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Friedrich Ebert: Wegbereiter der Demokratie

4. Februar 2021

Er war ein Mann des Neubeginns. Friedrich Ebert führte Deutschland nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg durch schwierige Zeiten - ebenso bewundert wie umstritten, aber auch Opfer einer Hetzkampagne rechter Kräfte.

Deutschland | Reichskanzler Friedrich Ebert
Bild: akg-images/picture alliance

Deutschland steht Ende 1918 am Scheideweg. Die Niederlage im Ersten Weltkrieg ist besiegelt. Der deutsche Kaiser Wilhelm II im Zuge der Novemberrevolution, die mit einem Matrosenaufstand begann, ins Exil in die Niederlande geflohen. Unzählige Menschen hungern. Traumatisierte, kriegsversehrte Soldaten suchen verzweifelt ihren Platz in einer zerrütteten Welt.

In dieser wirren Zeit des Umbruchs bestimmt der Sohn eines einfachen Schneidermeisters die politischen Geschicke entscheidend mit: Friedrich Ebert, geboren am 04. Februar 1871 in Heidelberg als siebtes von neun Kindern.

Den Traum vom gesellschaftlichen Aufstieg - Ebert hat ihn eindrucksvoll verwirklicht. Von unten nach ganz oben. Als gelernter Sattlergeselle brachte er es nach Wanderjahren im Anschluss an die Lehre und einer Phase als Gastwirt mit Fleiß, Organisationstalent und Pflichtbewusstsein bis zum Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).

Die verdrängte Weltkriegsniederlage 

Seit November 1918 gehört er zur Führungsspitze der sogenannten Revolutionsregierung, einer Koalition der SPD mit den radikaleren Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD). Auch Ebert ist vom Krieg gebrandmarkt. Von seinen fünf Kindern sind zwei Söhne ums Leben gekommen. Nun unterstützt der konfessionslose Sozialdemokrat eine fundamentale Weichenstellung - den Wandel von der autoritären Monarchie zur demokratischen Republik.

Demokratische Wahlen müssen erst noch eingeführt werden. Zudem steht die Revolutionsregierung vor der schweren Herausforderung, ein wirtschaftlich am Boden liegendes Land aufzubauen. Dessen Großteil der Bevölkerung die Kriegsniederlage nicht akzeptiert und sich an vermeintlich alte Größe klammert. Eine Gesellschaft, die sich unter Schmerzen neu erfinden muss, um eine Zukunft zu haben.

Dank Ebert gibt es erstmals demokratische Wahlen, die zur Nationalversammlung im Nationaltheater von Weimar führenBild: picture-alliance/dpa

Ebert ist der richtige Mann, am richtigen Platz, zur richtigen Zeit. "Er gilt heute zu Recht als Wegbereiter der Demokratie, der in einer der komplexesten Problemlagen in der deutschen Geschichte Verantwortung übernommen hat," urteilt der Historiker Peter Beule von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dank seiner Fähigkeit zum Kompromiss umschifft Ebert die allermeisten politischen Klippen im Chaos der Nachkriegszeit.

"Das war etwas Neues in der deutschen Politik", sagt Walter Mühlhausen. Zu dieser Zeit als Parteien begonnen hätten, auch die Regierungsverantwortung zu tragen, erklärt der Geschäftsführer der Heidelberger Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte, sei er derjenige gewesen, "der immer dazu angehalten hat, dass man sich im Dienst der Sache einigen muss".

Doch Ebert macht sich die radikalen Linken zum Feind. Weil er zur Etablierung der Demokratie mit den alten Eliten in Militär und Bürokratie zusammenarbeitet, werfen sie ihm Verrat an der Arbeiterbewegung vor. Die Lage eskaliert. Radikale Kommunisten, Sozialisten und der marxistische Spartakusbund mobilisieren sich am 5. Januar 1919 in Berlin zum Regierungssturz. Sie wollen den Weg in die parlamentarische Demokratie verhindernEs droht Bürgerkrieg – nur wenige Tage bevor die erste demokratische Wahl stattfinden soll.

Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg werden nach der Niederschlagung des Januaraufstandes ermordetBild: picture-alliance/akg-images

Ebert lässt den sogenannten Januaraufstand (Spartakus-Aufstand) niederschlagen. Während der einwöchigen Straßenkämpfe fließt viel Blut. Von der Regierung eingesetzte Freikorps aus ehemaligen Frontsoldaten und Freiwilligen töten und foltern. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die beiden Gründer der Kommunistischen Partei Deutschlands KPD, werden kurz nach Niederschlagung des Aufstandes ermordet.

Erstmals Wahlrecht für Frauen

Aber: Am 19. Januar 1919 kann die Reichstagswahl stattfinden. Millionen Frauen dürfen erstmals wählen, es gibt Meinungs- und Pressefreiheit. "Das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert in aller Zukunft sich selbst. Diese Freiheit ist der einzige Trost, der dem deutschen Volke geblieben ist, der einzige Halt, an dem es aus dem Blutsumpf des Krieges und der Niederlage sich wieder herausarbeiten kann", sagt Friedrich Ebert zur Eröffnung der Nationalversammlung am 6. Februar 1919 in Weimar. Fünf Tage später wird er zum Reichspräsidenten gewählt.

Großer Andrang von Frauen vor den Wahllokalen, die 1919 erstmals stimmberechtigt sindBild: ullstein bild

Ebert sieht sich als Diener aller Deutschen, steuert die die junge Weimarer Republik mit seiner konsensorientierten Politik durch vielfältige Krisen. Die Reparationszahlungen nach dem Weltkrieg, die im Vertrag von Versailles von den alliierten Siegern festgelegt worden waren, belasten die Wirtschaft. Es gibt Putschversuche der radikalen Rechten und Linken. Über Ebert ergießt sich eine Hetz- und Verleumdungskampagne rechter Nationalisten. Er ist der Repräsentant einer Republik, die sie ablehnen. 

Ein Staatsoberhaupt als Feindbild

Auch andere Vorbehalte spielen eine Rolle. "Für eine Gesellschaft, die immer noch dem Kaiserreich nachtrauerte, war ein Sozialdemokrat an der Staatsführung, ein Sattler-Geselle, ein Schneidersohn aus Heidelberg, ein Unding. Ein auf den Thron verirrter Sattler, so hat man ihn gezeichnet", beschreibt Ebert-Biograph Walter Mühlhausen im DW-Gespräch die Lage. Der Reichspräsident wehrt sich mit juristischen Mitteln. Er führt mehr als 200 Prozesse.

Protest gegen den Versailler VertragBild: picture-alliance/akg-images

Trotz aller Anfeindungen bleibt Ebert der Stabilitätsanker der Republik. Ein Garant für Sicherheit, Freiheit und Ordnung. In seinen sechs Jahren als Reichspräsident kommen und gehen neun Kanzler und zwölf Kabinette. Immer in seinem Blick: Arbeiter und sozial Benachteiligte. Als Sozialdemokrat habe er den Gedanken der Demokratie und des Rechtsstaats mit der Idee der sozialen Emanzipation verknüpft, sagt der Historiker Peter Beule.

"Und das bedeutete auch, dass die Demokratie die materiellen und praktischen Voraussetzungen dafür schaffen muss, dass alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Situation ihre Interessen vertreten und am politischen Leben teilhaben können."

Der selbst aus einfachsten Verhältnissen stammende Ebert, der sich die Bildungsgrundlagen für seine politischen Ambitionen mühsam selbst erarbeiten musste, regte die Gründung einer Stiftung an, um Kindern aus der Arbeiterschaft sozialen Aufstieg durch Bildung zu ermöglichen. "Der gerechte Zugang zu Bildungschancen als Voraussetzung für Chancengleichheit in der Gesellschaft ist in ganz besonderer Weise mit dem Namen Friedrich Ebert verbunden", so Beule.

Am 28. Februar 1925 stirbt Ebert im Alter von gerade 54 Jahren an einer Blinddarmentzündung. Sein früher Tod beendet die Phase relativer Stabilität. Es beginnt das langsame Sterben der Demokratie von Weimar. 1933 ergreift ein Mann die Macht in Deutschland, der nicht nur Eberts Lebenswerk zerstören wird: Adolf Hitler.

Friedrich Ebert (re.) mit Ehefrau Louise in BerlinBild: akg-images/picture alliance

Heute, 150 Jahre nach Eberts Geburt, ist Deutschland eine seit Jahrzehnten gefestigte Demokratie. Dennoch: Der Ton verschärft sich. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland AfD testet regelmäßig die Grenzen des Sagbaren aus. Und eine eigentlich verschwindend kleine Minderheit von Verschwörungstheoretikern hetzt über die sozialen Netzwerke immer mehr Menschen auf.

Die Verletzlichkeit der Demokratie

Historische Vergleiche sind schwierig. Was damals war, muss nicht heute wiederkommen. Man kann aber aus der Geschichte lernen. Deshalb mahnt Ebert-Biograph Walter Mühlhausen: "Ich glaube, die jüngste Zeit hat uns nochmal vor Augen geführt, dass die Demokratie etwas Verletzliches ist. Das Demokratie nicht etwas ist, was Ewigkeits-Charakter hat."

Die Weimarer Geschichte habe gezeigt, dass Demokratie täglich erlebt, gelebt und verteidigt werden müsse. Deshalb gelte für alle Demokraten, "dass wir dieses System zu verteidigen haben, jetzt, heute und in Zukunft." Denn wenn die Demokratie zu wenige Demokraten habe, "läuft sie Gefahr, dass sie in den Orkus der Geschichte geworfen wird."

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