der Straße.
Ein Paar dieser Pantoffeln, die Judy Garland im Film getragen hatte, wurde 2005 aus einem Museum in Minnesota gestohlen und 2018 vom FBI wiedergefunden. 2024 wurde es für 28 Millionen Dollar versteigert.
Wie Pferde ihre Farbe wechseln
Und auch dieses Filmgeheimnis darf gelüftet werden: Lange vor der Erfindung von Computergraphik und KI-Tricks gab es die Lebensmittelfarbe! Um das schillernde, seine Farbe wechselnde Pferd abzubilden, das Dorothy und ihre Freunde in der Smaragdstadt begrüßt – standen vier weiße Pferde am Filmset. Doch weil Tierschützer gegen das Färben der Pferdefelle protestierten, griffen die Filmtechniker kurzerhand zu Gelatinepulver und Lebensmittelfarbe, um die Tiere mal in Weiß, mal Violett, Rot oder und Gelb erstrahlen zu lassen. Einziger Haken: Die Tiere leckten, wie es heißt, zwischen den Aufnahmen immer wieder das farbige Pulver ab. Deshalb habe man die Szenen so zügig wie möglich drehen müssen.
Der grüne Blick auf die Smaragdstadt
Auch die "Smaragdstadt" wurde nicht aus grünen Smaragden gebaut. Sie erscheint nur den Bewohnern so, weil sie grün getönte Brillen tragen müssen – ein cleverer Trick des Zauberers, um den Eindruck von Pracht zu erwecken.
Der Film von 1939 zeigte eine grüne Prachtkulisse und verankerte so die Smaragdstadt für immer als grünleuchtendes Paradies in der Populärkultur.
Welche Farbe hatte Dorothys Kleid?
Auch in der Frage, ob Dorothys kariertes Kleid nun blau-weiß oder blau-rosa war, scheiden sich bis heute die Geister. Einigen Fanseiten im Internet zufolge war das, was im Film blau-weiß wirkte, in Wirklichkeit blau und hellrosa. Tatsächlich kam Rosa unter der intensiven Filmbeleuchtung offenbar besser zur Geltung.
Der Punkt erinnert unweigerlich an die Farbdebatte in den sozialen Medien des Jahres 2015, bekannt als "The Dress". Damals stritt das Netz übe das Foto eines Kleides: War es weiß mit Goldstreifen? Oder blau mit schwarzen Streifen? Tatsächlich entpuppte sich das Originalkleid als dunkelblau-schwarz-gestreift. Die unterschiedliche Farbwahrnehmung hing von der Art und Weise ab, wie das menschliche Gehirn Licht interpretiert.
Viele verschiedene Adaptionen
Seit seiner Erstveröffentlichung hat "Der Zauberer von Oz" eine Vielzahl farbenfroher Interpretationen hervorgebracht.
Elton Johns Song "Goodbye Yellow Brick Road" (1973), den der Sänger gemeinsam mit seinem langjährigen Partner Bernie Taupin geschrieben hatte, verwendet etwa Bilder aus Oz, um die Enttäuschung über den Ruhm und die Sehnsucht nach einem einfacheren Leben zu symbolisieren. Die letzte Welttournee des 78-jährigen Elton John stand unter dem Motto "Farewell Yellow Brick Road" statt. Sie begann am 8. September 2018 in Allentown, Pennsylvania, USA, und endete am 8. Juli 2023 in Stockholm, Schweden.
Das Musical "The Wiz" aus dem Jahr 1978 war hingegen ein komplett schwarzes Musical. Die Rolle der Dorothy übernahm der ehemalige Motown-Star Diana Ross. Der damals 20-jährige Michael Jackson, längst noch kein "King of Pop", ergatterte die Rolle der Vogelscheuche. Der Film dazu wurde von den Kritikern verrissen. Doch hinter den Kulissen lernte der legendäre Produzent Quincy Jones seinen zukünftigen "Thriller"-Darsteller Jackson kennen.
Und dann wäre da noch der Broadway-Blockbuster "Wicked" aus dem Jahr 2003: Er erzählte die bis dahin unbekannte Geschichte der missverstandenen "Wicked Witch of the West" Elphaba (zu Deutsch: "Die wahre Geschichte der bösen Hexe des Westens"). Diesmal hat die "verzauberte Zauberin" eine smaragdgrüne Haut und eine Stimme, die der Schwerkraft trotzt. Der bekannteste Song des Musicals heißt "Defying Gravity".
Der Musicalerfolg wurde inzwischen als zweiteiliger Film adaptiert, mit Cynthia Erivo und Ariana Grande in den Hauptrollen. Der erste Teil, der 2024 auf die Bildschirme kam, wurde bei der 97. Oscar-Verleihung Anfang dieses Jahres für zehn Oscars nominiert und gewann tatsächlich zwei Auszeichnungen: für das das beste Produktionsdesign und eben die besten Kostüme.
Aus dem Englischen adaptiert von Anastassia Boutsko