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150 Jahre Siegessäule: Im Wandel der Symbolik

Torsten Landsberg
2. September 2023

Sie war Symbol des Deutschen Kaiserreichs, die Nazis versetzten sie in den Tiergarten, wo sie zur Ikone der Loveparade avancierte. Die Siegessäule in Berlin wird 150.

Die angestrahlte Siegessäule in der Dämmerung
Die Siegessäule mit vier Säulentrommeln an ihrem Platz am Großen SternBild: elxeneize/Zoonar/picture alliance

Da steht sie und glänzt wie am ersten Tag: Viktoria, die goldene Siegesgöttin, thront auf der Berliner Siegessäule, die der Deutsche Kaiser Wilhelm I. am 2. September 1873 nach rund achtjähriger Bauzeit als "Nationaldenkmal der Einigungskriege" einweihte. Die Planung und den Bau verantwortete der Hofbaumeister Heinrich Strack, die Figur der Viktoria mit Lorbeerkranz und preußischem Adler auf dem Helm stammt vom Bildhauer Friedrich Drake.

Die Siegessäule - mit damals noch drei Trommeln - um 1930 an ihrem ursprünglichen StandortBild: picture alliance / akg-images

Nach den Kriegen gegen Dänemark (1864), Österreich (1866) und Frankreich (1870), die als "Einigungskriege" bezeichnet wurden, ließ sich der preußische König Wilhelm I. 1871 in Versailles zum Kaiser des Deutschen Reichs ausrufen. Bereits nach dem Sieg über Dänemark 1864 hatte Wilhelm die Siegessäule in Auftrag gegeben. Am Tag ihrer Enthüllung jährte sich die französische Kapitulation - der Sedantag - zum dritten Mal.

Diese Luftaufnahme zeigt die Siegessäule gegenüber des 1894 fertiggestellten ReichstagBild: akg-images/picture alliance

Die Siegessäule steht damals rund eineinhalb Kilometer von ihrem heutigen Standort entfernt auf dem Königsplatz, heute Platz der Republik. Errichtet wurde sie an der Siegesallee vor dem Palais Raczynski mit der Kunstsammlung des polnischen Grafen und Diplomaten Atanazy Raczynski. Das Haus geplant hatte der Siegessäulen-Architekt Heinrich Strack. Das Palais wurde abgerissen, ab Mitte der 1880er-Jahre wurde dort das 1894 fertiggestellte neue Reichstagsgebäude gebaut.

Die Nazis versetzten die Siegessäule 1939 in den TiergartenBild: picture-alliance/dpa/H. Link

Den Plänen des Nazi-Architekten Albert Speer stand die Siegessäule im Weg. Für die von den Nationalsozialisten geplante "Welthauptstadt Germania" sollte an ihrer Stelle eine riesige Kongresshalle entstehen. Also musste Viktoria 1939 an ihren heutigen Standort am Großen Stern im Tiergarten umziehen. Dort wurde die Säule um eine weitere Trommel von knapp 60 auf nun rund 67 Meter vergrößert.

Prunkvolle Verzierungen zeugen von der Selbstherrlichkeit des KaiserreichsBild: Eßling/IMAGO

Vergoldete Kanonenrohre, die aus Kriegsbeute stammen, Reliefdarstellungen, die die Großartigkeit und Überlegenheit des Kaiserreichs symbolisieren und eine Siegesgöttin, die auch die Nazis für sich einzunehmen wussten: Kein Wunder, dass nach dem Zweiten Weltkrieg der Abriss der Siegessäule zur Debatte stand. Polnische Soldaten, die ihre Bedeutung nicht kannten, bereuten später, das Denkmal nicht gesprengt zu haben. Die französische Besatzungsmacht beantragte zwar den Abriss der Siegessäule, doch die Amerikaner und Briten votierten dagegen, während sich die Sowjetunion enthielt. 

Im Volksmund trägt Viktoria den Namen "Goldelse"Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die historische Symbolik trieben die Berlinerinnen und Berliner der Siegessäule schnell aus. Der einstigen Überhöhung der Siegesgöttin begegneten sie mit dem Spitznamen "Goldelse", der sich im Volksmund noch immer hält. Besonders beliebt ist das Denkmal heute bei Touristinnen und Touristen.

Von oben haben Besucherinnen und Besucher einen Panoramablick über die StadtBild: Rainer Jensen/dpa/picture-alliance

 

Kein Wunder, denn die Plattform in 51 Metern Höhe bietet einen beeindruckenden Panoramablick über die Stadt. Die Straße des 17. Juni entlang blickt man zum Brandenburger Tor, auf dem ebenfalls ein Abbild der Viktoria steht: Als Teil der Quadriga blickt sie dort nach Osten, während die "Goldelse" den Blick gen Westen richtet.

In Wim Wenders' "Der Himmel über Berlin" spielt die Siegessäule eine bedeutende NebenrolleBild: Captital Pictures/picture alliance

1987 schickte Regisseur Wim Wenders Bruno Ganz und Otto Sander als Schutzengel in den "Himmel über Berlin". Ein zentraler Ort des Films ist die Siegessäule, von der Bruno Ganz als Engel Damiel auf die damals noch geteilte Stadt blickt - und sich herabstürzen will, um irdisch zu werden. Nach der Maueröffnung ließ Wenders 1993 mit "In weiter Ferne, so nah!" eine Fortsetzung folgen.

Heute wird rund um die Siegessäule vor allem gefeiert - hier bei Rave the PlanetBild: Fabian Sommer/dpa/picture alliance

Seit Mitte der 1990er-Jahre stand die "Goldelse" dann einmal im Jahr mitten im Getümmel: Die Loveparade hielt ihre Abschlusskundgebung traditionell am Großen Stern im Tiergarten ab, zu Füßen der Siegessäule. Auch die Nachfolge-Veranstaltung Rave the Planet und der Christopher Street Day zogen hier vorbei. Und Barack Obama versammelte die Massen zu einer Rede, noch bevor er US-Präsident wurde.

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