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1967 - Startschuss für das Farbfernsehen

25. August 2017

TV in Farbe gab es in den USA schon seit 1954. In Westdeutschland dauerte es bis 1967, bis flimmerfreies Farbfernsehen über die teuren Fernsehgeräte zu empfangen war. Die Zuschauer blieben allerdings lange skeptisch.

50 Jahre Farbfernsehen - Willy Brandt
Bild: picture-alliance /dpa/W. Gutberlet

Die Ära des Farbfernsehens in Deutschland begann gleich mit einem Fehlstart. Die Studiouhr auf der Internationalen Funkausstellung in West-Berlin zeigte an diesem 25. August 1967 10.57 Uhr. Minutenlang hatte die Hand des damaligen Außenministers und Vizekanzlers Willy Brandt während seiner Rede über dem signalroten Knopf geschwebt, der kameragerecht auf dem Rednerpult installiert worden war. Eine reine Attrappe, wie sich Sekunden später herausstellen sollte. Denn als der SPD-Politiker – eben noch in Schwarz-Weiß zu sehen – ihn drückte, war es schon zu spät.

Einer der Sendetechniker verlor offenbar während der wortreichen technischen Ausführungen von Brandt die Nerven – und startete die erste deutsche Farbfernsehsendung zu früh. Bevor der Politiker den Knopf wirklich drücken konnte, flimmerten in den Haushalten bereits erstmalig farbige Fernsehbilder seiner Rede über den Bildschirm.

Staatsmännisch verkündete Brandt auf dem Bildschirm mit gewohnt sonorer Stimme: "In der Hoffnung auf viele friedlich-farbige, aber auch spannend-farbige Ereignisse gebe ich jetzt gewissermaßen den Startschuss."

Anfangs teure Luxusgeräte

Zum Glück gab es damals in ganz Deutschland nur 5800 Geräte, die das neuartige Farbsehen möglich machten, so dass nur wenige Zuschauer die Panne bemerkten. Neugierige von Berlin bis München mussten sich an diesem Tag noch die Nase an den Schaufensterscheiben der Läden für Fernsehgeräte platt drücken, um das Ereignis mitzuerleben. Die Wenigsten konnten sich ein eigenes Gerät leisten. Zwischen 2000 und 4000 Mark musste man in Westdeutschland dafür bezahlen, Ratenkauf gab es noch nicht.

Die erste deutsche Fernsehshow in Farbe: "Der goldene Schuß"Bild: picture-alliance/dpa/Giehr

Verkaufsfördernd ließen die Ladenbesitzer die neuen Farbfernseher auch nach Betriebsschluss laufen, um neue Kunden dafür anzulocken. Als erste Fernsehsendung in Farbe konnten die Zuschauer an diesem legendären 25. August die beliebte Samstagabendsendung "Der Goldene Schuß" mit Showmaster Vico Torriani auf dem Bildschirm bewundern.

Die gesamte Studiodekoration war in eine fremdartig künstliche Farbwelt getaucht. Die modisch frisierten Assistentinnen tänzelten dick geschminkt und in glitzernden Minikleidern durchs Studio. Nur der Smoking von Torriani setzte im klassischen Anzug einen beruhigend schwarzen Kontrapunkt in die aufgeregte Farbigkeit. "Ich würde sagen, die Umschaltung von Schwarz-Weiß auf Farbe wirkte wie ein Schock", ließ ein Zuschauer den Sender empört wissen.

Viel Aufwand für wenig Programm

Kameramänner und Beleuchter stellte diese technische Neuerung des Farbfernsehens vor ungeahnte Herausforderungen, wie TV-Regisseur Olaf Haas später erzählte. "Wir mussten Rücksicht nehmen bei den Kostümen, beim Bühnenbild, bei der Maske. Besonders das Einleuchten im Fernsehstudio hat sehr viel Zeit gekostet. Die Schweinwerfer konnten nicht einfach gedimmt werden, sonst bekamen die einen Rotschimmer, und alle Farben sind zerflossen." 

damals: 1967- Westdeutschland startet das Farbfernsehen

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Abgetönt wurde aufwendig mit weißem Tüll oder Baumwollgaze, das Einrichten des Lichts kostete jetzt enorm viel Zeit. "Die Flexibilität, die man bei schwarz-weiß-Aufzeichnungen im Studio bis dahin hatte, war dahin", konstatierte Haas, der die ersten Farbfernsehsendungen im Studio begleitete. Auch die Maskenbildnerinnen mussten am Anfang viel improvisieren. "Es gab keine Schminke auf dem Markt dafür. Wir haben dann probiert, die Make-up-Farben zu mixen: Bunttöne, Grautöne, in den verschiedensten Farbnuancen – bis wir das Optimale gefunden hatten."

Viele Auflagen: Stress in der Maske

Trotzdem: Die neue bunte Fernsehwelt wirkte alles andere als natürlich und angenehm. Schauspielerin Heidi Kabel vom berühmten Hamburger Ohnesorg-Theater, das in den 60er Jahren mit seinen Vorstellungen in Plattdeutsch regelmäßig im Samstagabendprogramm ausgestrahlt wurde, erinnerte sich mit Schrecken an die Anfangszeit des Farbfernsehens: "Wir sahen alle aus wie Clowns, vollkommen überschminkt. Für uns war das ganz furchtbar."

Hinzu kamen ständige Farbschwankungen auf dem Bildschirm. Die Gesichtsfarbe der korrekt geschminkten Fernsehansagerinnen changierte in Sekunden von aschfahl über grünlich-gelb bis hin zu hochrot. Der Effekt kam mit der technischen Übertragung der Farbsignale in den drei Grundfarben zustande. Dabei hatten die deutschen Fernsehsender zusammen mit der Bundespost und der Geräteindustrie mehr als 200 Millionen Mark in die Entwicklung der neuen Übertragungstechnik investiert.

Das Kulturereignis ist der Deutschen Bundespost sogar eine Briefmarke wertBild: Bundesfinanzministerium

In den ersten Jahren waren gerade mal vier Stunden pro Tag in Farbe zu sehen. Die Verbraucher blieben dementsprechend skeptisch, obwohl es in Amerika schon seit Anfang der 50er Jahre farbiges TV gab: "Ich würde mit dem Kauf eines Farbgerätes noch warten, bis die Kinderkrankheiten behoben sind", sagt ein Fernsehzuschauer auf der Funkausstellung 1967 in die laufende Kamera. Und fügte an: "Und darauf, dass die Geräte billiger werden!"

Fussball-WM als Verkaufsmotor

Entwickelt hatte das deutsche PAL-System ("Phase-Alternating-Line") der Nachrichtentechniker Walter Bruch in den Laborwerkstätten der Telefunken-Werke in Hannover. Unter seiner Federführung modifizierten die deutschen Ingenieure schon in den 50er Jahren eingeführte US-amerikanische und französische Übertragungstechniken. Langwierige Patentverhandlungen verzögerten den Start in Deutschland allerdings noch um Jahre.

In der DDR kamen die Fernsehzuschauer erst am 3. Oktober 1969 in den Genuss, die Fahne der Deutschen Demokratischen Republik auch auf dem Bildschirm in Schwarz-Rot-Gold zu sehen. Die Staatsführung entschied sich aber gegen das westdeutsche PAL-System und führte das französische SECAM-System für die Signalübertragung der DDR-Farbfernseher ein, analog zu den Bruderstaaten der Sowjetunion. Das Kaufinteresse für die teuren Geräte war in beiden deutschen Staaten zögerlich.

Erst die Olympischen Spiele in München 1972 und die Fußball-Weltmeisterschaft 1974 verschafften der inzwischen preiswerteren Geräte-Generation der Farbfernseher den Durchbruch: Die Erfolge der eigenen National-Mannschaft wollte jeder in Farbe sehen.

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