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Politik

Ein Heimspiel mit Risiken für Putin

Roman Goncharenko
26. Dezember 2017

Für Wladimir Putin wird 2018 ein besonderes Jahr: Zunächst kommt der vorhersehbare Sieg bei der Präsidentenwahl, dann die Fußball-WM. Doch es birgt auch Wagnisse, vor allem in der Außenpolitik.

Russland - Putin dankt Geheimdiensten in seiner Rede in Moskau
Bild: Reuters/Sputnik/M. Klimentyev

Mehr Symbolik scheint kaum möglich: Russland wählt 2018 einen neuen Präsidenten und Sieger dürfte der jetzige Kremlchef Wladimir Putin werden, der das Land seit genau 18 Jahren mit nur einer Unterbrechung anführt. Gewählt wird am 18. März, einem ebenfalls symbolischen Tag, denn an dem hatte Russland 2014 die Krim-Annexion besiegelt. Die Folgen werden auch im neuen Jahr spürbar sein, so die übereinstimmende Einschätzung der von der DW befragten Experten. Für die damalige Wende lässt sich Putin zu Hause feiern, in Russland wird sie als Rückkehr auf die Weltbühne dargestellt. Die Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land dürfte dennoch eine Ausnahme bleiben.

Innenpolitik rückt in den Mittelpunkt

Obwohl die Außenpolitik als Putins Leidenschaft gilt und Russland 2017 nach eigener Einschätzung darin Erfolge erzielt hat, etwa beim Einsatz in Syrien, dürfte bald die Innenpolitik stärker in den Fokus des Staatschefs rücken - "wegen des Präsidentschaftswahlkampfs, aber auch wegen der anhaltenden inneren Wirtschaftskrise und der Zustimmungsraten, die nach unten gehen", erklärt Stefan Meister, Leiter des Robert-Bosch-Zentrums für Mittel- und Osteuropa, Russland und Zentralasien an der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik (DGAP) in Berlin.

Putin werde zwar weiterhin versuchen, mit der Außenpolitik die Bevölkerung abzulenken, doch das dürfte schwierig sein: "Die Russen sind müde und sagen, Größe sei gut und schön, aber es kann auch weniger sein." Die Wirtschaftsprobleme des Landes, ausgelöst unter anderem durch westliche Sanktionen und niedrige Preise für Russlands wichtigste Exportgüter Öl und Gas, hat der Kremlchef für überwunden erklärt. Die Zustimmung zu Putin lag in einer Umfrage des renommierten Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum Anfang Dezember bei 78 Prozent und damit fünf Prozentpunkte niedriger als im August.

Syrien: Gekommen, um zu bleiben

Auch Iwan Timofejew vom Russischen Rat für Außenpolitik (RSMD), prophezeit eine abnehmende Rolle der Außenpolitik. "Die Syrien-Kampagne ist zwar ein Erfolg, doch innenpolitische Probleme bleiben, in erster Linie die nötige wirtschaftliche Modernisierung und der Technologierückstand", sagt Timofejew von der Moskauer Denkfabrik.

Tatiana Kastoueva-Jean, Leiterin des Russland/GUS-Zentrums am Französischen Institut für Außenbeziehungen (IFRI), streicht heraus, dass Putin im Dezember seinen Wahlkampf mit dem Teilabzug der Truppen aus Syrien eingeleitet hatte: "Er gibt sich wie ein Friedenstifter, so, als wolle er die Kriegseinsätze in seiner dritten Amtszeit seinlassen und beenden."

Russische Soldaten in der ostsyrischen Stadt Deir Essor (September 2017)Bild: Getty Images/AFP/D. Derda

Der Nahe Osten und insbesondere Syrien ist der bisher sichtbarste Ort, an dem sich Russland auf der Weltbühne neu positioniert. "Auch wenn der militärische Einsatz erfolgreich war, könnte die politische Lösung des Problems mit diversen Partnern, deren Ziele nicht immer übereinstimmen, sich als eine schwierigere Aufgabe erweisen", sagt Kastoueva-Jean. Auch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) könne noch wiederauferstehen, warnt Iwan Timofejew. Vor diesem Hintergrund sei 2018 eine Ausweitung des militärischen Engagements Russlands in der Region oder in Nordafrika, etwa in Libyen, unwahrscheinlich: "Russlands Ressourcen sind begrenzt." Allerdings habe Moskau in Syrien die Erfahrung gemacht, dass ein Militäreinsatz jenseits der russischen Grenzen "spürbare außenpolitische Vorteile" bringen könnte und die Ausgaben dafür "nicht sehr groß sein müssen". Daher könne es sein, dass "in einigen Ländern der Bedarf an militärischer Präsenz Russlands" steigen werde. Mit anderen Worten: Neue Stützpunkte ja, neue Kriegseinsätze eher nein.

Die Ukraine als große Unbekannte 

In der Ukraine, wo Russland sein militärisches Eingreifen auf der Seite der Separatisten bestreitet, erwarten die Experten 2018 eine weitere Stagnation bei der Umsetzung der Minsker Friedensvereinbarungen. Kiew dagegen, das Russland als Besatzungsmacht in Donezk und Luhansk eingestuft hat, befürchtet eine Eskalation. Als ein Signal in diese Richtung wird die Mitte Dezember angekündigte Entscheidung Moskaus interpretiert, seine Offiziere aus einem gemeinsamen Waffenstillstandskontrollzentrum abzuziehen.

Auch Steven Pifer von der US-Denkfabrik Brookings-Institution ist pessimistisch. Die Idee einer UN-Friedenstruppe in der Ostukraine, wofür sich auch Putin ausgesprochen habe, dürfte nicht vor der Präsidentenwahl in Russland umgesetzt werden. "Ich befürchte, dass die Russen mit der Lage im Donbass zufrieden sind, sie glauben die Kosten sind erträglich und werden den Konflikt weiter nutzen, um die Regierung in Kiew unter Druck zu setzen", so der US-Experte. Er bezweifelt, dass Russland eine Friedenstruppe wirklich will.  

Außerdem bleibe die innenpolitische Lage in der Ukraine im kommenden Jahr eine große Unbekannte, sagt Stefan Meister: "Es kann da Bewegung kommen, die das ganze Spiel verändern wird." In der Hautstadt Kiew gibt es zunehmend Korruptionsvorwürfe und gewaltsame Proteste gegen den Präsidenten Petro Poroschenko. "Das spielt im Moment in Putins Hände", so der DGAP-Experte. Russlands Hauptziel, einen Beitritt der Ukraine zur NATO und EU zu verhindern, werde bleiben, sagt die französische Expertin Kastuyeva-Jean. 

Symbole der von Russland unterstützten sogenannten "Donezker Volksrepublik" im Osten der UkraineBild: DW/I. Kuprianova

USA drehen an der Sanktionsspirale

Iwan Timofejew sieht die größten Risiken für Russland im Verhältnis zu den USA: "Wir haben die Kontrolle verloren und die Lage ist 2017 deutlich eskaliert." Eine neue Herausforderung steht gleich zu Beginn des neuen Jahres bevor. Ende Januar soll die US-Regierung dem Kongress eine sogenannte "Kreml-Liste" vorlegen, einen detaillierten Bericht über einflussreiche Politiker und Geschäftsleute mit Verbindungen zum Kreml. Das ist Teil der im Sommer vom Kongress beschlossenen neuen Sanktionen gegen Russland, mit denen Washington vor allem auf die versuchte Einmischung Moskaus in den Präsidentenwahlkampf reagiert hat. Russland bestreitet diese Einmischung. Sollte die Liste "sehr breit gefasst sein", dürfte Moskaus Geduld mit dem neuen US-Präsidenten Donald Trump reißen. Bisher übte sich Russland in Zurückhaltung gegenüber Trump.

"Ich sehe viel Sorge in Russland wegen neuer US-amerikanischer Sanktionen", sagt Steven Pifer von der Brookings Institution. Dabei sei das Verhältnis auf einem solchen Tiefpunkt angelangt, dass eine weitere Verschlechterung schwer vorstellbar sei. Putin habe gehofft, unter dem neuen Präsidenten Donald Trump werde es besser. Doch die Vorwürfe geheimer Absprachen mit Moskau im Wahlkampf "haben dem US-Präsidenten die Hände gebunden", glaubt Pifer.  

Einen Durchbruch in der Sanktionsfrage schließen die Experten daher aus. "Mein Eindruck ist, dass Moskau fast aufgegeben hat, mit Trump zusammenzukommen", bilanziert Stefan Meister von der DGAP. Daran dürfte auch ein bisher ausgebliebenes vollwertiges Gipfeltreffen zwischen Putin und Trump wenig ändern - sollte es 2018 doch noch dazu kommen.

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