200 Jahre Rheinhessen
Suzanne Cords 8. Juli 2016200 Jahre Rheinhessen
Weinreben soweit das Auge reicht, prächtige Kirchenbauten und idyllische Gassen: Das ist Rheinhessen. Hier lebten die Nibelungen, Hildegard von Bingen und Buchdruckpionier Gutenberg. Jetzt feiert die Region Geburtstag.
Sonnenverwöhnte Weinberge
Schon die Römer wussten das milde Klima am Rhein zu schätzen. Das kommt auch den Reben zugute, und so rühmt sich die Region als größtes Weinanbaugebiet Deutschlands. Rundhäuschen wie dieses Trullo, das man sonst nur aus Apulien kennt, dienten den Bauern und Winzern früher als Schutzhütten, heute finden hier Wanderer Unterschlupf. Dieses Exemplar ist das Wahrzeichen des Winzerstädtchens Flonheim.
Neue Ländereien für den Großherzog
Die Trulli standen schon fast ein Jahrhundert auf den Weinfeldern, als mal wieder große Weltpolitik angesagt war. Nach Napoleons Niederlage wurden Europas Ländereien beim Wiener Kongress neu verteilt. So sah sich Ludwig I. von Hessen-Darmstadt plötzlich als Herr über das neu gegründete Rheinhessen; im Gegenzug musste er Westfalen abgeben. Die Gründung wurde am 8. Juli 1816 in Mainz besiegelt.
Mainzer Idyll
So mancher Würdenträger vergangener Zeiten ging hier schon entlang; heute schlendern Touristen durch die idyllische Leichhofstraße, bevor sie dem berühmten Kaiserdom einen Besuch abstatten. Zwischen dem Jahr 1000 und 1246 wurden hier mehrere Häupter gekrönt. Über die Jahrhunderte wurde immer wieder angebaut, und so findet man in dem romanischen Kirchenbau auch barocke und gotische Elemente.
Auf Gutenbergs Spuren
Direkt gegenüber dem Mainzer Dom residiert das Gutenberg-Museum. Johannes Gutenbergs Erfindung revolutionierte um 1450 die Welt: Er schuf gegossene Metallbuchstaben und ermöglichte so den Buchdruck. Im Museum findet man gleich mehrere Ausgaben seiner berühmten Bibel und eine Rekonstruktion der Werkstatt des Meisters. Eröffnet wurde das Museum schon 1901, und längst gibt es einen Anbau.
Kaiserstadt Worms
Von Mainz bis Worms ist es nur ein Katzensprung. Die Stadt gehört zu den ältesten Europas, und auch hier steht ein prachtvoller Kaiserdom. Karl der Große hatte Worms zu seinem Wintersitz auserkoren. Ein anderer Kaiser, Karl V., lud 1521 Luther vor den Wormser Reichstag, wo er seine Thesen widerrufen sollte. Damals sollen die berühmten Worte gefallen sein: "Hier stehe ich. Ich kann nicht anders."
Die Nibelungen-Saga
Seit 2002 finden auf einer Freiluftbühne vor dem Wormser Dom die Nibelungen-Festspiele statt. Es geht um den Helden Siegfried, der in Drachenblut badete und seine Gattin Kriemhilde, um Eifersucht, Mord und Intrigen. Eine Schlüsselepisode spielt der Sage nach am Portal des Wormser Doms: Brünhild und Kriemhild streiten sich, welche von ihnen ranghöher ist und den Dom zuerst betreten darf.
Jüdische Geschichte in Worms
Der jüdische Friedhof in Worms, um 1055 angelegt, gilt als der älteste erhaltene in Europa. In mühsamer Kleinarbeit erkunden Wissenschaftler seine Geschichte. Worms war neben Speyer und Mainz einst eine bedeutende Stätte jüdischer Gelehrsamkeit. Als solche haben sich die Städte auch um die Anerkennung als UNESCO-Welterbe beworben. Worms ist Pilgerstätte für Juden aus aller Welt.
Die Kaiserpfalz in Ingelheim
Mit reichlich Geschichte kann auch Ingelheim aufwarten: Die Kaiserpfalz wurde Ende des 8. Jahrhunderts von Karl dem Großen als Palastanlage erbaut. Vier Jahrhunderte später veränderte die Staufer-Dynastie den Bau maßgeblich: Mit Wehrmauern und Burgraben wollte man sich vor Angreifern schützen. Heute kann man die Kaiserpfalz auf einem historischen Rundweg erkunden, ergänzt von digitalen Bildern.
Universalgelehrte: Hildegard von Bingen
In Ingelheim soll sich einst Kaiser Barbarossa mit der Benediktinerin getroffen haben. Hildegard von Bingen war selbstbewusst und charismatisch, ihre moralische Lehre faszinierte im 12. Jahrhundert Mönche, Adlige und Laien gleichermaßen. Ihre Kräuterheilkunde-Abhandlungen sind noch heute in Gebrauch. Im Bingener Museum am Strom erfährt man mehr über die berühmte Kirchenfrau und Mystikerin.
Die Oppenheimer Rose
Für Liebhaber sakraler Bauten ist die Katharinenkirche in Oppenheim ein Muss. Nach Köln und Straßburg ist sie die bedeutendste gotische Kirche am Rhein. Berühmt sind ihre Fenster, allen voran die "Oppenheimer Rose". Der Sage nach soll ein Glasergeselle den Entwurf seines Meisters eigenmächtig verändert haben. Der tobte, doch die Bürger urteilten: "Der Lehrjunge hat seinen Meister übertroffen."
Abstieg in die Unterwelt
Unter der Oppenheimer Altstadt erstreckt sich ein riesiges Kellerlabyrinth; entstanden sind die unterirdische Gänge und Gewölbe im Mittelalter. Hier lagerten Krämer ihre Waren, später wurden sie bei Belagerungen als Schutzräume genutzt. Irgendwann geriet das Labyrinth in Vergessenheit, bis es sich 1980 mit einem eingebrochenen Polizeiauto in Erinnerung rief. Heute werden hier Führungen angeboten.
Immer am Rhein entlang
Ein Besuch in Rheinhessen wäre ohne Weinprobe nur halb so schön. Am besten genießt man die edlen Tropfen direkt beim Winzer oben auf dem Weinberg - mit Blick auf den allgegenwärtigen Vater Rhein, der der Region seinen Namen gegeben hat.